Montag, 7. März 2022

2610 Alles verdorben

 

Uh! Kalt! 6 Uhr. Alles stürzt durch mich hindurch. Passen Sie auf im Kindergarten, was Sie sagen! Aber er! Sein Leben! Ach ihr Zwerge! Aschenputtel mitnehmen, das ist zu viel verlangt? Hm?!

Nun ist es hoher Tag (13h), seit einer halben Stunde liege ich wach und betrachte fromm mein Bücherregal, während ich die Katze streichle und massiere. Die Luft im Raum moussiert und einiges bewegt sich verstohlen: so ertappe ich meine frankophone Schweizerin, wie sie mit dem Vesuvstein tanzt. Und das gesamte Bücherregal ändert gekonnt Farbe und Oberfläche, fast so gut wie eine lebendige Krake. Aber das ist es nicht. Es ist wie alles ein Fenster in die Unendlichkeit. Liebe Leserin, lieber Leser (so es euch gibt), wenn Euch meine ewigen Beschreibungen meines Zimmer und meines Anblicks vom Bett aus schon langweilen und nerven: auch hier entscheidet sich täglich und in jedem Moment von Neuem der Kampf zwischen Leben und Tod. Auch hier spielt sich ein weltbewegendes Drama, ein Krimi, eine Komödie und eine Tragödie ab. Im linken Ohr dreht auf einmal das Surren so richtig auf; die Filmmusik zu was-weiß-ich-welchem Film und was weiß ich, wie der heißt. Einige meiner Langenscheidts rücken nun hin und her - keine Ahnung, was sich der Große Regisseur oder die Große Regisseurin dabei gedacht hat.

Ich blicke aufs Kastl am Fußende, das Kastl mit den nackten Weibern, der verwoatakelten Auferstehung, der falschen katholischen Wandlung und der lieben Platane und – ich bin verlegen, wie ich das hinschreibe – der Busen der Munchschen Madonna löst echten psychophysischen Schmerz aus. Dann doch lieber zurück zum Bücherregal, obwohl mich vorhin die frankophone Schweizerin ganz wild angeschaut hat. Jetzt ist ihr Blick flehentlich: ich halte sie in diesem Photo vom Gemälde gefangen. Oder mit meinen Gedanken. Aber noch will ich auf ihren Anblick nicht verzichten und die Kunstkarte verbrennen. Außerdem sollte sie mit ihrem Maler ein Wörtchen reden, bevor sie sich an mich wendet, oder? Jessica daneben scheint unbefangen zu sein und es ist ihr egal, dass ich ihr "Selfie" betrachte. Gut, sie ist bekleidet, aber sie ist auch eine moderne Frau, die sich im Funktionalen und Langweiligem einzurichten versucht. Und darunter: den schönen Weiberarsch der Dame im Garten: den bau ich mir mehr selber im Kopf und aus der Erinnerung zusammen, als dass ich ihn in echt sehen kann.

Frau Buddha an der linken Wand – der mit dem Hausaltar – meditiert das Weihrauchkesselchen. Und der Tod als kleiner Tiger. Naja, der Sensenmeister hockt doch links hinter mir – ich glaube, mit dem kleinen Tiger übertreibe ich.

Es ist unter dem Surrgedröhne plötzlich so still, dass mir leicht übel wird. Doch nicht so tapfer, der Herr, angesichts des Todes, wie er gern angibt? Mir ist tatsächlich ein wenig schlecht. Die festgemauerte Wahrnehmungsblase, in der ich sitze, beginnt zu schweben. Ein ganz, ganz fernes Geräusch fängt zu wummern an und verklingt wieder. Muß das sein, dass mir jetzt dieser bajuwarische Affenarsch in den Sinn kommt? Alles verdorben! Ich breche ab und gehe frühstücken.

 

(7.3.2022)

©Peter Alois Rumpf  März 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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