Donnerstag, 20. Oktober 2016

474 Die wirkliche Veränderung

Gestern hat meine ältere Tochter vom Philosophieunterricht in der Schule geschwärmt und begeistert von Platons Höhlengleichnis erzählt als Sinnbild ideologischer Verblendung. Ich war nahe daran, noch zu ergänzen, daß das bei Platon auch noch ins Fundamentalere geht. Aber ich habe mich zurückgehalten und nichts gesagt und gelächelt. Nur den Hinweis, daß ich ihr vor Jahren schon angekündigt habe, daß ihr die Philosophie gefallen wird und sie bei diesem Fach und bei der Literatur aufblühen wird, das habe ich noch angebracht. (Ich bin doch ein unverbesserlicher Rechthaber!)
Ich habe deswegen nichts gesagt, weil ich meine Kinder in ihrem Aufwachsen viel zu viel belehrt  und ihnen damit viele Chancen genommen habe, ihre eigenen Erfahrungen zu machen und ihre eigenen Erkenntnisse zu gewinnen.

Aber mit dem Höhlengleichnis läßt sich gut erklären, was Zauberei bei Carlos Castaneda ist. Mit unserer Alltagswahrnehmung sind wir in der Höhle gefangen und sehen nur Schatten des Eigentlichen und unsere Erkenntnisse und Vorstellungen bleiben schattenhaft. „Das ist ein Tisch.“ - Schatten! – in dem nur Promille vom eigentlichen Ding abgebildet sind. „Das ist eine Wand und da kann ich nicht durchgehen“ - Schatten! „Die Welt besteht aus Objekten“ - Schattenspiel! „Der hat einen XY-Charakter“ - Schattenerkenntnis. „Die Zeit ist ein Kontinuum von wasweißichwas“ - Schattenerkenntnis (die mehr oder weniger das Ursprüngliche widerspiegelt). „Der Mensch wird geboren, lebt, wird alt, stirbt“ - Schattendefinition.
Zauberei ist eine Technik, sich von diesen Fesseln zu befreien und zum Ausgang der Höhle zu krabbeln. Also nur ein Weg. (Das wäre auch Religion, wenn sie echt ist.) Es geht nämlich darum, zum Höhlenausgang zu kommen und die Wirklichkeit direkt zu sehen. Das ist Sehen. Dorthin zu gelangen ist für uns in der Höhle Gefangenen ein mühsamer Kampf und alle Zaubertechniken dienen nur diesem Ziel.

Die Erfahrung des Sehens jedoch verändert den Menschen wirklich und die Welt wird für den Seher oder die Seherin nie mehr so sein wie sie vorher war. Das ist die wirkliche Veränderung.
In den tiefsten Schichten unseres Bewußtseins wissen wir, daß wir in der Höhle gefangen sind und wir alle wollen in unserem tiefsten Inneren zum reinen Sehen gelangen, aus dessen Reich wir ja kommen. Unsere ganze Verzweiflung und Wut kommt letztlich nur aus dem, daß uns das nicht gelingt. Gerade beim modernen Menschen, der besonders weit von seinem Ursprung entfernt ist. Wir alle habe das Potential zum Sehen; es ist unser angestammtes Erbe. Wenn es uns nicht gelingt – das ist unsere wirkliche Wunde.
















©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

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