Freitag, 5. Oktober 2018

1130 Gönnung


Ich schau ins Narrenkastl, wie man das bei uns nennt. Dort glitzert es, weil sich dahinter die Gläserablage befindet, mit Spiegeln als Rückwand. Der Boden: Terrakotafliesen (ich habe wieder den Blick gesenkt – zu intensiv darf ich dem Leben nicht zuschauen). Der Narrenkastlbereich (ich habe den Kopf wieder gehoben auf mittlere Höhe; Grüße an Joseph T. Jocher) läßt mich das Leuchten und Glitzern deutlicher wahrnehmen als ohne dieses Ding. Das Leuchten und Glitzern der einzelnen Gegenstände wird durch das Narrenkastl zu einem Gesamtgeschehen zusammengefaßt. Das Ereignis „Glitzern“ wird im Verhältnis zu den einzelnen Gegenständen stärker und legt sich über die Dinge. Ich bräuchte versuchsweise statt einer Objekt-  eine Ereignissprache. Aber lassen wir das, der Whorf ist schon lange her und meine diesbezüglichen lächerlichen Versuche auch schon fünfunddreißig Jahre (wird mir jetzt alles Liegengelassene hergespült?).

Das Blaue dort teilt sich auf zwei Hosenbeine auf. Und da drüben auch. Und hier ebenfalls und auf eine Jacke.

Die Nacktheit hier im Raum teilt sich hauptsächlich auf Köpfe mit Gesichtern, viele Hälse – zum Teil mit anschließenden Dekolletes, ein paar Unterarme, auf viele Hände, und zwei Frauenbeine von einem Drittel der Riste, die unbedeckt sind, über die Knöcheln bis in den oberen Bereich der Oberschenkel.

Aus den Lautsprechern Nina Simone; ich höre zu.

Hier gibt es eine zweisprachige Speisekartentafel: Österreichisch – Deutsch: Erdäpfelpüree – Kartoffelpüree. In der genauen regionalen Aufschlüsselung des Sprachgebrauchs würde es  komplizierter werden.

Nein! Falsch! Keine zweisprachige Speisenkarte! Ich habe mich verlesen: weil die letzten Worte (sic! Kleiner Gag) hingefuzzelt sind und durch den Kopf einer Gästin teilweise verdeckt waren: richtig heißt es Karotteniregndetwas.

Und nun ein Witz, vor sechsundvierzig Jahren bei Hesse gelesen: Ein berühmter Schriftsteller wird gefragt, was er am Vormittag gemacht habe. Er antwortet: „ich habe einen Satz geschrieben.“ Frage: „Und am Nachmittag?“ Antwort: „ da habe ich den Satz wieder durchgestrichen.“

Also ich bin schneller und produktiver: einige Sätze geschrieben, den oberen Abschnitt mit der Speisekarte wieder durchgestrichen, weil falsch (– obwohl: wer kann mich daran hindern, zu behaupten, es gäbe hier zweisprachige Speisekarten, auch wenn es nicht stimmt? Niemand! Das ist meine Freiheit!), dann die Durchstreichung wieder aufgehoben (das mache ich immer mit solchen Linien: - - - - - - - - unter dem Text oder seitlich den ganzen Absatz)  und noch etwas hinzugefügt; und das alles vom späten Vormittag bis Mittag.

Apropos Mittag: „einen Tagesteller und ein alkoholfreies Bier dazu, bitte!“ Gönnung! Erdäpfelpuree mit Faschiertem, das Lieblingsessen meiner Kindheit.

Das Wort „Gönnung“ verdanke ich meinen lieben Töchtern.








(4.102018)











 ©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


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