Donnerstag, 27. Mai 2021

2248 Facebooktraum

 

Ich bin in einer Art Gruppentherapie für Selbstmörder. Ohne Therapeuten – wie es ausschaut – und es schaut nach einer einwöchigen Veranstaltung am Land im Grünen und in der Natur aus. Kein Therapeut, aber ein Facebookfriend, den ich noch nie gesehen habe, führt das große Wort und spricht in einer Art holprigen Vorstellungsrunde – niemand will was sagen – einzelne Teilnehmerinnen an: „und du N.N.? Wie machst du es?“ - gemeint ist, dass du überlebst. Die angesprochene junge Frau, die mir schon ein wenig gefällt, sagt irgendwas von Bach. Sie spricht leise und undeutlich, und wenn ich es richtig verstanden habe, rettet sie sich, indem sie Bach (Johann Sebastian) hört. Mein Facebookfriend erwidert: „So einfach? Das geht bei dir so einfach?“ „Ja“, antwortet sie darauf. Und er darauf irgendwas in Richtung: Glück gehabt, wenn du noch solche Naivität haben kannst. Gesagt hat er es vielleicht gar nicht so deutlich, aber ich habe es auch ohne Worte verstanden.

Die junge Frau gefällt mir schon ein wenig – und ich halte auch in dieser Runde – wie immer – Ausschau nach potentiellen Sexpartnerinnen – aber sie ist mir doch ein wenig zu deutsch-naiv-vielleicht-gläubig; so a là höhere Tochter, sexuell verschlafen und eingebremst und ein wenig kopflastig-programmiert.

Ein bisschen schlechtes Gewissen habe ich eh, dass ich schon wieder und dauernd auf Brautschau bin, aber noch deutlich schuldiger fühle ich mich, weil ich hier der Einzige ohne Selbstmordversuch bin. Somit verdiene ich es gar nicht, hier in dieser Runde der Allerverzweifelsten zu sein. Weiß mein Facebookfriend, dass ich noch Selbstmord-Versuch-jungfräulich bin? Oder habe ich mich wieder einmal in Regionen geschwindelt, die für andere reserviert sind? Aber mein Facebookfriend scheint einen Narren an mir gefressen zu haben; er sitzt neben mir – er selber hat schon zwei Selbstmordversuche hinter sich gebracht – und hat seinen rechten Arm freundschaftlich um meine Schulter gelegt. Mit seinem linken berührt er mich auch – wenn ich mich nicht irre.

 

(18.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

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