Mittwoch, 17. November 2021

2497 Im Finstern

 

3:57a.m. Ich gehe jetzt zu Bett. Ich habe Angst vorm Abdrehen der Lichter und Ablenkungen. Nicht, dass ich mich im Finstern fürchte; nicht, dass ich nicht schlafen könnte – im Gegenteil: ich schlafe gut. Ich habe Angst davor, dass ich mir vorm Einschlafen mein Leben anschauen muß. Ich ertrage kaum mein Lebensrésümé. Jeder Moment der Stille ist ein Moment unsäglicher Verzweiflung. Ich habe das in meinem Leben schon oft angeschaut und ausgehalten; freiwillig und unfreiwillig: früher bei 8 Grad Zimmertemperatur und Fieber ohne Krankenversicherung und Geld fürs Heizen, oder in stundenlangen Meditationssitzungen, wo ich geübt habe, den Anblick auszuhalten, aber derzeit mag ich nicht mehr. Jetzt im Alter wird das immer schwerer auszuhalten. Ich fürchte mich vor den Konsequenzen, wenn ich meine Verzweiflung voll zulasse. So lenke ich mich ständig ab. Ich fürchte mich davor, mein Leben anzuschauen und nichts Tragfähiges, Positives (wie ich dieses Wort hasse!) zu finden. Nichts, auf das ich stolz sein kann. Nichts, was wie ein Erfolg ausschaut. Nichts, was gelungen sein könnte. „Nichts“ ist natürlich übertrieben, aber die paar Brösel genügen nicht. Gewogen und zu leicht befunden. Ich weiß auch, dass ich gar nicht den Überblick, den Gesamtblick auf mein Leben mit all seinen Auswirkungen auf die Welt habe, dass mir doch der Blick sub specie aeternitatis fehlt, dass ich also kein echtes Resümee ziehen kann; aber ich fürchte mich davor, nichts Wertvolles finden zu können. Ich greife eh nicht vor, ich warte eh geduldig aufs natürlich Ende und das erhoffte abstrakte, absolute (von Vorurteilen losgelöste) himmlische Gericht (das werden die Wahrnehmungen und Kommentare des Energiekörpers sein, der seine eigenen reinen Erfahrungen gemacht hat).

Darum lenke ich mich ständig ab: dass ich nicht dauernd denken muß: ich bin eine hoffnungslos gescheiterte Existenz. Musik, Kunst und Lachen helfen, aber manchmal schwappt es über mir zusammen.

 

(16./17.11.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  November 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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