Dienstag, 29. November 2022

2997 Homeofficetag

 

9:58 a.m.  Die Spinnweben an meinem Zimmerfenster schweben vom warmen Aufwind des Heizkörpers hochgehoben schaukelnd in der Luft. Auch der schwarze Holzrabe, der am Fenster hängt, schaukelt sanft im Luftstrom hin und her. Soeben erst durch einen pensionsveranstalteten, wirklich netten und freundlichen Telefonanruf geweckt, stelle ich fest: diesem Morgen eignet etwas Aufgeräumtes an. Unten höre ich die ebenfalls verkühlten Tagis agieren, wodurch mir fröhliche Grundstimmungen heraufgesendet werden. Danke, liebe Tageskinder! Danke, dass ihr mir so nebenbei von Mo bis Fr die Morgen aufhellt!

Ich beginne mich gedanklich auf den Tag vorzubereiten: welche Kleidungsstücke sollte ich wechseln? Muß ich wirklich unbedingt duschen? Muß ich zum Frühstück mein Gebiß reingeben? - das nämlich mache ich ungern, weil sich Essensteile ständig unter das schlecht sitzende Gebiß schieben und manchmal Schmerz auslösenden Druck auslösen und ich somit ohne Gebiß viel besser beißen und kauen kann. Unten sitzt vermutlich eine Praktikantin bei den Tagis – muß ich gebißmäßig darauf Rücksicht nehmen? Oder schleiche ich mich nur kopfnickend und den Gruß verhalten murmelnd vorbei in die Küche? Fahre ich gleich nach dem Frühstück in den Fressnapf das Katzenzeugs kaufen, oder später oder verschiebe ich es auf morgen? Esse ich zum Frühstück wieder wie an all den letzten Tagen Brot mit Tahin, Honig und Zwiebel – um die Erkältung zu bekämpfen, oder riskiere ich ein normales Frühstück? Kaffee oder Kräutertee oder beides? Ich hocke also noch im warmen Bett und wäge ab und kläre und bewege die Szenarien in meinem Herzen und es schaut ein wenig nach einem weiteren Homeofficetag in legèrer Privatkleidung (Rumrutschhose) a là alter Schlamper aus, ein Homeofficetag, an dem ich die Wohnung nicht verlasse. Schließlich lese ich auch gerade einen interessanten Roman (Siegfried Lenz, das Vorbild). Und den wichtigsten ästhetischen Anspruch der Praktikantin – keinen zahnluckigen Mund sehen zu müssen - werde ich mit dem Maskentrick umgehen: unter dem Vorwand meiner Rücksicht auf sie und die Tageskinder wegen meiner starken Erkältung und deren Ansteckungspotential werde ich eine Ffp2-Maske tragen, durch die ich sogar laut grüßen könnte.

 

(29.11.2022)

©Peter Alois Rumpf  November 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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