… und mein Atem geht neben mir her, obwohl ich liege. Meine
Augen sind verklebt und beim Aufsetzen habe ich alle meine schönen, starken
Traumbilder und alle starken, wahren, erleuchteten, in der anderen Welt drüben
mühsam formulierten Sätze verloren.
Stille. Ich staune immer wieder, wie still es mitten in der
Stadt sein kann. Ich blättere um und zum ersten Mal sehe ich nach tausenden
Malen durchblättern in diesem anderseitigen Bildband Photos vom Bahnhof von
Laibach/Ljubljana. Vorsichtig und neugierig blättere ich im Bildband noch vor
und zurück, ob sich noch mehr Bilder bis jetzt versteckt gehalten haben.
Eine verworrene innere Diskussion über Intimität und Preisgabe
beginnt und endet in nichts. In dem Nichts, in dem ich wach bin.
Seltsamerweise kommen jetzt Unfälle ins Spiel, gottseidank
sind die Bilder verschwommen und schlecht, lösen sich beim Betrachten auf,
sodaß ich nichts sehen muß.
Ich schlage den ein Dezimeter hohen Zaun aus kleinen
Metallröhrchen ein und komme so wieder herauf ans Licht, als hätten mir die
Schlagbewegungen Auftrieb gegeben.
Sie, die Frau, die ich dort sehe, will nur dann in diese
Welt hier mitkommen, wenn ich … was?! was?! … verdammt! … ist mir gerade
entglitten!
Ich lasse diese Sucherei drüben bleiben … ein ordentlicher
Schlag von rechts trifft mein Notizbuch … was war das!? Aber ich bin auch
drüben keine Autoritätsperson und niemand antwortet meiner Aufforderung.
Ich lache bei der Vorstellung still auf, daß Kurt P. die
Verantwortung über die Parkbänke der Stadt Graz übertragen bekommt – so halb
als Sozialmaßnahme für ihn – und staune über das gefällige Gitarrenspiel
irgendeiner Abspaltung von ihm.
Überhaupt haben es mir die Grazer Verhältnisse angetan; ich
mach mir ernsthafte Gedanken über die Stadtentwicklung und das
Bevölkerungswohl, fast wie ein klandestiner Stadtrat, oder gar Bürgermeister.
Ich atme seufzend, tief, erleichtert. Erleichtert, daß ich
hier bin? Mit der Stille ist es aus, Sirenenautos jagen durch die Straßen.
Wieder drüben heule ich mit verzerrtem Gesicht wegen … der
Stadtentwicklung? Aber nicht mehr in Graz, oder? Oder über den ganzen Staat?
Nicht ganz glaubwürdig, hätte ich gesagt.
Die asiatische Frau hat sich in einen Obstkorb gelegt, auf
die exotischen Früchte drauf, ich bekomme ein Eis, eine Zusage für ein Treffen
später? Wo bin ich? In Vietnam?
Ahja! Wann läuft meine Therapiekarte ab? Wo habe ich sie
nur?
„Da!“- ich überreiche sie dem Mann am Schalter.
Ich stolpere die dunkle Treppe hinunter, denn ich sehe
nichts. Ich schaue mir von außen zu und stelle fest, daß die Welt um die Stiege
bunt ist, nur die Treppe ist ganz einfach in direktes Schwarz gehüllt. Keine
Wolken, keine schwarze Substanz, nur Schwarz.
Ich habe da tausende schöne, ergiebige und inspirierte Sätze
auf einem Haufen, aber schon ist das Bild wieder verschwunden beziehungsweise
bin ich aufgetaucht.
Mein Gott! Sind diese Kurzreisen hin und her schön! Ich
danke dir, lieber Gott, und dem österreichischen Pensionssystem und meiner
lieben Frau, daß sie mir Obdach, Bett, Nahrung und Kaffee gibt (inklusive der
Erlaubnis, ihre Kaffeemaschine zu benutzen) und Zeit; Notizbücher und
Kugelschreiber – das wieder an Gott, denn die kaufe und bezahle ich selber.
Nun ist es wieder still, nur die Katze gibt in ihrem Schlaf
fast liebliche, fast jammernd-stöhnende Atemgeräusche in eher hoher Tonlage von
sich (manchmal hatte ich schon geglaubt, in irgendeiner Nachbarwohnung vögelt
wer).
Bin ich damit ganz in unserer realen, modernen,
übersexualisierten Welt angekommen? Oder schlafe ich wieder ein? Ich frage mich
absichtlich, ob ich nicht hungrig bin, lenke meine Aufmerksamkeit darauf und
fühle dem nach, im Versuch, meine realen, realistischen Anteile zu stärken. Ja,
ja, schaut aus, es gelingt! Nur daß meine reale Welt hier in meiner stillen,
bücherintensiven Kammer keinen Sex hat. Hier bin ich Mönch, hier darf ichs
sein!
Genüßlich strecke ich meine Glieder und beschließe, das
Pflaster von der gestrigen Blutabnahme noch am Arm zu lassen, weil es so cool
ausschaut.
(30.7.2019)
©Peter Alois Rumpf Juli 2019
peteraloisrumpf@gmail.com