2622 „The Balance of Life“
Der Rabenvogel schwankt - in seinem Auffliegen fast erstarrt
– nur leise hin und her, den gelben (warum gelben?) Schnabel zum Himmel
gerichtet. Das Sonnenlicht fleckt und flackt sich noch nicht bis in mein
Zimmer. Was wird es sein? Eins? Halb eins? Zwischen halber und dreiviertel. Die
Tageskinderstille tritt ein, von einem Moment zum anderen. Ich bin immer
erstaunt. Sogar der Heizkörper hält in seinem Gluckern inne. Das ist der
Moment, wo auch am hellichten Tag das Surren die Herrschaft übernimmt, wo eine
kleine Welle von Intensität über mich netzt und wo die Wahrnehmung wesentlich
wird („wesentlich“ steht hier nicht bedeutungsgeil, sondern wörtlich). (Fuck
you, Goethe!) (Verdammt, der Satz „Mensch werde wesentlich“ ist gar nicht von
Goethe, sondern vom lieben Angelus Silesius! Ich hau's trotzdem dem ungeliebten
Goethe um die Ohren! So ungerecht kann ich sein.)
Ein tiefer, tiefer Seufzer, der meinen tief gestapelten
Schmerz berührt. Noch einer, und der Eisenring um meine Brust erweicht. Der
erste Sonnenfleck an der Hauswand im Lichtschacht. Das Surren vereinigt sich
mit meiner momentanen inneren Melodei. Vermutlich der Verkehrshubschrauber
dröhnt in mittlerer Entfernung in die Stille (Warum heißt es Ent-fernung, wenn
er gar nicht näher kommt?). Der dritte Seufzer ist ein wenig flacher. Hunderte
meiner Texte sind ungelesen (sogar die Heizung gluckst wieder). Wenn sie nach
meinem Tod nicht verloren gehen, werden sie verhunzt werden. Besser sie bleiben
auf der Müllhalde des Menschengeschlechts liegen; zur homöopathisch dosierten
Abstrahlung auf der Weltgeschehen. Ganz ohne Sinn und Bedeutung geht’s halt
nicht. Da da da dada daaaa da …. ich bleibe mit „meiner“ Melodie unvollendet,
finde den Abstieg zu ihrem Ende nicht in meinem Gedächtnis. Wozu gibt es all diese Geräte? Ich stehe also auf, geh zu meinem Schreibtisch, drehe das Laptop
auf, gehe auf Youtube und spiele alt-J KEXP ab. Der Poet nutzt die … Intarsien,
Inquisiten, Asservaten … verdammt! Wie
heißt das? ... die Requisiten, die ihm auf der Bühne von Raum und Zeit geboten
werden. „The Balance of Life“ (Zitat).
Die zwei Visionäre bleiben friedlich, die Munch-Madonna ist
weder verführerisch noch abstoßend, der Auferstandene ist halt auferstanden,
die frankophone Schweizerin hält halt ihr Leiberl, der Priester versucht halt
unsere Realität in den wesentlicheren Zustand zurück zu verwandeln.
Bei Musikberieselung kann ich nicht schreiben. Ich lege das
Schreibzeug weg und horche zu.
(22.3.2022)
©Peter Alois Rumpf März 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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