893 Zacken oder wie unter Drogen
Beim Lesen sind schon die Zacken durch den Text gelaufen und
auch jetzt gibt es feine, teils dunkle, teils helle, manchmal leuchtende Muster
auf dem weißen Blatt des Notizbuches, die sich bewegen. Sie bewegen sich nicht
nur, sondern sie blinken in schnellem Rhythmus, wobei zwischen den dunklen und
den hellen Linien noch ein Blauton auftaucht. Fragile, abstrakte, flimmernde
Figuren bilden diese Linien, die sich manchmal etwas länger halten und sich
dabei auszudehnen scheinen. Ich schaue auf und diese Zacken wandern weiter
durch mein Gesichtsfeld und wenn ich gegen das gelbe Rouleau blicke, bekommen
sie einen Grünstich. Diese Muster wirken mehr wie feine, bewegliche und
komplexe Sprünge in einem Fensterglas und ihr Farbton erinnert an die Farben
der Lichtbrechung. „Wie unter Drogen“, denke ich mir, aber ich nehme keine
Drogen.
Mein Blick wird immer unzentrierter, die laufenden Muster
vermehren sich; mir wird das schon ein wenig unheimlich und ich merke, wie sich
die Angst wieder anzuschleichen beginnt. Ich versuche, sie nicht heranzulassen,
denn es ist Mitternacht und ich will jetzt schlafen.
Wenn ich nicht bald das Notizbuch weglege und das Licht
abdrehe, wird mich die Angst übermannen. Neugierig und auch ein wenig
fasziniert von den Mustern warte ich noch und schaue den sich drehenden,
dehnenden und pulsierenden Zacken zu. Nicht lange, dann schalte ich das Licht
aus und lege mich hin. Im Dunkeln wandern und kreisen diese Zacken noch eine
Weile als gelbes Licht durch das Wahrnehmungsfeld meiner geschlossenen Augen.
(19./20.3.2018)
©Peter Alois Rumpf März
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
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