Ich bin in E und mein erster Weg - nachdem ich die
Rückfahrzeiten gecheckt habe – geht – schließlich habe ich genug Zeit – zum Dom
des Heiligen Martin.
Diesen Weg zum zentralen Heiligtum mache ich –
kirchenrechtlich eingetreten oder ausgetreten: egal! – fast immer auf meinen
kleinen Reisen. Immer will ich, wo ich mich auch aufhalte, den lokalen
Gottheiten oder Heiligen beziehungsweise dem Spiritus loci meine Referenz
erweisen.
Ich gehe also wie vorgeschrieben (die Hinweistafel hängt am
Nordtor) zum Westtor. Der Wind bläst mir
ordentlich in den Rücken, in den Ohren John Frusciante mit Curtains. Als ich
das Kirchentor aufmachen will – oh! – da geht es von selber auf! Ich glaube
sofort an ein Wunder! Daß nämlich der stürmische Wind für mich das Tor genau
zum richtigen Zeitpunkt meines Eintretens aufgemacht hat. Der Vorgänger oder
die Vorgängerin hat es nicht gut geschlossen, so konnte es der Wind aufdrücken.
Ja, ein Wunder! Ein Zeichen des Himmels!
Ich will es bessermachen und das Tor ordentlich schließen und versuche das schwere Tor gegen den
Widerstand des starken, stürmischen Luftdrucks zu schließen, was mir nicht
gelingt. Ich drücke und drücke, bis ich kapiere, daß das nicht der Wind,
sondern die Türautomatik ist. Schade! Kein Wunder! Es war nicht der vom Himmel
geschickte Wind (der Heilige Geist weht wo er will), der das Tor vor meinem
Eintreten geöffnet hat, sondern die Türautomatik. Wirklich schade! Ich wäre
vielleicht nicht nur in den Dom eingetreten.
Drinnen im Dom „opfere“ ich meine üblichen drei Kerzen
(„offering“ klingt wirklich nicht so
masochistisch), bete ein Vaterunser und ein GegrüßetseistduMaria, mache schöne,
konzentrierte Kniebeugen und Kreuzzeichen – den John Frusciante habe ich nicht
abgedreht – und gehe wie ein Gehbehinderter am nicht benötigten, aber zum
Eigentümer zu transportierenden Gehstock
hinaus, stapfe durch eine kleine, enge Gasse zur Mariensäule auf der
Hauptstraße, umkreise diese, oben die Krönung Mariens nach ihrer Himmelfahrt am
15. August (ich wiederhole mich: Himmelfahrten bezweifle ich nicht!), erinnere mich jetzt im Cafe an den
angepfeilten Heiligen Sebastian, den Heiligen Nepomuk, ich vermute den Heiligen
Jakob (wegen des Hundes als Wegbegleiter
Tobias?), einen Heiligen, der fast lasziv ein Knie vorstreckt, kann ich nicht
identifizieren, und dreiunddreißig Schritte entfernt steht die Statue des
Heiligen Sankt Florian, der unser Haus schont und andere anzündet. Ich peile
dann, nachdem ich mich bezüglich unseres gebuchten Hotels orientiert habe, eine
Konditorei (nicht Cafe) an, wo wir schon beim letzten Aufenthalt in dieser
Stadt eingekehrt sind, wo ich alles aufschreiben will (zum Zeitpunkt, den ich
beschreibe), tatsächlich aufschreibe (zum Zeitpunkt, wo ich aufschreibe). Dabei
breche ich beim Eintreten in eine reine Damenwelt ein, bestehend aus zwei
Peronaldamen und zwei separate, erstaunlich lautstarke Damenrunden, die mich
erstaunt bis mißtrauisch beäugen, obwohl ich schon vorm Eintritt meine Kapuze
vom Kopf und die Empedreistöpsel aus den Ohren gezogen habe. Ich komme mir in
dieser Gesellschaft trotz ähnlichen Alters jünger vor – ein Fehler, den ich
gern mache, aber ungern aufdecke. Nach der Bestellung muß ich die Stiege hinunter zur Toilette (eben!)
und stelle erleichtert fest: es gibt auch ein Herrenklo.
Ich bestelle zum
italienisierten Kapuziner eine Kastanientorte, die ich mir genüßlich
einverleibe (und die Tort‘ ist Fleisch, respektive Fett geworden).
Aber nun muß ich der langen Sätze wegen Luft holen und mein
Notizbuch weglegen.
Das größte Wunder jedoch wäre trotzdem: ich sage: „Oh Herr,
ich bin nicht würdig, daß du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein
Wort, so wird meine Seele gesund“. Und der Herr spricht ein Wort, und meine
Seele ist gesund.
(12.1.2019)
©Peter Alois Rumpf
Jänner 2019
peteraloisrumpf@gmail.com