Mittwoch, 2. November 2022

2949 Das obere Drittel

 

Ich sitze an der Schloßmauer in der Sonne, vor mir das obere Drittel der Krone der Trauerweide, die unten im  Burggraben wurzelt, begleitet von ständigem Autoverkehr links über die Brücke zum Stadttor – schade, dass das keine Zugbrücke ist. Ich huste ins Sonnenlicht und ich bin zu warm angezogen. Laut T-Shirt – ich habe meinen Hoodie ausgezogen – bin ich scheinanwesend, was nie ganz falsch ist. Stimmen aus dem uneinsichtigen Burggraben, und Lachen, vermutlich aus einem Garten auf der anderen Seite des Grabens – mir nicht ganz geheuer, weil es ins Hämische gegangen sein könnte. Die Vöglein zwitschern und pfeifen es unter die Dächer, die Autoreifen auf Asphalt heulen von weitem her. Das Auge sieht fast nur Ruhiges und Unbewegtes, das Ohr hört Unruhiges, Hektisches und aufgedreht Nervöses:  eine nervenaufreibende Diskrepanz. Meine Frau liegt tief unter der Schießscharte am nackten Schotterboden und hat ihr Haupt an das steinerne Stadtwappen gebettet (oder ist’s der Doppeladler?). Es ist wirklich nicht ruhig hier und ich werde nervös: ich sollte mich mit den lokalen Geistern und Schutzpatronen gut stellen, sonst wird das nichts - wenigstens mit denen! Die via Autocontainer eingeschleppten (in jeder Höhle lebt ein Geist) sind schon zu viele und zu unübersichtlich, als dass man sie ablitaneiisieren könnte. Meine Nase ist nicht frei. Es ist etwas Dumpfes in dieser späten Sonnenwärme auf meiner Haut. Meine Frau zieht ihre am Arsch mehrfach gestopfte lange Unterhose aus und sitzt in der kurzen schlapprigen, die das halbe Schamzeugs, für das sich frau nicht schämen muß, herzeigt, auf der Bank in der Sonne. Nur ich bin es, der nervös wird, weil es draußen etwas auslösen könnte, das auch für mich unangenehme Folgen haben kann. Göttinseidank zieht sie sich endlich die lange, rosa Leggins an.

(27.10./2.11.2022)

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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