Freitag, 2. Dezember 2022

3003 Hallo

 

Ich muß eine Hemmung überwinden, da ich jetzt in ein Café frühstücken gehe, weil ich gesehen habe, ich habe mehr Geld am Konto als erwartet (Ich rede nicht von Millionen, sondern davon, am Monatsende nicht im Minus gewesen zu sein). Ich bin in einem freundlichen, bunten Café. Für meine Schreiberei erwarte ich mir von so einem örtlichen, perspektivischen und psychophysischen Wechsel viel, könnt aber sein, dass mich das schon wieder blockiert. Die Idee war, dass ein anderes Ambiente als meine Kemenate und eine andere Schreibhaltung als im Bett hockend neue Anregungen, neuen Input bringen könnte. Aber ich muß die innere Stimme überwinden, die behauptet, dass mir ein Frühstück im Café nicht zusteht – das entspricht nicht meiner Rolle als gescheiterte Existenz und noch dazu verwende ich das Geld so nur für mich und nicht für die Familie, die mich durchfüttert und die meinen unerwarteten Überschuß eher verdient hätte.

Das Lokal ist voll; spärlich besucht wäre es mir lieber (ich nehme den Daseinsberechtigten noch den Platz weg). Aber ich gönne ihnen ihren Erfolg. Das Anrufen der KellnerInnen ist für mich immer etwas schwierig: wie rede ich sie an, um auf mich als jemand, der bestellen will, aufmerksam zu machen? Ich rede nicht von der Erstbestellung, sondern von einer Nachbestellung. Zuerst versuche ich den Kellner mit „Sir!“ auf mich aufmerksam zu machen, doch darauf reagiert er nicht. Dann rufe ich „Hallo!“, was sofort zum Erfolg führt. Das ist mit so rausgerutscht, weil mir im Stress, etwas ordern zu wollen und nach „Sir!“ nichts Besseres eingefallen ist, aber die Chefin des Lokals mokiert sich darüber, wie mir vorkommt, und redet über meine Unhöflichkeit mit dem Kellner. Ich höre das aber und frage die Chefin, wie ich sonst hätte rufen sollen. Sie antwortet: „einen Cappuccino, bitte!“ Ich darauf: „ich meine vorher, um die Aufmerksamkeit auf mich als jemand, der etwas bestellen will, zu lenken.“ Es ist nämlich so: ohne Blickkontakt kann ich niemanden ansprechen: zuerst Blickkontakt, dann sprechen. Und: es kann schon sein, dass mein Anruf etwas zu Forsches hatte, denn ich muß mir innerlich immer vorher einen Tritt geben, dass ich mich traue so anmaßend zu sein, von jemandem eine Dienstleistung zu verlangen. Ich muß also vorher alle meine Kräfte sammeln, bevor ich jemanden ansprechen kann und bin dabei in großem Stress (das werden wohl nur ganz wenige meiner Leserinnen und Leser verstehen und noch weniger nachvollziehen können).

Das muß ich jetzt aushalten. Poah! Wie das in mir arbeitet und wie ich mich schäme! Die Stimmung ist längst gekippt. Ein wenig will ich noch standhalten und meinen zweiten Cappuccino halbwegs in Ruhe austrinken.

Woher kommt eigentlich das Wort „hallo“? Ich werde nachschauen.

 

(2.12.2022)

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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