1459 Wenn ich will
Flotte Musik im Ausweichcafé.
Cappuccino mit Herz (Schaum). Das Café
ist wirklich kein Ersatz, sondern voll gültig: ich gewähre die Bitte, es sei in
meinem Cafébund das
dritte.
Nach dem Traum von Woodstock – weil ich grad die
Wochenendausgabe der Wiener Zeitung sehe – sehne ich mich mehr als damals: Sex
+ Drugs + Popmusik + (innerer) Frieden, obwohl ich mich lange Zeit darüber lustig
gemacht und das Ganze äußerst kritisch gesehen habe.
Und von jener Zeitungsschlagzeilen provozierten Aussage
distanziere ich mich sofort wieder deutlich und dezidiert! Ich lehne so eine
unreife Haltung ab!
Ich zahle und gehe.
Ich könnte mich natürlich auch – wenn ich will – nach einer
Cola-Rum-Fernseh-Werbung-Szene sehnen: eine fröhliche Gruppe von Jugendlichen, leicht,
traditionslos, erwartungsvoll, aber nicht zu sehr, alles schaut noch unentschieden aus – zum
Beispiel zwischen Männlein und Weiblein – trinken, sind aber nie sichtbar
betrunken, jedoch immer ganz entspannt, Jeunesse dorée, mit coolen Autos am Strand, auch ich mit
Führerschein und Auto ein Macker.
Ich könnte mich natürlich auch – wenn ich will – nach der
Mitgliedschaft einer Gruppe betrunkener Markthocker sehnen, mit dicken Bäuchen
und hochgeschobenen Brillen, das Auskommen scheint gesichert, mit
langsam-schwerer Rede – aber immer mit ich-kenn-mich-aus.
Oder bei den fitteren Boccia-Boule-Spielern mit
italienischem oder französischem Alt-Herren-Flair.
Oder – wenn ich will – nach einem Leben als isolierter
Fernsehseher, mit Bier oder Whisky, mit zweihundert Fernsehsendern und allen
Internet-Film-Diensten mit Krimis, Dokus, Sport und Pornos, der um sieben Uhr
abends schon nervös wird und nach Hause eilt und spät in der Nacht seine
Übelkeit vorm einsamen Zu-Bett-Gehen mit ein paar Schluck hinunterspült, und
wenn es nicht reicht, ein paar Schlaftabletten nachschiebt.
Oder – wenn ich will – nach dem Leben als erfolgreicher?
-loser? Vertreter, der überall mit seinem Auto herumfährt und überall im Lande
herumkommt und dann doch in meistens schlechten Absteigen absteigt und sein
Haupt auf fragwürdige Kissen bettet.
Ich könnte mich auch – wenn ich will – danach sehnen, als patriarchalischer
Besitzer eines ansehnlichen Anwesens oder als großer Nomaden- und Herdenchef eine riesige Familie zu führen, in deren Mittelpunkt ich stehe, mit allem Drum und
Dran, Dienstbotinnen und Besuche, Kind und Kegel(kinder), der eben – so wie zum
Beispiel Abraham – seine Frau und seine Mägde vögelt und in großem, sinnlichen
Reichtum lebt (also mit Wein, Weib und Gesang – so hat schon der eine meiner
Großväter seinen Besitz allerdings runtergewirschaftet).
Oder gar nach einem Leben als afrikanischer Kleinfürst mit
Harem (klar strukturiert und hierarchisiert), dessen Frauen ihn füttern,
während er im Fernsehen die Fußballweltmeisterschaft verfolgt.
Oder ein niederösterreichischer oder steirischer Schloßherr,
mit Großgrundbesitz, Wald, Jagd und besten Beziehungen in die lokale Politik,
als der ich im Trachtenjanker herumrenne und von den Einheimischen verehrt und
privilegiert werde – inklusive Ius primae noctis und weiterer Nächte auch, ein
Recht, das ich natürlich nur ganz sanft und mild und in gegenseitigem Einverständnis
ausübe.
Ich könnte mich natürlich auch – wenn ich will - nach einem
langweiligen, faden Leben in Nordschweden sehnen, dort, wo es keine Gasthäuser
gibt und die Menschen auf Distanz leben – ein alter Traum! - und wenn es mir
doch zu langweilig wird, irgendeinen Kurs an der Volkshochschule belegen.
Oder nach einem äußerlich unauffälligen, aber gut
abgesicherten Leben als Analytiker bei irgendeinem Geheimdienst, der sich
heimlich daran delektiert, wo er überall beteiligt ist und trotzdem niemand davon
weiß. Wenn ich will.
Oder nach einem Leben als wirklich keuscher Priester, Mönch, Einsiedler, Wanderprediger - kirchlich oder nicht, christlich oder buddhistisch oder weiß der Teufel was, der sein Leben dem Abstrakten widmet und dem Salto ins Unvorstellbare.
Oder nach einem Leben als wirklich keuscher Priester, Mönch, Einsiedler, Wanderprediger - kirchlich oder nicht, christlich oder buddhistisch oder weiß der Teufel was, der sein Leben dem Abstrakten widmet und dem Salto ins Unvorstellbare.
Oder – wenn ich will – nach einem Leben als gebildeter,
kultivierter Señor, glücklich und ernsthaft verheiratet, mit gesicherter Stellung in der Gesellschaft, nicht
zu verunsichern, der weiß, wer oder was wo hingehört und seinen rechten Platz
hat und das auch immer sagen kann.
Oder ich könnte mich auch – wenn ich will – danach sehnen,
ein genialer und versoffener Künstler zu sein, der sein Leben der Kunst opfern
zu müssen glaubt und tolle Werke schafft und dem alles nachgesehen wird.
Oder nach einem Leben als fröhlicher Wanderer durch die Unendlichkeit.
(14.8.2019)
©Peter
Alois Rumpf, August 2019 peteraloisrumpf@gmail.com
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