892 Ich stelle mich tapfer meiner Wirklichkeit
Aufgeschreckt. Die blanke Angst. Zitternd liege ich im Bett.
Meine Sirenen schnappen über und surren mit schräger Intensität. Die Bettdecke
wärmt mich nicht, obwohl sie objektiv sicherlich genauso die Wärme hält wie
immer. Die Gedanken zerfallen und nur ihre Splitter drehen sich im Kreis. Nein,
ein Kreis ist es auch nicht. Irgendwo knackst es im Zimmer und ich merke, wie
die Übelkeit zunimmt. An anderer Stelle knackst es wieder. Ist da die
Plattentektonik meiner Realität am Werk? Der Wecker schnalzt sein fettes,
übertriebenes Ticken lässig her, als würde er aus Langeweile mit meiner Angst
bloß spielen wollen. Die Sirenen sind so laut, daß ich nicht verstehe, was ich
da alles auf mich einrede. Diese Stimme, das bin ich doch selber, oder? Ich
glaube schon. Ich will nicht noch mehr aufgedeckt bekommen; im Moment bin ich
zu schwach, viel zu schwach. Mein Bauch spürt sich hart an – von innen gefühlt
– aber dennoch scheint meine Feste mehr und mehr nachzugeben. Sie fällt! Ein
paar tiefe Atemzüge. Eine hoffnungsvolle Müdigkeit beginnt sich in mir
auszubreiten und könnte mich von meiner Angst erlösen. Es ist noch Nacht,
vielleicht gewinnt die Müdigkeit die Oberhand und ich schlafe wieder ein.
So schnell geht das nicht, mein Freund! Die Angst steigt
wieder auf und stößt mich in eine erschöpfte Wachheit.
Stunden später
Immer wieder kommt die Angst in Schüben. Mir ist schlecht
davon. Ich habe mich wieder hingelegt. Die Wärme der Bettdecke, das Atmen und
das Schreiben helfen mir, nicht ganz die Fassung zu verlieren und mich ein
wenig zu beruhigen. Ganz von selber sucht mein Körper die tiefen Atemzüge. In
dieser Pattsituation verbleibe ich, in der Hoffnung, daß die beruhigende Seite
auf Dauer gewinnt (ich wüßte ohnehin nicht, was ich anderes tun könnte).
Gewinnt zumindest bis zum nächsten Anlauf der Angststreitkräfte. „Streit“kräfte
ist möglicherweise falsch – die Angst will mir sicher etwas sagen. Aber was?
Ich höre nur: dein Leben ist ganz falsch … ganz falsch verlaufen. Das weiß ich
eh! Jetzt bekommst du die Rechnung präsentiert. Oh Gott! Meine Welt schaut heute
so aus, wie ich sie gestern erschaffen habe – je nachdem, was ich
zugelassen oder verdrängt habe. Die Angst zersetzt solche erhabene Gedanken,
egal, ob sie richtig sind oder nicht. Ich will nur da raus! Irgendwie! Es muß
nicht elegant sein!
Indem ich meine Angst zu Papier bringe kann ich mich ein
wenig davon lösen. Aber ich mache mir keine Illusionen, sie ist noch da. Ob sie
mich umzingelt oder mir im Gedärm sitzt, kann ich mit dieser Panik im
Untergrund nicht feststellen. Die Frage, die ich mir jetzt stelle, ob denn die
Aussage „im Untergrund“ nicht schon belegt, daß ich die Angst nicht um mich,
sondern in mir lebt, führt mich wieder ein wenig mehr in die Spekulation und
vom unmittelbaren Erleben der Angst weg. Mir ist im Moment jede blöde
Spekulation, jeder überflüssige Gedanke recht, wenn sie/er mich nur vom
Angstzentrum weglockt. Ich würde auch jede depperte Fernsehsendung anschauen,
wenn sie mich nur ablenkt.
Nichts ist mit: ich stelle mich tapfer meiner Wirklichkeit.
(Nachtrag beim Tippen des Textes: Die Angst kommt auch
von außen, von der Gesellschaft. Die Sozialschmarotzerdebatte erlebe ich als
direkten Angriff auf mein Recht zu leben. Obwohl ich mein
bescheidenes Einkommen ausschließlich im Job verdiene.)
(19.3.2018)
©Peter Alois Rumpf März
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
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