3024 Cristóbal de Morales
Ich sitze in der Albertina vor Muntean/Rosenblums Video mit
der Motette von Cristóbal de Morales – ich bin extra wegen dieses Videos
hergekommen, weil ich es unbedingt nochmals anschauen wollte – und wie beim
ersten Mal kommen mir die Tränen. Diesmal bin ich gefaßter und beherrschter.
Meine religiöse Sehnsucht – was immer die genau ist – kann sich wirklich an
allem Möglichen entzünden. Alle psychologischen Erklärungen – so sehr sie
zutreffend und berechtigt sein mögen – greifen jedenfalls zu kurz. Es geht
nämlich letztlich um den Ausgriff nach dem verfehltem magischen Erbe, das uns
Menschen übergeben und anvertraut ist und zusteht, nach dem tatsächlich in der
wirklichen Menschheitsgeschichte verlorenen Paradies (das Stille Wissen), von
dem ich anscheinend eine Ahnung in mir habe, die mich für diese Welt hier
unbrauchbar macht (was nicht so sein müßte!). Und wieder kommen mir die Tränen
(sicher: Sehnsucht ist sinnlos, wenn man sie nicht in Disziplin, Ausdauer, in
ein Ziel und einen konkreten Weg verwandeln kann). Am meisten bringt mich der
kniende Typ zum Weinen: was hab ich für eine Sehnsucht, mich hinzuknien und all
meine Kämpfe aufzugeben, alle Bemühungen und Träume aus der Hand zu legen! (Und
das ist ein Irrweg!) (Wurscht!) Unsere Wirklichkeit ist wirklich bloß eine
fragile Skizze, über die Unendlichkeit geworfen. Natürlich! Qui tollis peccata
mundi – das ist mein sinnloses Thema. Die Schuld zu leben. Kein Wunder,
dass ich da heulen möchte.
Ich erhole mich von Schmerz und seelischer Erregung bei
einem Waldbild, Pastell auf Papier, von Hauenschild Ritter, die Motette von
Cristóbal de Morales noch hinter den Augen. Dieser unaufgeräumte Wald, von
verklärtem Licht durchflutet; schwarz, grau, weiß – das genügt ... und
jetzt erst habe ich die Geschichte dieser Stelle im Wald gelesen: das dreht nochmals alles um. Der Wald ist nicht einfach ein Wald, obwohl er nur ein Wald ist.
Wer wird gewinnen, hier an dieser Stelle? (Gimme Shelter). Heute, mit den
Infrarotkameras und den Satellitenbildern hätten die versteckten Männer wohl
keine Chance.
Lasse meine Seele bei Werefkin, die mir schon vertraut ist,
durchatmen. Auch hier lasse ich mich bezaubern, verzaubern und überwältigen.
Ich lasse das zu. Die Bäume im kalten Wald: jeder einzelne ein eigenes
magisches Wesen. Auch hier zeigen die zwei Bilder mehr von der dahinter
liegenden Wirklichkeit. Heute hat es mir besonders der Nachtschwärmer angetan
und seine gefrorene Nacht.
Dresden (London fehlt): ich möcht hinreisen, obwohl es
dieses Dresden nicht mehr gibt. Eine Vergangenheit, in der ich - so vermute ich – noch weniger zurecht
gekommen wäre als heute. Aber schön müssen noch Stadt, Fluß und Landschaft
gewesen sein, zumindest zeigt das der Kokoschka. Den Thöny möchte ich auch gern
ehren – Erinnerung an den Roten Raum Trigon 81 – aber nicht heute. Heute gehe
ich weiter.
Die obligatorische Rast beim depperten Kardinal in der Nähe
der Klees und das fällige Photo von mir im Spiegel – diesmal als Onkel H. Den
Klee schaue ich mir von der Seite an. Den ersten mag ich nicht so – und das ist
selten bei Klee – den zweiten sehr; die im Spiegel beide.
Ein bisserl Beckmann heute, aber natürlich auch den Arbeiter
von Marie-Luise von Motesiczky (ihr Kröpfelsteig fehlt!). Der Beckmann als
Blackmann hellt dann doch recht auf! Der freundliche Arbeiter - an dem habe ich einen Narren gefressen – ich
weiß auch nicht, warum. Ich erhebe mich, mache ein Photo und gehe weiter.
Nochmals ein wenig zum Weinen zur Motette. Qui tollis
peccata mundi – ja, der Erlöser! Wenn das funktionierte, könnten wir wieder
von Neuem anfangen. Wahrlich, wahrlich ich sage euch: ich bin leicht
einzufangen! Und die Sonne glurrt durch die hoch niederhängenden Wolken am
Himmel.
(20.12.2022)
©Peter Alois
Rumpf Dezember 2022 peteraloisrumpf@gmail.com
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