2640 Bettler
Es kommt schon vor, dass ich Bettlern und Bettlerinnen etwas
gebe. Dazu habe ich meistens ein paar Münzen in der Sakko- oder Hosentasche
bereit. Vorgestern waren mir die Münzen ausgegangen; und die Zeiten, wo ich mir
extra für diesen Dienst Münzrollen zu kaufen leisten konnte, sind vorbei. Und
ich habe mein Konto für dieses Monat schon längst überzogen und nur mehr 30 €
eingesteckt.
Die Bettler selbst sind sehr verschiedene Menschen; zu
manchen habe ich ein recht freundliches Verhältnis. Einer aber – er ist mir
unsympathisch – schnallt es einfach nicht, dass er eh immer etwas bekommt, wenn
ich etwas habe, und jammert herum, wenn ich ihm nichts gebe, und bettelt mich sowieso
in verlogenem Tonfall an, was ich nicht mag. Mir ist diese unglaubwürdige
Anbiederei im Kombination mit versuchter „Erpresserei“ sehr zuwider. Zum Teil
will ich Geben und Sympathie trennen, zum Teil bin ich schon in so eine Art
Beziehungsgeflecht geraten, sodaß mir auch schlechtes Gewissen hochgetriggert
werden kann, wenn ich nichts gebe. Aber das ist nur mein Problem, dass ich mit
mir und dem Universum ausmachen will und muß – beim anonymen Bezahlen der
Steuern zB, mit denen ja auch jede Menge Arschlöcher finanziert und gefördert
werden, habe ich viel weniger Entscheidungsspielraum und erfahre ich viel
weniger über mich und meine Psychostrukturen als im Face-to-Face-Setting.
Vorgestern also gehe ich wieder an diesem Mann vorbei, zum
wiederholten Male ohne ihm etwas zu geben, er jammert mich an, ich sage recht
klar und selbstbewußt „Nein!“ und will weitergehen, als ein Windstoß mir meine
Kappe, mit der ich meine Glatze vor Sonnenbrand schütze, vom Kopf weht und ich
sie mit einer blitzschnellen Reaktion in der Luft auffange und wieder auf mein
Haupt platziere. Gleichzeitig sage ich lachend zum Bettler (ich leite das Wort
von „beten“ ab): „Ah! Der Wind schimpft mit mir, weil ich Ihnen nichts gegeben
habe“ und gehe weiter. Ich glaube nicht, dass er als Rumäne das verstanden hat.
Ich gehe aber nur drei Schritte, dann stocke ich und denke: „der Geist weht, wo
er will“ und „Der Wind hat gesprochen! Hugh!“, drehe mich um, nehme einen
Zehn-Euro-Schein aus meinem Geldbörsel und gebe den Schein dem Bettler. Und zwar
so, wie es mir eine Gewaltfreie-Kommunikation-Trainerin gelehrt hat: den Schein
nicht verlegen zusammengewutzelt, sondern offen, als ganzen, mit der darauf
abgebildeten Brücke nach oben, um zwischen Geber und Nehmer eine echte
Verbindung herzustellen.
(30.3.2022)
©Peter Alois Rumpf März 2022
peteraloisrumpf@gmail.com