904 Ein grauer Morgen
Ein grauer Morgen fließt durch das offene Fenster herein.
Die feuchte, kalte Luft erleichtert mir meine tägliche Übelkeit. Der
Verkehrsstrom ist leise und weit weg, mein Surren laut und ganz nah. Innerlich
lächle ich vor mich hin, äußerlich bleibt mein Gesicht neutral. Dieses Lächeln
hat weniger mit Zufriedenheit und Freundlichkeit zu tun, mehr mit Verlegenheit
und Blödigkeit vor der Welt. (Oh, wie ich das Schreiben liebe! Wenn ich solche
Wörter wie „Blödigkeit“ finde. Mir kommt es vor wie er-finden.) Die kleinen
Wellen meiner literarischen Freude kräuseln nun meine morgendliche Übelkeit auf
und meinen psychologischen Ernst.
Ein Flugzeug dröhnt feierlich über den Lichtschacht hinweg
(direkt über den Lichtschacht? Ich glaube nicht), eine Taube setzt ihre
eintönigen Rufe ab. (Wie ich meine typischen Morgentexte?) „Da kommt Freude
auf!“ - um es in der grässlichen „Amtssprache“ zu sagen, aus der ich ja komme.
Das tut weh. Warum habe ich meinen Text verletzt? Vertrage
ich die Freude nicht? Artet die gleich in destruktiver Aggression aus und
dumpfen, primitiven Übermut?
Jetzt merke ich wieder, wie mir schlecht ist. Aus Liebe zur
Wahrheit widerstehe ich der Versuchung, dieses „Da kommt Freude auf!“ aus dem
Text zu streichen. Ich dokumentiere meine Abgründe. (Manche, nicht alle. So
mutig bin ich auch wieder nicht.)
Das Grau draußen ist inzwischen heller geworden, der
Verkehrslärm deutlicher, eine vermutlich junge Krähe hat gerufen, eine Taube
ganz nah. Ich habe meine Aufmerksamkeit wieder auf das offene Fenster gelenkt.
Mir wird bewußt, daß ich Zeit habe. Ein Anhauch von Muse weht her. Jetzt ist
alles in allem ein schöner Morgen, und alles in allem friedlich.
(27.3.2018)
©Peter Alois Rumpf März
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite