2497 Im Finstern
3:57a.m. Ich gehe jetzt zu Bett. Ich habe Angst vorm Abdrehen
der Lichter und Ablenkungen. Nicht, dass ich mich im Finstern fürchte; nicht,
dass ich nicht schlafen könnte – im Gegenteil: ich schlafe gut. Ich habe Angst
davor, dass ich mir vorm Einschlafen mein Leben anschauen muß. Ich ertrage kaum
mein Lebensrésümé. Jeder Moment der Stille ist ein Moment unsäglicher
Verzweiflung. Ich habe das in meinem Leben schon oft angeschaut und
ausgehalten; freiwillig und unfreiwillig: früher bei 8 Grad Zimmertemperatur
und Fieber ohne Krankenversicherung und Geld fürs Heizen, oder in stundenlangen
Meditationssitzungen, wo ich geübt habe, den Anblick auszuhalten, aber derzeit
mag ich nicht mehr. Jetzt im Alter wird das immer schwerer auszuhalten. Ich
fürchte mich vor den Konsequenzen, wenn ich meine Verzweiflung voll zulasse. So
lenke ich mich ständig ab. Ich fürchte mich davor, mein Leben anzuschauen und
nichts Tragfähiges, Positives (wie ich dieses Wort hasse!) zu finden. Nichts,
auf das ich stolz sein kann. Nichts, was wie ein Erfolg ausschaut. Nichts, was
gelungen sein könnte. „Nichts“ ist natürlich übertrieben, aber die paar Brösel
genügen nicht. Gewogen und zu leicht befunden. Ich weiß auch, dass ich gar
nicht den Überblick, den Gesamtblick auf mein Leben mit all seinen Auswirkungen
auf die Welt habe, dass mir doch der Blick sub specie aeternitatis fehlt, dass
ich also kein echtes Resümee ziehen kann; aber ich fürchte mich davor, nichts
Wertvolles finden zu können. Ich greife eh nicht vor, ich warte eh geduldig
aufs natürlich Ende und das erhoffte abstrakte, absolute (von Vorurteilen
losgelöste) himmlische Gericht (das werden die Wahrnehmungen und Kommentare des
Energiekörpers sein, der seine eigenen reinen Erfahrungen gemacht hat).
Darum lenke ich mich ständig ab: dass ich nicht dauernd
denken muß: ich bin eine hoffnungslos gescheiterte Existenz. Musik, Kunst und
Lachen helfen, aber manchmal schwappt es über mir zusammen.
(16./17.11.2021)
©Peter Alois Rumpf November 2021
peteraloisrumpf@gmail.com
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