Donnerstag, 27. Mai 2021

2238 Ich Halbblinder

 

Ich liege und döse vor mich hin, zwischen Phantasien, Erinnerungen, Traumbruchstücken und Gedanken changierend, mein Blick schweift ziellos im Zimmer umher, und bleibt an meinen Lošinj-Bildern hängen, was er schon wochenlang nicht mehr getan hat. Wegen der Schmerzen im Kreuz suche ich eine andere Liegeposition und verrücke meinen Körper um ein paar Zentimeter nach rechts und plötzlich, durch diese minimal veränderte Perspektive, öffnen sich die Bilder an der Wand auf nie dagewesene Weise: sie bekommen auf einmal eine so unglaubliche Tiefe und Intensität, von der ich nicht weiß, wie ich sie beschreiben kann: im linken Bild steht der bewölkte Himmel offen, seine Dynamik erklärt wortlos alles. Alles was in meinem Leben und auf der Welt geschieht; im rechten geht der Durchblick ganz auf, als hätte ich Halbblinder zum erstenmal die Höhle der postparadiesischen Verblendung verlassen und blickte zum ersten Mal hinter die Kulissen in die strahlende Eigentlichkeit, die schon aus dem Hintergrund heranfließt und die Kulissenstadt sanft, freundlich, aber bestimmt wegschiebt und auflöst. Dahinter ist das reine Staunen.

 

(12.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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