Mittwoch, 14. Dezember 2022

3016 Oder?

 

Albertina. Ruth Baumgarte. Die Farben sind von unglaublicher Leuchtkraft, Intensität und Lebendigkeit. Normalerweise würde ich da skeptisch, vorsichtig, zurückhaltend reagieren, aber hier: nein. Ich genieße diese Dichte in den Bildern, den abstrahierenden, meinetwegen gschmackigen Farbauftrag, die gekonnt hingepinselten Gestalten, das unglaubliche Neben- und Miteinander der Farben und Farbintensitäten. Bin gespannt, ob mir das bei einem zweiten Durchgang so bleibt. Ich geh jetzt weiter.

Nun bin ich in einer ganz anderen Welt: Hauenschild-Ritter. Farbverhalten (verhaltenen Farben kann ich durchaus etwas abgewinnen), graphisch, sehr genau, vorallem altindustrielle Dekadenz, manchmal ein Mensch darin, so nebenbei, aber auch Wald. Selbst auf der Lichtung im Wald ein verlassener Regenschirm. Die Striche sehr toll gesetzt: ich habe es gern, wenn sich Bilder aus der Nähe auflösen, denn so ist die Wirklichkeit. Ikonische Bohrköpfe für den mißlungenen Versuch, aus der Alltagswelt realiter in die Transzendenz durchzukommen (möglicherweise gar nicht mehr angestrebt).

Und dann in der – Verzeihung! - irren Welt von Muntean/Rosenblum. Die Menschen wirken verloren, wenn auch ergriffen – wenn auch manche in Erlösungsgesten. Ja, sie sehen etwas, die meisten sehen etwas. Aber sehen sie? Ich weiß es nicht. Jedenfalls befinden sie sich an unscheinbar forcierten Orten. Vielleicht sind es luzide Träumer und Träumerinnen. Vielleicht sind sie alle luzide Träumer. Schon betörend. Ganz anders betörend als Baumgarte und die zwei anderen. Will ich betört werden? Ich denke ja. Und der kleine Chor! Der fasst mir ans Herz. Wirklich! Der Chor besteht sicherlich nur aus Geträumten! Aber ich weine. Ich weine tatsächlich in der Albertina (und weiß nicht, ob ich dem trauen soll, oder ob ich gerade auf etwas hereinfalle). (Das darf ich aber auch: hereinfallen.) Und an den Rändern der Gebäude der Landschaft: bläulich-weißliches Leuchten. Sie sehen! Und der Schmerz in den Augen der Sänger!

Bei allen drei Stationen ist soviel, was mich normalerweise skeptisch macht, aber heute nicht. Ist das die Adventzeit? Komisch, im Abspann des Videos wird der Komponist nicht genannt. Aha, aber daneben im Text an der Wand: eine Motette von Cristóbal de Morales. Was mir jetzt auffällt: bei den letzten Zwei habe ich völlig vergessen zu photographieren. Und dabei will ich es heute belassen.

Jetzt gehe durch meine Klassiker (Batliner) und wandere zu meinen Lieblingsbildern, die ihr, liebe treue Leserinnen, aus meinen Albertinatexten schon kennt, darum muß ich sie und ihre Malerinnen und Maler nicht mehr aufzählen. Und – Überraschung! - meine Lieblingsbilder, die da sind, hängen in Gruppen nahe beisammen – schaut aus wie extra für mich. Aber das heute ist nur mehr ein kleiner Spaziergang, en passant grüße ich meine Lieblinge, ohne Anstrengung und längere Aufenthalte, geschrieben muß auch nicht werden.

London fehlt immer noch. Das ist schade, aber haut mich jetzt nicht um: Dresden ist ja auch nicht ohne. Oder? Der Kröpfelsteig fehlt auch noch immer. Detto! Der Arbeiter ist ja auch nicht ohne. Oder? Die Landschaft von Giacometti fehlt immer noch, seine weiblichen Schattengestalten sind ja auch nicht ohne. Oder?

 

(14.12.2022)

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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