Donnerstag, 17. November 2022

2976 Realitycheck

 

3:30 a.m.  Im dunklen, nur von der bescheidenen Leselampe nur im unteren Drittel erhellten Zimmer tanzt Staub, von der Bettdecke hochgeworfen. Die meisten Flankeln tanzen der Schwerkraft zuliebe langsam, aber doch dem Boden zu, nur ein paar, die in die Nähe meines Odems geraten sind, steigen wieder auf. Die Stimmung zu dieser späten Stunde, allein in meiner ungeheizten Kemenate, ist eigenartig und befremdend, dass ich mich frage, wo bin ich? Träume ich schon? Ich mache einen Realitycheck: ich kann die Buchtitel lesen (natürlich nur mit Brille): sie verschwimmen nicht und verwandeln sich nicht, wie auch sonst nichts: also bin ich in der handelsüblichen Realität. Das Licht der Leselampe scheint zäh zu sein; es steht fast trotzig im Zimmer und formiert sich zu etwas tendenziell Kugelförmigem, aber ohne klare Kontur. Das Optische und das Akustische (Surren) sind irgendwie ineinander verschränkt. Ganz von Ferne versucht ein Husten in meine Brust schleichen zu wollen, aber ich lasse ihm keine Chance. Intensität ist auch anwesend, wenn auch unsichtbar und unhörbar. Trotz allem wirkt mein geliebtes Zimmer tot. Gar nicht auf die schreckliche Art, sondern einfach so. Ich quittiere diese Entdeckung mit innerem Schulterzucken. Mein Notizbuch halte ich wie in Filmen der Historienschinkenart der mittelalterliche Ausrufer seinen Beipackzettel, von dem er seine aufgetragene Botschaft abliest, will sagen: ich halte das Buch oben mit der linken Hand in einer feierlich-nachdrücklichen Haltung. Dabei lese ich nicht ab, sondern ich schreibe drauf. Ich bin der Urheber des zu Verkündenden. Also muß ich so eine Art König sein. Der 3:30-Uhr-König (gut, jetzt ist es 3:54 a.m.) (Gut, oder zumindest Bürgermeister.) Der König – bleiben wir dabei – ist müde. Der König bereitet sich jetzt für den Schlaf, stapelt das Gepölster von seinem Rücken an die Wandseite des Bettes, legt sich auf den flachen Rücken und vertreibt das zähe, klebrige Licht aus dem Zimmer.

 

(17.11.2022)

©Peter Alois Rumpf  November 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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