1461 Ich lege alle Ämter zurück
Frust frißt sich herein. Wie schneller Rost zersetzt er …
meine Schutzschilde? mein Balancegerüst? meine Lebenslügen?
Die Resignation breitet sich im porösen Material aus; ich
lege alle Ämter zurück – die sichtbaren und die unsichtbaren. Ich habe sie doch
gar nicht richtig inne gehabt, wie mir nun auffällt; ich durfte sie nur ein
wenig spielen. Ich bin in Wirklichkeit gar nie angesprochen. Genug gejammert!
Genug !
Ich atme tief und lausche. In meinen Ohren und zwischen
ihnen schrillt es. Ich verspüre auch einen leichten Druck im Gehör, der
deutlicher wird, wenn ich meine Aufmerksamkeit darauf lenke. Unter- oder
Überdruck kann ich jedoch nicht entscheiden. Es scheint alles etwas linkslastig
zu sein und ich höre auch die Haustür zufallen. Jetzt scheint sich der
Schwerpunkt nach rechts zu verlagern, aber dort bleibt er höher als auf die
linken Seite.
Am Schädel oben spielt sich auch etwas ab, Bewegungen, teilweise
überm Scheitel, und das Zusammenziehen von etwas, das nicht die Kopfhaut ist.
Auf der linken Seite nähern sich von weitem geschriene
Juchzer. Im Moment befindet sich das Schrille mehr im Hinterkopf, während von
unten kurz ein leiser Laut hochsteigt, der wie das Springen einer gespannten
Saite klingt, aber verhüllt, gedämpft durch viele Stoffschichten hindurch.
Halbe oder noch kleinere Wortstücke geistern herum, weit
davon entfernt, mir irgendeinen Sinn zu vermitteln (such ich in die falsche
Richtung?).
Eine ganz normale Tür schlägt im Haus zu. Das intensive
Surren surft auf unbekannten Wellen hin und her. Ein Mann spricht undeutlich,
kaum vernehmbar, ich muß, um ihn zu hören, durch viele Lautschichten
konzentriert hindurchlosen. Eine Frau antwortet – ich tippe auf Nachbarhaus.
Ein Flugzeug begleitet mein Surren (oder wem immer es
gehört). Meine Kopfhaut fängt an, sich am Hinterkopf unwillkürlich
zusammenzuziehen. Ein Rhythmus taucht auf und verliert sich gleich wieder. Ein
einzelner ferner Schlag. Nun pulsiert der Punkt unterhalb des Nabels, als würde er leichte Stöße erhalten; manchmal verlagert es sich mehr zum Solarplex hin.
Es wird dunkler in meinem Zimmer oder in meinem Bewußtsein. Ein Geräusch, als
würden leere, umgedrehte Plastikbecher auf einen Tisch geknallt, aber in weiter
Entfernung, taucht hin und wieder auf.
Jetzt gerate ich in Phantasien (ich wäre reich, habe einen
sicheren, stillen, abgelegenen Landsitz, lebe dort und …).
Das Surren hat jetzt die Form einer waagrechten Scheibe
angenommen, die in Ohrenhöhe meinen Kopf – nicht durchschneidet, aber
durchdringend durchtönt.
Am Hinterkopf zieht es sich zusammen, vorne an der Stirn
zieht es auseinander und wird gleich aufreißen und etwas öffnen. Jetzt ist es
zur Nasenwurzel heruntergerutscht. Das Pulsieren ist wieder oben an der Stirn
und geht bei den Ohren hinaus. Wellen am Hinterkopf. Erst jetzt merke ich, daß
ich die ganze Zeit über meine linke Hand verkrampft halte.
Die Haustür.
Die richtigen Konsequenzen ziehen.
Irgendetwas schlägt gegen irgendetwas – weit weg.
(17.8.2019)
©Peter
Alois Rumpf, August 2019 peteraloisrumpf@gmail.com
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