2939 Ein Schnupfen
Ein Schnupfen verstopft meine Nase und macht sie mir
gleichzeitig rinnen. Die Augen fühlen sich glasig an und der Kopf fiebern. Zum
ersten Mal seit 34 Jahren sehe ich in Mali Lošinj ein Pferd über die
Hafenstraße jagen. Und älter als 34 Jahre ist das Gemälde nicht. Ich glaube
jedoch keineswegs, dass ich Fieber habe, trotz Hitze im Kopf und Kältezittern in den
Gliedern, trotz ausufernder Wahrnehmung und poseidonscher Pferdevision. Da!
Jetzt hat es hinter dem Bücherregal klein und kurz hervorgeleuchtet! Jaaaa. Ich
habe mir schon das Fieberthermometer unter die Axel geklemmt (aber vergessen,
auf die Uhrzeit zu schauen). Nachgeholt. Alles muß ich mir nachholen: Kindheit,
Jugend, erwachsenes Erwerbsleben; und das mit Ach und Krach und so làlà und
äußerst provisorisch (sitzt, passt, hat Luft und wackelt). Also nicht wirklich.
(Also gar nicht; ich weine dem nur hinterher.) Das hauseigene Surr-Orchester
ist in vollem, mehrstimmigem Gange. Die eine Bücherreihe im Regal ist zu fad:
nur helle Bücher (weiß, beige, gelb). Ein mehrstufiger Nies- und Hustenmix
lockt meine Zimmermücke hervor und zu mir her und sie tanzt im Lichtkegel unter dem
Leselampenschirm. Tränen rinnen mir über die Wangen – endlich, aber leider nur
solche der Erkältung (hat das mir innerer Erkaltung zu tun?). Trüb ist mein
Blick auf die Welt und mein Gesichtsfeld verdunkelt sich zu seinen Rändern hin.
Die döbranitischen Landkarten hängen schon verdammt weit und schief aus dem
Regal. Zwei Minuten noch, dann darf ich das Fieberthermometer herausnehmen. Ich
ziehe zum tausendsten Male den Erkältungsrotz auf. Es sind nur mehr gut sechzig
Texte zu meinem literarischen Dreitausender. Wer hätte das gedacht! Die blaue
Säule im altmodischen Fieberthermometer, die auf 36,666 periodisch steht, hat
sich keinen Millimeter bewegt. Wozu auch: um Mitternacht hat man kein Fieber!
(18.10.2022)
©Peter Alois Rumpf Oktober 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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