3003 Hallo
Ich muß eine Hemmung überwinden, da ich jetzt in ein Café
frühstücken gehe, weil ich gesehen habe, ich habe mehr Geld am Konto als
erwartet (Ich rede nicht von Millionen, sondern davon, am Monatsende nicht im
Minus gewesen zu sein). Ich bin in einem freundlichen, bunten Café. Für meine
Schreiberei erwarte ich mir von so einem örtlichen, perspektivischen und
psychophysischen Wechsel viel, könnt aber sein, dass mich das schon wieder
blockiert. Die Idee war, dass ein anderes Ambiente als meine Kemenate und eine
andere Schreibhaltung als im Bett hockend neue Anregungen, neuen Input bringen
könnte. Aber ich muß die innere Stimme überwinden, die behauptet, dass mir ein
Frühstück im Café nicht zusteht – das entspricht nicht meiner Rolle als
gescheiterte Existenz und noch dazu verwende ich das Geld so nur für mich und
nicht für die Familie, die mich durchfüttert und die meinen unerwarteten
Überschuß eher verdient hätte.
Das Lokal ist voll; spärlich besucht wäre es mir lieber (ich
nehme den Daseinsberechtigten noch den Platz weg). Aber ich gönne ihnen ihren
Erfolg. Das Anrufen der KellnerInnen ist für mich immer etwas schwierig: wie
rede ich sie an, um auf mich als jemand, der bestellen will, aufmerksam zu
machen? Ich rede nicht von der Erstbestellung, sondern von einer
Nachbestellung. Zuerst versuche ich den Kellner mit „Sir!“ auf mich aufmerksam
zu machen, doch darauf reagiert er nicht. Dann rufe ich „Hallo!“, was sofort
zum Erfolg führt. Das ist mit so rausgerutscht, weil mir im Stress, etwas
ordern zu wollen und nach „Sir!“ nichts Besseres eingefallen ist, aber die Chefin
des Lokals mokiert sich darüber, wie mir vorkommt, und redet über meine
Unhöflichkeit mit dem Kellner. Ich höre das aber und frage die Chefin, wie ich
sonst hätte rufen sollen. Sie antwortet: „einen Cappuccino, bitte!“ Ich darauf:
„ich meine vorher, um die Aufmerksamkeit auf mich als jemand, der etwas bestellen will, zu lenken.“
Es ist nämlich so: ohne Blickkontakt kann ich niemanden ansprechen: zuerst
Blickkontakt, dann sprechen. Und: es kann schon sein, dass mein Anruf etwas zu Forsches hatte, denn ich muß mir innerlich immer vorher einen Tritt geben, dass
ich mich traue so anmaßend zu sein, von jemandem eine Dienstleistung zu
verlangen. Ich muß also vorher alle meine Kräfte sammeln, bevor ich jemanden
ansprechen kann und bin dabei in großem Stress (das werden wohl nur ganz wenige
meiner Leserinnen und Leser verstehen und noch weniger nachvollziehen können).
Das muß ich jetzt aushalten. Poah! Wie das in mir arbeitet
und wie ich mich schäme! Die Stimmung ist längst gekippt. Ein wenig will ich
noch standhalten und meinen zweiten Cappuccino halbwegs in Ruhe austrinken.
Woher kommt eigentlich das Wort „hallo“? Ich werde
nachschauen.
(2.12.2022)
©Peter Alois
Rumpf Dezember 2022 peteraloisrumpf@gmail.com
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