2615 Morgencurcumalatte
Es klopft dumpf an meiner Tür, aber ich mache nicht auf; ich
schlafe noch und bin noch in meinem zerrissenen Pyjama. Ich setze mich auf und
versuche mit meiner beklopften, schwachen, verschwindsüchtigen Wachheit etwas
anzufangen. 11:15 zeigt das Handy. Der hölzerne Rabe beim Fenster schaukelt so
schön und leicht in seinem Aufwind, die Möwe neben mir wie von meinem Kopf
gestoßen. Die Katze kommt und beansprucht Köpfchen reibend den Platz des
Notizbuches auf meinem Schoß. Ich muß deswegen lange pausieren und lasse die
Gedanken vorbeifließen. Aber nun sehe ich: in Mali Lošinj liegt der Corpus des
Gekreuzigten mit ausgestreckten Armen arm und solo auf der Hafenstraße und
versinkt langsam im Asphalt, oder woraus diese Straße auch immer ist. Sein
linker Arm ist schon versunken und macht nur mehr eine unscheinbare Bodenwelle.
Irgendwo soll man sagen – habe ich vor kurzem gelesen – dass man erst tot ist,
wenn alle Wellen, die man im Laufe seines Lebens geschlagen hat, verebbt sind
und ausgeschwungen haben. Also nie.
Die Katze jetzt auf Schoß und Brust, ihr pelziges Hinterteil
fast an meinem Kinn, Notizbuch und Pilotstift beiseite gelegt, meine
Schreibhand unter ihrem Bauch döse ich und schlafe fast wieder ein. Ich
versuche in taumelnder Konzentration die Empfindungen in meinem leicht
entzündeten Hals zu formulieren und komme auf keinen grünen Zweig. Von Nacken
aus, der nicht ganz bequem am Polster aufliegt und deshalb schon etwas
verkrampft schmerzt, greift eine Kraft von hinten über den Kopf nach vorne auf
meine Augen und arbeitet an deren Zufall. Frühstücken möchte ich, aber nicht
aufstehen. Wer wird gewinnen? Ich oder ich? Ne! Keine Verstroyung jetzt!
14:12: wer träumt jetzt wen? Und vorm Aufstehen baue ich
noch das Wort „Morgencurcumalatte“ zusammen.
(14.3.2022)
©Peter Alois Rumpf März 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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