Freitag, 21. Oktober 2022

2941 Nichts geht mehr

 

9:57 a.m. Meine Brust brennt, aber nicht vor Leidenschaft und Liebe, sondern einer Erkältung wegen. Verschwitzt lehne ich aufgesetzt im Bett, am Rande eines schmerzhaften Hustenanfalls, der mich immer anfällt, wenn die prästabilisierte Harmonie erschüttert oder bloß geschüttelt wird. Die Schnupfenphase (Halsweh – Schnupfen – Husten) ist einigermaßen vorbei, die Nase rinnt noch, aber abklingend, die Hustenphase dürfte am Höhepunkt sein. Und – das kenne ich nun schon einige Jahre – mit allen Fiebersymptomen wie glasige Augen, Gliederschmerzen, Gleichgewichtsunregelmäßigkeiten, tranceartiger Wahrnehmung – inklusive hochgefahrenem Ohrensurren – Hitzegefühl im Kopf, Frieren in den Gliedern (und ich meine nicht das Glied, das so genannt wird) – aber ohne messbares Fieber zu haben. Nicht einmal erhöhte Temperatur (das hat es früher nicht gegeben! Fieber war Fieber und kein Fieber war kein Fieber!). Vorsichtig – damit ich das prästabilisierte Gleichgewicht nicht störe – stehe ich jetzt auf, um aufs Klo zu gehen. Es hilft nichts, kaum habe ich – meinen vorsichtigen Vorsatz schon wieder vergessen – in einer für die krankhaften Umstände recht schwungvollen und lebensoptimistischen Anwandlung die Bettdecke eben schwung- und kraftvoll zurückgeworfen, schon kommt der Hustenanfall, den ich mit aufs Klo schleppe. Dort, nach einer ersten und durchaus substanziellen Erleichterung, hält mich eine substanzlose, aber nichtsdestoweniger schmerzhafte (moderat schmerzhaft) Kolik am Topf fest. Der zuständige Darm streikt und verweigert den Weitertransport – so bleibt mir nichts anderes über, als  - wie bestellt und nicht abgeholt - auf dem Klo sitzen zu bleiben; denn wenn ich mich erhebe, fühlt es sich so an, als würde es doch gleich wieder losgehen. Ich bin ja nicht ohne Lebenserfahrung, und darum weiß ich, was ich zu tun habe: drücken, aber auch wieder den Druck lassen und jede Einmischung aufgeben. Aufstehen, Hinsetzen, Vorbeugen, die Beine hochziehen, mich überhaupt mit den Füßen auf die Kloschüssel hocken, um die menschheitsgeschichtlich ursprünglichere Scheißhaltung einzunehmen – aber nichts hilft. Der Drang ist da, aber der ist steckengeblieben. Nichts geht mehr. Lange bin ich mit dieser Pattsituation beschäftigt, so sehr, dass ich gar nicht ins Grübeln oder Philosophieren komme über den Menschen in seiner wem denn und was denn auch ausgelieferten Existenz, oder über das Schachspiel als Gleichnis etcetera etcetera etcetera. Da erhebt sich jedoch die Frage: gegen wen habe ich da am Klo gespielt? Doch nicht gegen Freund Hein!? Und da ein Patt!

 

(21.10.2022)

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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