von Elisabeth Reiner („das bunte Buch“; Geschichten,
Märchen, Sagen) ist heute mein Thema.
Wenn ich mich auch an viele Märchen in diesem Buch erst wieder
beim Durchblättern erinnern konnte – von diesem wußte ich immer. Wobei es gar
nicht die Geschichte und der Name des Märchens waren, die sich mir so richtig
kindlich eingeprägt hatten (verdammt! Gerade habe ich es gelesen und schon
verfalle ich in so einen geschraubten, verlogenen Tonfall!), sondern es waren
die Bilder, die mir mein langes Leben so tief im unschuldigen Herzen bewahrt
verblieben sind.
Die Geschichte möglichst kurz erzählt: die Tochter der
Blumenfee lebt in einem großen Garten in einem riesigen Wald ohne Menschen und
vor ihnen verborgen, ist eine verkitschte Schamanin: kann Heilsalben etc.
herstellen, heilt die Tiere des Waldes, redet wohl auch mit ihnen (das steht so
nicht da, aber ich trau mich - jetzt also kein Trauminet – dies zu ergänzen).
Parallel: in einem Königreich ein Prinz, war böse zu Blumen,
hat eine im Zorn zertreten, Strafe: Dorn im Fuß, den keiner rausziehen kann und
der seinen Körper vergiftet (Bumm! Was ist dann die Strafe für die Sünden der
heutigen Landwirtschafts- und Industrie und Abholzung etc?).
Im Traum (das ist jetzt mein Revier!) hat der Prinz eine
Vision von der heilenden Jungfrau im Wald, sattelt sein Pferd, reitet allein (!
ohne Gefolge! Das schafft nicht einmal der Kurz! Und der ist kein Prinz! Aber
sicher für ein Wunder notwendig) in den Wald. Wie er das mit seiner angeblich
schweren Krankheit macht, wird nicht erklärt.
Er findet die Jungfrau, ist hingerissen, steht in
Trancestarre bis Sonnenuntergang da, alles züchtig.
Sie typisch – erst erschrocken, dann verliebt, versucht ihn
zu heilen.
Es gelingt aber nicht. Sie ruft ihre Blumenfeemutter
(PanchaMama – schön! Matriarchalischer Rest) und erfährt, sie müßte ihren
Lieblingsrosenstock zur Salbe verarbeiten, was die Mutter für undenkbar hält.
Denn mit diesem Rosenstock ist sie magisch verbunden und wenn der verletzt
wird, verliert sie ihre Schönheit (schon richtig: geht das Matriarchat, oder
auch nur ihre weibliche Identität kaputt, oder ihre magische Jungfräulichkeit,
da sie dann ihre Energien doch an Männer verschwendet …) und wird runzelig,
unansehnlich, häßlich und zahnlos (das ja!).
Sie macht es in der Nacht, pflückt die Rosen, schlägt den
Rosenstock um, verwendet sein Holz – wie vorgeschrieben – als Feuerholz zum
Kochen der Salbe, die streicht sie dem
schlafenden Prinzen unbemerkt auf den Fuß. Dorn fällt heraus; sie wird häßlich,
schämt sich ihres Aussehens (! von der Angst, zu dick zu sein, ist allerdings
nicht die Rede!) und haut ab. Also sie opfert sich für den Prinzen aus Liebe
(oder dem Patriarchat?).
Prinz erwacht geheilt, sucht die Heilerin, findet sie nicht,
er kennt aber ihre magische Verbindung zum Rosenstock, weil sie es ihm erzählt
hat. Ich habe vergessen: sie hat die Asche der Aktion in einem Krüglein
mitgenommen. Der Prinz, als der die Stelle, wo der Rosenstock stand, fand,
zählte er eins uns eins zusammen, reitet ihr nach, sie dreht sich verschämt
weg, er nimmt sie in seine Arme, fragt, ob sie seine Frau werden will – die
Augen sind unverändert geblieben – küßt die Häßliche auf den häßlichen Mund.
Liebe besiegt Fluch: im Krüglein mit der Asche wurlt es, weil ein neuer
Rosenstock anhebt zu wachsen, sie graben ihn an seiner Stelle wieder ein, er
wird schöner als zuvor, die Jungfrau wird schöner als zuvor. Prinz reitet mit
seiner Braut in das Königreich seines Vaters. Hochzeit. Königswerdung. Beide
sehnen sich nach dem Garten im Wald (matriarchalisches Rückzugsgebiet oder die
magische Welt? Oder doch nur falsche Idylle?), Amtsverzicht zu Gunsten seines
Bruders. Glücklich.
Also: an die Geschichte konnte ich mich nicht erinnern. Es
waren die Bilder, die mein kindliches Herz bewegten und vielleicht auch der
außerordentliche Edelmut der zwei.
Ach, die Blumenfeetochter war ja so schön! gezeichnet. Wie
sie da im Profil unterm Rosenstock die Tiere heilt. Ich habe mich als Bub wohl
in dieses Bild verliebt (heute würde ich sagen: im Profil ein wenig wie eine
junge Phillipa Strache; die Haare jedoch goldener, voller und wallender. Und
viel, viel schöner!). Und am anderen Bild: wie sie sich demütig und züchtig und
um einen Kopf kleiner an den lieben, edlen Prinzen schmiegt! Und wie sie mit
dem Krüglein davoneilt! Von hinten und die Haare immer noch wunderschön! Der
Prinz hinterher; wobei: wenn ich das jetzt so anschaue: er reitet nicht, er
läuft nicht, er steht eigentlich ein wenig breitbeinig-deppert hinter einem
Baum und hebt seine rechte Hand wie zu einem „Hey!“
Jedenfalls war es um mich geschehen. Möglichst unbeobachtet
von meinen Eltern habe ich diese Seite betrachtet und betrachtet, immer und
immer wieder.
Ja und dann habe ich mir vorm Einschlafen wieder Geschichten
auszudenken begonnen, von dieser schönen Jungfrau und mich als ihren Prinzen,
mit vielen, vielen Hindernissen – die Erfüllungsmomente habe mehr und mehr
hinausgezögert, schon mehr selbstzerfleischende Tragödien von Aufopferung und
Verkannt-Werden, als Sehnsuchtserfüllung – und mit meiner Gedankendisziplin war
es vorbei.
(18.6.2020)
©Peter Alois Rumpf, Juni 2020
peteraloisrumpf@gmail.com