1215 Was mir auffällt
Was mir auffällt: Ich schaue bis zu zwanzigmal nach, wann
mein nächster Termin ist. So extrem war
das schon lange nicht mehr. Dauernd die Angst, etwas vergessen, übersehen,
„verschwitzt“ zu haben. Oder, schon in meiner Kindheit „verträumt“
(„Traummännlein“ hat mich noch in der Tischlerei der Chef genannt, mein zweiter Spitzname war Atompeter, weil ich damals
einen Anti-AKW-Button getragen habe wegen der Zwentendorfabstimmung). Oder daß
ich irgendetwas Wichtiges nicht mitbekommen habe, wie es in meiner Kindheit so
oft vorgekommen ist. Ich muß mich heute noch unglaublich anstrengen, um nur
halbwegs mitzuhalten.
Also: ich schau am Abend auf meinen Therapiezettel, wann am
nächsten Tag die erste Therapie beginnt. Mehrmals, weil ich mir den Termin
merken will, aber fünf Minuten später vergessen habe, oder ich mir nicht mehr
sicher bin, ob ich mich noch richtig erinnere. Manchmal scheint es mir, der
Termin ist komplett weg, weiß auch nicht mehr, um welche Therapie es sich handelt.
Am Morgen erst recht: gleich nach dem Aufstehen sofort der
Blick auf den bereitliegenden Zettel. Da! Heute erst um 10:40. Es ist halb
sieben, ich wußte noch, daß ich einen späten Termin habe, trotzdem komme
ich nur kurz von meiner aufsteigenden „Panik“ (im umgangssprachlichen Sinn)
herunter und nach dem Rasieren schaue ich nochmals nach. Wenn ich mit der
Morgentoilette fertig bin: zum Frühstück. Eventuell noch ein Sicherheitsblick
auf den Zettel: ich traue meinem Gedächtnis nicht; mir kommt vor, ich werfe
alle Infos in „Panik“ (siehe oben) in irgendeinen Speicher und nehme nicht
richtig wahr, wo ich ihn abgelegt, besser: hingeschmissen habe (wie bei einem fluchtartigen Aufbruch).
Ich komme vom Frühstück zurück und schaue mehrmals nach: ich
habe also genug Zeit für Tensegrity, Zeitung lesen, Internet, Notizen machen und ein bißchen am Computer
spielen.
Jetzt muß ich wieder zum Zettel gehen: 10:40 beginnt’s. Es
ist 10:08. Ich werde sehr nervös. Schreiben geht nicht mehr. Computerspielen
(Solitär, Mahjong): das kann ich noch (es zieht mich stark genug hinein, sodaß
ich den Druck undeutlicher spüre).
Mich kann ein Termin am Nachmittag unfähig machen, am
Vormittag irgendetwas Sinnvolles zu tun oder zu erledigen, mich auf etwas
anderes zu konzentrieren. Computerspielen (allein!) hilft mir, meine Nervosität
zu reduzieren oder weniger zu spüren. Musik hilft mir, mich besser zu fühlen.
In der Musik finde ich die beste und schönste Resonanz; hier komme ich mit
meiner Seele oder Teilen meiner Seele in Kontakt, hier erkenne ich mich wieder, hier (emp-) finde ich meinen Schmerz, meine Trauer, meine Freude, meine Sehnsucht … ausgedrückt! Gelingt aber
kaum, wenn der Termin schon zu nahe ist, dann kann ich nicht mehr richtig
hinhören.
Und nochmals vom Computer aufgestanden und nachgeschaut, ob
10:40 wirklich stimmt.
(5.1.2019)
©Peter Alois Rumpf
Jänner 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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