1130 Gönnung
Ich schau ins Narrenkastl, wie man das bei uns nennt. Dort
glitzert es, weil sich dahinter die Gläserablage befindet, mit Spiegeln als
Rückwand. Der Boden: Terrakotafliesen (ich habe wieder den Blick gesenkt – zu
intensiv darf ich dem Leben nicht zuschauen). Der Narrenkastlbereich (ich habe
den Kopf wieder gehoben auf mittlere Höhe; Grüße an Joseph T. Jocher) läßt mich
das Leuchten und Glitzern deutlicher wahrnehmen als ohne dieses Ding. Das
Leuchten und Glitzern der einzelnen Gegenstände wird durch das Narrenkastl zu
einem Gesamtgeschehen zusammengefaßt. Das Ereignis „Glitzern“ wird im
Verhältnis zu den einzelnen Gegenständen stärker und legt sich über die Dinge.
Ich bräuchte versuchsweise statt einer Objekt-
eine Ereignissprache. Aber lassen wir das, der Whorf ist schon lange her
und meine diesbezüglichen lächerlichen Versuche auch schon fünfunddreißig Jahre
(wird mir jetzt alles Liegengelassene hergespült?).
Das Blaue dort teilt sich auf zwei Hosenbeine auf. Und da
drüben auch. Und hier ebenfalls und auf eine Jacke.
Die Nacktheit hier im Raum teilt sich hauptsächlich auf
Köpfe mit Gesichtern, viele Hälse – zum Teil mit anschließenden Dekolletes, ein
paar Unterarme, auf viele Hände, und zwei Frauenbeine von einem Drittel der
Riste, die unbedeckt sind, über die Knöcheln bis in den oberen Bereich der
Oberschenkel.
Aus den Lautsprechern Nina Simone; ich höre zu.
Hier gibt es eine zweisprachige Speisekartentafel:
Österreichisch – Deutsch: Erdäpfelpüree – Kartoffelpüree. In der genauen
regionalen Aufschlüsselung des Sprachgebrauchs würde es komplizierter werden.
Nein! Falsch! Keine zweisprachige Speisenkarte! Ich habe
mich verlesen: weil die letzten Worte (sic! Kleiner Gag) hingefuzzelt sind und
durch den Kopf einer Gästin teilweise verdeckt waren: richtig heißt es
Karotteniregndetwas.
Und nun ein Witz, vor sechsundvierzig Jahren bei Hesse
gelesen: Ein berühmter Schriftsteller wird gefragt, was er am Vormittag gemacht
habe. Er antwortet: „ich habe einen Satz geschrieben.“ Frage: „Und am
Nachmittag?“ Antwort: „ da habe ich den Satz wieder durchgestrichen.“
Also ich bin schneller und produktiver: einige Sätze
geschrieben, den oberen Abschnitt mit der Speisekarte wieder durchgestrichen,
weil falsch (– obwohl: wer kann mich daran hindern, zu behaupten, es gäbe hier
zweisprachige Speisekarten, auch wenn es nicht stimmt? Niemand! Das ist meine
Freiheit!), dann die Durchstreichung wieder aufgehoben (das mache ich immer mit
solchen Linien: - - - - - - - - unter dem Text oder seitlich den ganzen Absatz)
und noch etwas hinzugefügt; und
das alles vom späten Vormittag bis Mittag.
Apropos Mittag: „einen Tagesteller und ein alkoholfreies
Bier dazu, bitte!“ Gönnung! Erdäpfelpuree mit Faschiertem, das Lieblingsessen
meiner Kindheit.
Das Wort „Gönnung“ verdanke ich meinen lieben Töchtern.
(4.102018)
©Peter Alois
Rumpf Oktober 2018
peteraloisrumpf@gmail.com
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