10:30 a.m. Ich bin im
Bett, aber habe heute schon einiges erledigt. „Drüben“ habe ich mit
Schulkollegen - aber in unseren Tagen - in einer Band gespielt. Als Schlagzeuger und
Bassist. Das Schlagzeug hat eigentlich nur aus einer kaputten Trommel und
lauter hinnigen Trümmern bestanden, irgendwelches Zeug vom Schrottplatz und ich
habe probiert und probiert, mit meinem dumpfen Geklopfe doch irgendwas Genaues
und Klingendes hervorzubringen. Die anderen haben auch geprobt, aber ich war
mehr für mich und abseits und mit dem desolaten Instrument beschäftigt.
Leadsänger und Leadgitarrist war übrigens Ulli Wallner. Wer die anderen waren,
weiß ich nicht mehr (wenn ich es überhaupt je gewußt habe). Die haben mit ihren
Instrumenten – ich erinnere mich nur an Gitarren – seriös geprobt, während ich
auf dem Müll herumgeklopft habe. „Unsere“ „Mädels“ (sprich: Klassenkolleginnen)
waren auch schon da und haben – von Ulli betreut und bemoderiert – auf unseren
Auftritt gewartet und den Proben gelauscht. Die anderen Bandmitglieder waren
also Profis; ich war ein größenwahnsinniger – Dilettant oder Amateur will ich
gar nicht sagen – also jemand, der so a là Beuys von sich glaubt, dass eh alle
Künstler sind. Von sich glaubt! Geprobt haben wir auf einer neuen, riesigen
Freizeitanlage, eine öde, undefinierte, ebene Fläche, ein schieches Terrain
irgendwo auf dem Weg vom Ennstal nach Graz, ein unseliges Zwischending zwischen
Campingplatz, mehr noch Riesenparkplatz und leerem Containerabstellplatz. Kurz
gesagt: mir war schon klar, dass ich der bin, der nichts kann und sein
Nichtkönnen „künstlerisch“ behübschen will, und genau so mit falscher
Tiefsinnigkeit habe ich zu trommeln versucht. Zum Basssssspiel (ich hasse die
neuen pseudologischen Rechtsschreibregeln!) bin ich gar nicht gekommen und als
ich die anderen gefragt habe, ob ich jetzt den Bass spielen soll, ist mir mit
Erschrecken eingeschossen: das kann ich ja auch nicht! Das war „drüben“.
Hier herüben habe ich schon die Katze gefüttert. Das heißt:
ich habe mich von ihr und ihrem leisen Schnaufen aufwecken lassen, bin aus dem
Bett, habe die Zimmertür geöffnet (geschlossen ist sie nur jetzt im Winter
wegen der argen Kälte im Vorzimmer), bin zurück ins Bett, habe die darauf
wartende Katze ermutigt, aufs Bett zu springen und sie ermunternd angesprochen,
habe sie, nach ihrem Sprung aufs Bett lange und ausgiebig gestreichelt und sie
hat ausgiebig geschnurrt. Als sie genug hatte, bin ich wieder auf, habe mir
schnell Alltagsgewand über den Pyjama geworfen, bin mit ihr hinunter in den
unteren Teil der Wohnung, wo die Tageskinder sind. Dazu muß gesagt werden: Frau
Katz hat Kinder immer gefürchtet und ist beim kleinsten Kinderlaut schon aus
dem Stiegenhaus panisch in die obere Wohnung geflitzt, wo die Kinder nicht
heraufkommen. Aber in letzter Zeit will sie trotz Kinder mit meiner Begleitung
hinunter, wobei ich sie ermuntere mit mir zu kommen und verspreche, dass ich
auf sie aufpassen werde. Ich sage wirklich laut und deutlich: „Mitzi, komm nur,
mein Katzerl, ich werde auf dich aufpassen!“ Und dann kommt sie unter mehr oder
weniger strikter Beibehaltung aller kätzischen Vorsichtsmaßnahmen, die da sind:
lauern, beobachten, sichern, Deckungen ausnützen. In der Küche, hinter der
Sperre zum Tageskinderbereich, wasche ich ihr Schüsserl aus, gebe frisches
Futter hinein, ihre Tablette gegen den Tumor, gebe eventuell noch ein Leckerli
dazu und stelle es ins Bad an ihrem Futterplatz. Dann warte ich eine Zeit lang,
ob sie mit hinauf kommt, weil ich ihr dann die Sperre aufmachen kann, was sie
gern hat. Wenn sie zu lange herumtut gehe ich einfach rauf, weil ich weiß, dass
sie im Notfall trotz Alter und Krankheit immer noch drüberspringen kann.
Überhaupt habe ich in den letzten Monaten den Eindruck, Fräulein Mitzi mag
inzwischen ihre Auftritte bei den Tageskindern und schaut ihnen gerne zu. Das
war also hier in dieser Welt.
Jetzt ruhe ich mich wieder im Bett aus, schlafe eventuell
noch ein wenig, jedenfalls döse ich und wärme mich auf. Jedenfalls so lange,
bis Madame Mi-Tsi meldet, dass sie ihr Geschäft verrichtet hat, was sie mir
jedesmal verlässlich brummend ansagt, auf dass ich es entfernen möge. Die entsprechende
Anlage befindet sich im Vorzimmer zu meiner Kemenate, weswegen ich, um allzu
starke Geruchsbelästigung zu vermeiden, ihrer Aufforderung gern und prompt
nachkomme. Diese ganze morgendliche, koopeerative und beziehungsstärkende
Prozedur hat sich in den letzten Wochen und Monaten zu unserer normalen
Alltagsroutine entwickelt. Aber jetzt hocke ich noch im Bett und genieße den
Morgen.
(16.12.2022)
©Peter Alois
Rumpf Dezember 2022 peteraloisrumpf@gmail.com