Zuerst muß ich sagen, daß ich als Mensch - wenn's d'rauf
ankommt - nahezu ohne Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl, und ständig an der
Grenze oder im Status einer Traumatrance, vorm Ausfüllen von behördlichen
Fragebögen fast in Panik geraten kann, mit Zittern, Tunnelblick, reduzierter
Aktivität bestimmter Gehirnareale und so weiter, wie ich es zum Beispiel auch
vom Autor von „Der Mann ohne Eigenschaften“ gelesen habe - der Name des Autors
will mir jetzt nicht und nicht einfallen; mein Gedächtnis muß wirklich schon
ziemlich im Eimer sein, denn an mangelnder Bildung liegt es nicht; eher an
aufkommender Panik beim Thema Formulareausfüllen – der jedenfalls jedes
Formular, das er vor einer Behörde ausfüllen sollte, zunächst nach Hause
mitnehmen mußte und dann erst nach ein paar Tagen Kampf ausfüllen konnte.
Also kurz gesagt: ich kann großen Stress beim und Angst vorm
Ausfüllen wichtiger Formulare haben.
Nun, heute wollte ich meinen Pensionsantrag abgeben. Weil
ich von meinen Schwierigkeiten weiß, hatte ich schon vor einigen Wochen einen
Antrag auf Feststellung der Pensionsansprüche gestellt, um zu wissen, wann ich
in Pension gehen kann und wie viel ich bekommen werde. Ich war im Vorfeld
Monate und Wochen damit beschäftigt, die vielen Jobs meines chaotischen Lebens
und ihre Zeiten abzuklären, die Zeiten als freischaffender Künstler und die
Zeiten, in denen ich so viel Bilder verkauft hatte, daß ich als Selbständiger
Versicherung gezahlt habe, zu rekonstruieren. Das war recht kompliziert, denn
in einem Monat ja, im anderen nein, dazu kommen die Ausbildungszeiten, die ich
mühsamst recherchiert und dann die Belege dafür bei den verschiedenen Unis angefordert
habe (die dann der Beamte bei der Abgabe des Antrags auf Feststellung etc.
einfach in den Papierkorb geschmissen hat mit dem Kommentar: „des brauchma
net!“).
Ein Arbeitskollege hat mir dann den Tipp gegeben, einfach
bei der Krankenkasse einen Versicherungsdatenauszug zu beantragen, der dann
auch am nächsten Werktag in meinem Postkasten war, wo alle meine Zeiten
aufgelistet sind, sogar die als Selbständiger. Wow! So einfach geht das! Da
erhebt sich die schwerwiegende Frage: hätte mir diesen Tipp nicht schon der
Beamte der Pensionsversicherungsanstalt geben können, als ich dort war, um mich
nach dem Ablauf zu erkundigen? Ich hatte ihm auch erklärt, daß ich vor allem in
meinem Künstlerleben viele verschiedene Jobs ausgeübt habe und oft nur für
kurze Zeit und abwechselnd mit Selbstversicherung und daß ich das unmöglich
rekonstruieren kann. Das hat nur ein Schulterzucken ausgelöst und der Tipp, wie
das leicht geht, ist ihm nicht über die Lippen gekommen. Warum? Weil sie sich
als Obrigkeit fühlen und uns als Untertanen und Bittsteller sehen? Uns darf auf
keinen Fall geholfen werden? Freundlichkeit? In diesem Fall ja, aber zum
Schein, denn man kann jemand auch freundlich in die falsche Richtung schicken.
(Muß ich das meinen Leserinnen erklären, daß Pensionsversicherung wie
Krankenkasse von uns direkt und über Steuergelder bezahlt werden als Dienst an
uns? Nein, ich glaube nicht.) Nein, nein, diese Bittsteller müssen schikaniert
werden, mit Zettelwirtschaft beschäftigt und ihre Daten zum
eintausenddreihundertvierundsiebzigsten Mal angegeben werden, alles Daten, die
sie schon längst im System haben.
Gut, letztendlich habe ich es geschafft, den Antrag auf
Feststellung der Pensionsansprüche einzureichen und eine Antwort zu bekommen.
Meine Pension ab wann und wieviel (netto € 366,52) war ausgerechnet. In meiner
Naivität habe ich gedacht, das ist es jetzt: ich brauche beim richtigen
Pensionsantrag nur mehr ein paar Basisdaten zur Feststellung meiner Identität
abgeben, alles andere ist ja schon ausgerechnet und dort im System. Oh wie
einfältig!
Heute also gehe ich zur Pensionsversicherungsanstalt um
meinen Pensionsantrag abzugeben. Vorher hatte ich noch einen Termin bei der
Krankenkasse wegen der Krankenstandskontrolle. Ich bringe jedesmal einen Befund
meiner Psychiaterin mit, um meine regelmäßige Behandlung zu beweisen. Diese
Behandlung muß ich zuerst aus eigener Tasche zahlen und bekomme dann – auf
Antrag – den Großteil von der Krankenkasse refundiert. Meine Psychiaterin ist
so freundlich und gibt mir zur Rechnung jedesmal ein Antragsformular an die
Krankenkasse zur Refundierung der Kosten mit, das sie eigenhändig auf ihrem
Drucker ausdruckt und das ich zu Hause ausfülle. Bis jetzt hat es damit noch
nie ein Problem gegeben. Aber heute wurde dieses ausgefüllte Antragsformular
nicht angenommen und ich mußte eines von dort ausfüllen. Also: alles, was auf
„meinem“ Formular steht, mußte ich auf ein anderes schreiben: genau die
gleichen Angaben, es steht genau das Gleiche drauf. So richtig freundlich war
die Beamtin nicht, aber unfreundlich kann man sie an dieser Stelle des
Geschehens auch nicht nennen. - und doch: man fühlt sich als der letzte Depp!
Der Ablauf dort ist so: man zieht eine Nummer. Dann wartet
man, bis die Nummer am Bildschirm aufscheint und einem auch angezeigt wird, an
welchen Schalter man treten darf. Dort legt man sein Anliegen vor – in meinem
Fall Krankenstandskontrolle – und geht wieder in den Wartemodus zurück, bis man
vom Arzt aufgerufen wird – bis jetzt mündlich, neuestens aber mit der Nummer,
die nun wieder am „Display“ aufscheint mit Angabe der Nummer des
Ordinationszimmers. Das ist neu! Macht einen aber auch niemand darauf
aufmerksam! Denn jetzt muß man nicht auf die Lautsprecher hören, sondern auf die Anzeigetafel gaffen. Aber ich als Traumageschädigter (bei der Staatspsychologie nicht
offiziell! Laut offizieller staatspsychologischer Diagnose bin ich das nicht,
was ein absoluter Blödsinn ist. Diese Diagnosegeschichte wäre auch eine eigene
Story! Meine Psychiaterin hat dazu den Kopf geschüttelt.) bin wachsam und
beobachte die Umgebung aufmerksam und habe es so doch mitbekommen, daß ich nicht
namentlich wie bisher, sondern automatisiert per Nummer aufgerufen werde.
Wie ich vom Ordinationszimmer des kontrollierenden Arztes
herauskomme, weiß ich nicht mehr, wie es weitergeht: muß ich jetzt wieder
warten, bis ich aufgerufen werde, um Rechnung und Kostenersatz zu beantragen
und den Antrag auf Krankengeld abzugeben? (Am Anfang wußte ich nicht, daß man
diesen Antrag nach jeder Kontrolle neu stellen muß – ich dachte, wenn ich ihn
beim ersten Mal beantragt habe, läuft das weiter, solange sich am Krankenstand
nichts ändert, was ja mit dieser Kontrolle kontrolliert wird. Mir ist dann nur
nach drei Monaten aufgefallen, daß ich überhaupt kein Geld mehr bekomme, weder
vom Arbeitgeber, noch von der Krankenkasse. Sagt einem auch niemand. Wissen
genau, daß ich kein Geld bekomme, wenn ich das nicht beantrage, sehen, daß ich
es nicht beantrage und sagen einem nichts. Die Bittsteller ja recht dumm halten
und nicht informieren!) Dunkel habe ich in meiner Erinnerung, daß man gleich
zur Anmeldungsbarriere geht („Schalter“ wäre zu euphemistisch), aber sicher bin
ich mir nicht mehr. (Mein Gedächtnis! Wenn mir schon der Name des Autors vom
„Mann ohne Eigenschaften“ nicht einfällt!) Also bleibe ich in gewisser Distanz
zur Anmeldungsbarrikade und frage unsicher und schüchtern als der aktuelle
Kunde weggeht: wie geht’s jetzt weiter?
Da wird die Dame unfreundlich und schnauzt mich an. Wenn die Untertanen
unaufgefordert etwas fragen, ist es halt Majestätsbelästigung. (Meine
Phantasien und Tagträume gehen dann in Richtung Sprengstoffattentate, einen
Bürokratenstadel nach dem anderen in die Luft zu jagen. Dann wird mir selbst in
meinen Größenwahnphantasien klar, daß das einige Nummern zu groß für mich wäre
und bescheide mich und gehe runter auf Schußwaffenmassaker, aber selbst im Tagtraum,
wo man sich alles ausdenken und sich zuschreiben kann, funktioniert das nicht,
weil ich von Waffen keine Ahnung habe. Also ende ich bei der Phantasie, mich
dort vor oder auf der Anmeldungsbarrikade mit Benzin zu übergießen und
anzuzünden und als Brennender (so hat einmal ein Bild von mir geheißen. Schon
zerstört!) hinter die Barriere zu springen. Ein bißerl was sollten diese
Bürokratenarschlöcher schon abkriegen; und wenn es nur ist, den Anblick eines
verbrennenden Menschen ertragen und sich seine Schmerzensschreie anhören zu
müssen. Einen kleinen Kanister mit Benzin zu kaufen werde ich wohl noch
zusammenbringen. Ende der ohnmachtspubertären Durchsage.)
Alsdann! Wie ich mit der Krankenkasse fertig bin, wandere
ich das Stück zur Pensionsversicherungsanstalt, um meinen Pensionsantrag
abzugeben. Wie gesagt: die Feststellung der Pensionsansprüche habe ich schon
machen lassen, es ist alles geklärt – denke ich – ich brauche den Antrag nur
abgeben, die Daten sind schon alle im System. Nein, bescheidet mich die unfreundliche
Beamtin, ich muß alles nocheinmal ausfüllen! „Aber den Versicherungsdatenauszug
habe ich eh beigelegt“, entgegne ich. „Nein, das genügt nicht!“ „Aber was muß
ich .. Sie wissen doch eh alles!“, rufe ich aus. Zu sagen, daß ich die
Feststellung der Pensionsansprüche schon gemacht habe, dazu komme ich gar
nicht. Der nächste Bittsteller wird schon aufgerufen. Ich fluche noch
halbherzig herum und rufe noch etwas von Schikane, aber dann bremse ich mich
schnell ein, denn in psychiatrischer Behandlung zu sein und im Amt, richtiger
in der Anstalt herumzubrüllen – das kann ins Auge gehen!
Muß das so sein? Nein, so muß es nicht sein. Sie hätte bei
der Durchsicht meines Antrags mich einfach aufklären oder an die richtige
Stelle für Beratung verweisen können. Freundlich, ruhig, professionell die
nötigen Informationen geben, ohne daß man sich bloßgestellt fühlen muß.
Kundenservice halt! „Wo, Herr Rumpf, haben sie mit dem Fragebogen
Schwierigkeiten? Was verstehen Sie nicht? Ich (oder der zuständige Mitarbeiter)
kann Ihnen alles erklären!“
(29.11.2018; ergänzt 2.12.2018)
©Peter
Alois Rumpf November/Dezember
2018 peteraloisrumpf@gmail.com