Mittwoch, 2. November 2022

2950 Gottvater rieselt der Dreck den Rücken runter

 

Die Stadt hinter den Mauern. Die Sonne scheint teilweise herein. Die groteske Säule ist auch lichtbeschienen und schmutzbelegt, was ihr – beides! – gut tut. Kurz habe ich geglaubt, der Heilige Geist hat sein Köpfchen nach unten, aber falsch! Es ist richtig, wie es sich gehört hat er den Kopf nach oben. Ich werde zur Säule gehen und dann in die Kirche, die lokalen Geister bestechen. Wenn sie offen ist, was sie laut Kirchenrecht sein muß (ich muß mich nicht im Vorhinein aufregen!). Nun sitze ich hinter der Pestsäule, den mehr oder weniger heiligen Sebastian kann ich erkennen und den Heiligen St. Florian - schon' unser Haus – zünd’s andre an. Beide recht schiefköpfig (die Barocke ist ein elendiges Theater, völlig unernst und scheinheilig). Gottvater rieselt der Dreck den Rücken runter und auch dem halbnackten Sohn – wie mir manchmal der Schauder. Die Heilige Miriam versucht’s hinzubekommen, aber sie sitzt auch so komisch da mit obszönem Hüftschwung und koketter Beinarbeit. Nur ein paar Sekunden lang verstummen die Autos – von meiner Blasphemie geschockt? – dann geht der penetrante Lärm gleich wieder los. Mein lautes Gerede vorhin im Kaffeehaus am Handy war blöd: Entschuldige, Universum! Entschuldige, universale Ethikkommission! Es war blöd und eigendünklerisch! Ich hoffe, ich habe damit die Welt nicht zu sehr durcheinander gebracht! Ich habe nämlich – mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa –  einen Keileranruf von Greenpeace abgekürzt, indem ich laut und für alle hörbar meine Pensionshöhe hinausposaunt habe. Und dafür sollte ich mich schämen! Für die geringe Pensionshöhe? Das auch, aber vor allem, weil das eine Angeberei war. Nur mir ist es schon wurscht, denn womit soll ich sonst angeben? Mit meinen Sportwägen, meine Weltreisen und meinem beruflichen Erfolgen kann ich es nicht. Ich geh gleich in die Kirche Buße tun.

Nun sitze ich beim Heiligen Martin und seinem Gansl, nicht allzuweit vom gruseligen Heilige-Valentina-Gerippe. Kalt ist es hier, saukalt. Alles der Andacht abhold. Von Buße und Reue keine Spur. Nur Spott auf den Lippen. Die Kanzel an der richtigen, der Herzseite, aber alle diese posierenden, verdrehten Theaterfiguren! Besser ich gehe wieder. Hier habe ich nichts verloren.

Im Osten der Kirche steht eine Rolandsäule – Roland, der Ritter mit dem  blechernen Eierschutz – angeblich die höchste Prangersäule im deutschsprachigen Raum – da wollten einige hoch hinaus – vorgesehen für sittenlose Weiber und trunksüchtige Männer (sittenlos durften die Männer offensichtlich sein). Okay. Okay. Okay .Der Bus zwängt sich durch die schmale Ortseinfahrt herein. Und dann wieder hinaus.

(7.10./2.11.2022)

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

 

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite