891 Ich bin auf schwankenden Grund geraten
Ich bin auf schwankenden Grund geraten. Beruhigungsphasen
und erst hochsickernde, dann hochschießende Angstzustände wechseln sich ab.
Ich weiß nicht, was mir mir los ist. Eine allgemeine, große
Verunsicherung. (Nicht die erste.) Angst, daß der Tod bereits vor der Tür
steht. Übelkeit – heute meistens nur mehr eine leichte, allem unterlegte
Schicht, die aber von Zeit zu Zeit akuter und stärker wird. Gefühle der
Überforderung, wenn ich zum Beispiel an das Ausfüllen des
Pensionsfeststellungsformulares denke – wie soll ich wissen, wann ich in meinem
zersplitterten Leben welchen Job wie lange gemacht habe, auf den Tag genau?
Dieses ewige Danebenstehen und Sichnichtauskennen! (Der Mann ohne
Eigenschaften.)
Ich rede beruhigend auf mich ein: ein Schritt nach dem
anderen. Das kennst du schon. Das hast du schon öfters gemacht und es hat oft
funktioniert.
Ich bin in einem dieser Zustände, wo mir vorkommt, ich wäre
in einem Traum und wo mich Erinnerungsbruchstücke andriften, die ich nicht in
mein bekanntes Leben einordnen kann. Oft von unglaublicher Intensität, stark
und beinah realistisch, verbunden mit starken Gefühlen, aber doch wie durch
eine halb durchsichtige Membran von mir hier getrennt und nicht zu begreifen.
Ich nenne das bei mir meine Endorphinzustände.
Meine Wahrnehmung ist nicht fest, an den Rändern kann sich
etwas bewegen, oder diese Ränder verdunkeln sich und schwärzen sich etwas ein.
Angst, daß alles, nein, daß ich ins Rutschen gerate. Da ist ein Abgrund,
wo es dann kein Halten mehr gibt.
Das Schreiben beruhigt mich wieder. Aufs Papier gebracht.
Ich wundere mich, wie ich – so weltfremd – es bis hierher
geschafft habe. Hatte ich Schutzengel? Oder anderes der Art? Aber hält die
ganze Konstruktion noch, oder beginnt der Turm zu fallen?
Die Dusche nebenan macht Geräusche, als wäre sie auch ein
Bohrmaschine oder eine elektrische Zahnbürste (putzt sich da jemand beim
Duschen die Zähne?). Jetzt komme ich ein wenig von der Beklemmung weg. Ein
äußerst fragiles (Un-?)Gleichgewicht.
Und jetzt der Regen, nachdem ich das Fenster geöffnet habe.
Auch der beruhigt mein aufgewühltes, in Angst versetztes Gemüt.
Ein tiefer Atemzug verschafft mir wieder etwas mehr Raum.
Meine Seele – gerade noch vorm schwankenden Universum in Angst eingerollt –
macht langsam wieder auf und streckt sich ein wenig.
Noch sind wir nicht untergegangen. Noch treiben wir – an
irgendwelche Holzbalken geklammert – auf dem universalen Ozean umher. Wohin die
Reise geht, weiß kein Mensch. Naja, Floskel: ich weiß es nicht.
Die Augen zu, das Fenster offen.
(16.3.2018)
©Peter Alois Rumpf März
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
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