Freitag, 4. März 2022

2608 Fülle

 

Unten bei den Tagis beginnt die Phase „Gitter-Ziehen“, die letzte unmittelbar vor dem Mittagsschlaf. Somit ist es zu spät für den Morgenkaffee; erst in zwei Stunden darf die Kaffeemaschine wieder angeworfen werden. Das macht nichts. Ich will sowieso noch nicht die warme Lacke der seichten Träume verlassen, in der ich seit Stunden herumplantsche, genauer gesagt: den ganzen Vormittag. Madame Mi-Tsi kommt her zu mir und will – schwer atmend – gestreichelt werden. Vielleicht geht es ihr um die Massage, dass die ihr Erleichterung bringt. Dann springt sie wieder auf meinen Schreibtisch zurück. Und auf einmal entsteht hier in meinem Zimmer eine Pattsituation. Frag mich nicht, zwischen welchen Kräften; ich weiß es nicht. Zwischen den üblichen Kandidaten „Aufstehen“ und „Liegen-bleiben“ ist es nicht, denn die kämpfen gar nicht, weil ich auf „Liegen-bleiben“ entschieden habe.

Wunderschön ist diese Stille, dieser Frieden, die nun eingetreten sind. Alle Bilder und Dinge im Raum geben gleichzeitig ihre Photonen ab und meine Augen genießen die Fülle, die ihre Netzhäute berührt. Oh, wie tief mich mein Seufzer atmen läßt! Sofort spüre ich die Tränen hinter meinen Augen. Eine ungeheure Liebe zur Welt erfasst mich, und ich hoffe, dass jene deren Beschreibung durchdringt. Sanfte, leichte Wellen bringen auch meinen Körper ins Schwingen. Mit einer glücklichen Ratlosigkeit blicke und horche ich umher. Die Fessel um mein Herz lockert sich und löst so wieder einige angestaute, ungewohnt tiefe Atemzüge aus.

 

(4.3.2022)

©Peter Alois Rumpf  März 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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