1141 Ende der Diskussion! Und Maul halten!
Ich habe vor kurzem in der Kleinen Zeitung Graz gelesen, daß
ein rumänischer Bettler wegen gewerbsmäßigem Betrug verurteilt wurde, weil er
beim Betteln ein körperliches Gebrechen vorgetäuscht hatte – nämlich eine
Krücke verwendet hat, die er gar nicht braucht.
Alter Schwede! Wer zeigt so etwas an? Und das Urteil kann
man nur als rassistisch beurteilen, wenn meine Vermutung stimmt, daß der Bettler
der zur Zeit in Europa am meisten verfolgten Ethnie angehört. Und außerdem ist
es ein antisoziales Urteil, weil es nur gegen Arme gerichtet ist. Wie zum
Beispiel auch das gesetzliche Verbot von Obdachlosigkeit in Ungarn (Aha, denkt
sich der Obdachlose, dann investiere ich halt in eine Eigentumswohnung!).
Zunächst möchte ich erklären, daß ich jemand bin, der
Bettlern ab und zu etwas gibt. Da gibt es welche, die mir sympathisch sind, und
welche die mir nicht sympathisch sind. Manchmal ist mir einer auch lästig (aber
da kann ich „Neinsagen üben“). Wem ich wieviel gebe, ist jedoch ganz meine freie
Wahl - im Gegensatz zu den Steuern etwa, da habe ich keinen Einfluß drauf,
welche Gauner ich auf höchstem Niveau mitfüttere. Wenn ich auf einen „falschen“
Bettler hereinfalle, ist das meine Sache, und wenn ich will, kann ich daraus
etwas lernen. Außerdem rechne ich damit, daß es zum „Geschäftsmodell Betteln“
gehört, sich als besonders bemitleidenswert zu präsentieren („Ist da jemand?“ -
da leben dann möglicherweise auch einige Wichtigtuer davon).
Und die legalen Betrügereien? Die Waren so zu verpacken, daß
sie nach mehr Inhalt ausschauen, als drinnen ist? Farbstoffe in Fleisch, Säfte
und andere Lebensmittel, damit sie frischer ausschauen? Nachdatieren? spezielle
Beleuchtungen? unseriöse Werbeversprechen und und und? Oder Geräte so zu bauen,
daß sie geplant früher kaputt gehen als nötig? Oder die Autoindustriebetrüger,
die mit Millionen Abfertigungen und Millionenpensionen ausscheiden? Oder der
Steuerbetrug mit Briefkastenfirmen, wo jeder weiß, daß das keine richtigen
Firmen sind, sondern vorgetäuscht? Wo ist da die Gerechtigkeit? Und da will ich
mich über Bettler aufregen?
Ich möchte noch etwas sagen: meine Erfahrungen mit
Bettlern/Bettlerinnen sind überwiegend positiv. Ich habe mich schon manchmal
über den einen oder anderen geärgert, aber bei denen, wo ich sozusagen
Stammkunde bin, haben sich schöne Zeremonien eingebürgert: wir verneigen uns
bei der Begrüßung höflich voreinander, und/oder schlagen beide ein Kreuzzeichen,
wünschen einander Gesundheit für uns und unsere Familien (sanitate!) und
manchmal Gottes Segen. Aber auch bei gelegentlichem Kontakt, wenn ich irgendwo
unterwegs bin, ist mir aufgefallen, daß ich vor allem von afrikanischen
Bettlern oft ein „God bless you!“ höre (und ich kann's brauchen!). Eine solche
Kommunikation ist mir tausendmal lieber als diese ganze Spießerraunzerei und
Pöbelaggressivität.
Wer zeigt soetwas an? Wer den Bettlern ihren Beruf
(eigentlich beten; wie Wissenschaftler für Wissen schaffen bezahlt werden)
neidig ist, kann ja seinen Beruf aufgeben und sich zum Betteln auf die Straße
stellen oder setzten. Das steht jedem frei! Niemand kann einen daran hindern! Also: dann mach das und wenn dann lieber doch nicht, dann Ende der Diskussion!
und Maul halten!
Nein, dieses Urteil ist eine himmelschreiende
Ungerechtigkeit!
(13./14.10.2018)
©Peter Alois
Rumpf Oktober 2018
peteraloisrumpf@gmail.com
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