Ich kann meine Wahrnehmung photoshoppen: ich schaue ins
Narrnkastl (jetzt aktuell im Gastgarten des Klostergasthofes Heiligenkreuz mit
Blick auf Brunnen und Nordtor – das Glockenspiel geht gerade los.) (Weil
daneben am Riesentisch eine Wiener Senioren-Autobus-Partie ißt und trinkt:
Geschimpfe auf Wiener Wohnen: „keiner kennt sich aus, sie wissen nichts, kennen
das Haus nicht. Früher hat es einen Hausingeneur gegeben, der gewußt hat, wo
welche Kabel, Leitungen etc verlaufen, jetzt werde ich von Wiener Wohnen
dauernd angeschrieben, dass ich auf meine Kosten irgendwelche Kabel entfernen
soll, die ich nicht verlegt habe und wo ich gar keinen Schlüssel für den Zugang
dazu habe und ich habe schon mehrmals angerufen und niemand kennt sich aus; ich
ja auch nicht! Und der Hausingeneur früher ist regelmäßig vorbei gekommen und hat nachgefragt, ob alles in Ordnung ist, hat sich
alles aufgeschrieben, wenn etwas nicht funktioniert hat und sich darum
gekümmert; jetzt mußt du sechzigmal über sechs Ecken anrufen und keiner kann
dir kompetente Auskunft geben. Außerdem hat es früher auch einen
Hausvertrauensmann gegeben, an den man sich wenden konnte ....“ Nur für den
unwahrscheinlichen Fall, daß jemand von der Wiener SPÖ meine Texte liest: wie
es eure Klientel erlebt.)
Ich schau ins Narrenkastl auf das Nordtor und klick! ein
Ruck – etwas ist anders an der Struktur des wahrgenommenen Bildes, das es
verändert, obwohl Formen und Farben gleich geblieben sind.
Jetzt, nachdem ich Wildragout mit Marmelade schneller
gegessen habe, als die Wespen es überrissen haben, jetzt geht das Photoshoppen
nicht mehr. Zu voll! Zu satt!
Und diese eigenartigen, leicht horriblen Wasserspeiermasken
am Brunnen mit ihren unkonventionell aufgerissenen Mündern …
… ein junger Kellner, der den Wespen-Fliegen-Krieg an den
Speisetischen in eine Sciencefiction-Story einbaut (die Dings (Wespen) sind die
Herren und die Dangs (Fliegen) sind die Sklaven und müssen den Dings dienen und
Essen herbeischaffen … er hat natürlich echte Filmnamen verwendet, die ich
nicht kenne – aber ich schließe daraus: die mythische Weltsicht gewinnt!)
… Mutter und Tochter im Partnerlook – oder doch ältere –
jüngere Schwester? - wie soll ich das wissen! Ich bin ja kein Seher!
… richtig alte Frauen, die ständig an ihren Kostümen,
Röcken, Blusen, Kleidern herumzupfen.
Ach tut das in schwerer Depression gut, ordentlich zu essen,
mit – sorry! - so steht's auf der Karte: Mohr im Hemd mit einer Kugel
Vanilleeis und Kaffee und dann noch einen Eiskaffee hier, im immer stiller
werdenden Gastgarten, weil der Autobus mit den Wiener Senioren am Abfahren ist. Fahrt ab! Ich höre wieder im Brunnen das Wasser plätschern.
Nun in die Kirche. Ich nehme meine Kappe ab, tauche meine
rechte Hand ins Weihwasserbecken und mach brav mein Kreuzzeichen. Nehme Kerzen, die
ich bezahle, zünde sie an, spreche kurz und schlampig zwei Gebete, dann setze
ich mich in die Bank, direkt vor mir: eine Tafel, die Photographieren und Handy
verbietet. Ja, eh! Ich merke, ich habe schon ziemlich viel Aversion aufgezogen.
Orgelübungsspiel (Schubertmesse). Nichts paßt zusammen. Vorbei, meine Herren!
Es ist vorbei! (als ob ich das wüßte!) „Dome der menschlichen
Selbstüberschätzung“ (C.C.)
Ich gehe hinaus in den inneren Hof.
Der sanfte Wind hier, das stille Rauschen in den riesigen
Platanen und das unaufdringliche Plätschern dieses großen, prächtigen Brunnens hier beruhigen mich und
besänftigen ein wenig meine Verbitterung. Bei Tageslicht betrachtet: so toll
ist der Hintern der frommen Frau, den ich vorhin in der Kirche kurz aber
ansatzweise andächtig betrachtet habe, gar nicht. Aber was soll's, es geht mich
alles gar nichts an. Ich habe hier in der Welt, dort in der Welt, in jener Welt, in jeder Welt
nichts verloren. Ich bin überall im Ausland. Das Einzige, das manchmal von
meiner unwiderruflich verlorenen Was-weiß-ich-was herüberweht, ist die Musik.
Jetzt ist die fromme Frau mit ihrer Tochter nahe an mir
vorbeidefiliert, hat sich vor mich hingestellt und das Kirchenportal
photographiert und ich muß sagen: so schlecht ist ihr Arsch gar nicht! Nein!
Schöne Rundung! Aber wie gesagt: geht mich nichts an, nicht für mich.
Eine Stunde noch bis zum Autobus; mir ist jetzt schon fad
vor lauter Resignation.
Die Kuttenbrunzer tragen immer Bücher in ihrem linken Arm –
wie ich sie um ihre Büchererlaubnis, die Erlaubnis zu lernen und zu lehren
beneide! Auch wenn sie nichts zustandebringen ist ihre Existenz besser und
sinnvoller als meine. Dabei könnte ich denen ordentlich aufmischen! (ja, ja,
Burschi! Allzu-spätpubertärer Anfall, wie?)
Die fromme Frau mit Tochter geht mit einem Kuttenbrunzer mit
Buch in der linken Hand mit und sie verschwinden in einer Tür. Der Wind meint
es gut mit mir und läßt mir zum Trost die Platanen tanzen. Kokett drehen sie
sich vor mir einmal nach links, dann nach rechts, nach links, nach rechts, nach
links, nach rechts … dann kräuseln sie die Blätter und schütteln ihre Zweige,
wie ich meine Hände, wenn ich beim Tensegrity die Energie aufwühle und mische
(lang, lang ist's her).
Kuttenbrunzer und Kettenraucher? Ich sage ja! Wer will das
schon überprüfen! Es ist völlig wurscht, was ich sage, ob es stimmt oder nicht.
Übrigens sehe ich eine
Pest-Dreifaltigkeits-Marien-Sieges-XY-Säule von hinten. Schaut aus wie ein
übergeschnappter, ausgelassener, musical-dancingender, ein paar Meter in die
Höhe geschmissener und dann zu Stein erstarrter Inhalt eines Käfigs voller
Narren. Mit ihren verdrehten, dekadenten Gesten und Körperhaltungen. Und
unten im festen und geometrischeren Sockel die leidenden Jammerlappen (das
schreibe ich!) mit ihren schräggestellten Köpfen. Aber das Glockengeläut
– ich wollte gerade beginnen, über es herzuziehen – nein, das kann und will ich
nicht verunglimpfen; das schlägt bei mir eine schöne Saite an.
Meine Füße tun mir weh vom Wandern, mein Arsch tut mir weh
vom Sitzen, mein Kreuz tut mir weh von … Heiligenkreuz? Weil ich mich gestern
über den Tisch habe ziehen lassen? Von dem, was ich alles herumschleppe?
Ich pepp das Ganze mit den Red Hot Chili Peppers auf! Los
geht's!
Zwei müde Kuttinger ohne Bücher.
Jetzt geht mein Blick auf Dach, Dachfenster, Rauchfänge,
Entlüftungsschlötchen, komische Dachbalustradenfiguren inklusive Krone, die wie
eine Spinne ausschaut, eine naive Gams, verstümmelt wirkende Figürchen,
Köpfchen, Dachspitzerln, Dachreiter – scheiß drauf! Keine Lust mehr! Ich habe
meine Verzweiflung nicht vertreiben können.
Weil ich an meiner Frau Ärgernis genommen habe: Trennung von Tisch und Bett und Bildschirm.
(28.8.2019)
©Peter
Alois Rumpf, August 2019 peteraloisrumpf@gmail.com