Mittwoch, 23. März 2022

2622 „The Balance of Life“

 

Der Rabenvogel schwankt - in seinem Auffliegen fast erstarrt – nur leise hin und her, den gelben (warum gelben?) Schnabel zum Himmel gerichtet. Das Sonnenlicht fleckt und flackt sich noch nicht bis in mein Zimmer. Was wird es sein? Eins? Halb eins? Zwischen halber und dreiviertel. Die Tageskinderstille tritt ein, von einem Moment zum anderen. Ich bin immer erstaunt. Sogar der Heizkörper hält in seinem Gluckern inne. Das ist der Moment, wo auch am hellichten Tag das Surren die Herrschaft übernimmt, wo eine kleine Welle von Intensität über mich netzt und wo die Wahrnehmung wesentlich wird („wesentlich“ steht hier nicht bedeutungsgeil, sondern wörtlich). (Fuck you, Goethe!) (Verdammt, der Satz „Mensch werde wesentlich“ ist gar nicht von Goethe, sondern vom lieben Angelus Silesius! Ich hau's trotzdem dem ungeliebten Goethe um die Ohren! So ungerecht kann ich sein.)

Ein tiefer, tiefer Seufzer, der meinen tief gestapelten Schmerz berührt. Noch einer, und der Eisenring um meine Brust erweicht. Der erste Sonnenfleck an der Hauswand im Lichtschacht. Das Surren vereinigt sich mit meiner momentanen inneren Melodei. Vermutlich der Verkehrshubschrauber dröhnt in mittlerer Entfernung in die Stille (Warum heißt es Ent-fernung, wenn er gar nicht näher kommt?). Der dritte Seufzer ist ein wenig flacher. Hunderte meiner Texte sind ungelesen (sogar die Heizung gluckst wieder). Wenn sie nach meinem Tod nicht verloren gehen, werden sie verhunzt werden. Besser sie bleiben auf der Müllhalde des Menschengeschlechts liegen; zur homöopathisch dosierten Abstrahlung auf der Weltgeschehen. Ganz ohne Sinn und Bedeutung geht’s halt nicht. Da da da dada daaaa da …. ich bleibe mit „meiner“ Melodie unvollendet, finde den Abstieg zu ihrem Ende nicht in meinem Gedächtnis. Wozu gibt es all diese Geräte? Ich stehe also auf, geh zu meinem Schreibtisch, drehe das Laptop auf, gehe auf Youtube und spiele alt-J KEXP ab. Der Poet nutzt die … Intarsien, Inquisiten, Asservaten …  verdammt! Wie heißt das? ... die Requisiten, die ihm auf der Bühne von Raum und Zeit geboten werden. „The Balance of Life“ (Zitat).

Die zwei Visionäre bleiben friedlich, die Munch-Madonna ist weder verführerisch noch abstoßend, der Auferstandene ist halt auferstanden, die frankophone Schweizerin hält halt ihr Leiberl, der Priester versucht halt unsere Realität in den wesentlicheren Zustand zurück zu verwandeln.

Bei Musikberieselung kann ich nicht schreiben. Ich lege das Schreibzeug weg und horche zu.

 

(22.3.2022)

©Peter Alois Rumpf  März 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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