Modigliani bloß durchlaufen. Ich werde nicht wirklich warm.
Neue Entdeckung: Maurice de Vlaminck, Die Seine bei Chatou: frisch, froh,
farbig, bunt und schön. Manguins Akt: ich schau immer noch gern auf diesen
schönen Weiberarsch und lasse den Garten herum sich auflösen. Vuillards Blaues
Zimmer: die Realität wird zur Wirklichkeit gewirbelt. Und wie immer die erste
Rast bei der Werefkin sitzend; da bin ich immer hin und weg. Das Tier, das
durch den Wald schleicht; die Männer, die im nächtlichen Sturm im Café
Unterschlupf suchen. Das Tier ist freier. Ich drehe mich auf der Sitzbank zu
Jawlenskys Bunten Berg bei Oberstdorf um. Eine Reise in die stillere Vergangenheit
ohne jede hässliche Sportsendungsästhetik.
Die futbuschigen Frauen vom Kirchner. Gut, trotzdem wandere
ich an seinen Bilder ohne Stopp vorbei. Raste wieder ein bisserl bei Munchs
Winterlandschaft am Meer, aber ich schiele schon zu Kokoschkas London im
nächsten Saal.
Bei Kokoschkas London und Kokoschkas Dresden gibt es keine
Sitzbank mehr! Ich bin empört! Dort zu rasten und zu schauen war immer das
Herzstück meiner albertinischen Pilgerreise! Streife beim Verlassen des Saales
die Damen Boeckls nicht ohne Vergnügen.
Sitze jetzt beim depperten stehenden Kardinal und betrachte
meine Gestalt im Spiegel (wie das Mädchen der Aufsicht, das sich die Haare
richtet und jetzt ans Fenster neben mir tritt und hinausschaut. Nun redet sie
mit einem hüftgeknickten Aufsichtsburschen. Ich stecke mir zum Selbstschutz die
musikalischen Ohrenstöpsel rein (Omar-Rodrguez-Lopez-Group). Ich werde
weitergehen; das wird heute ein schneller Durchmarsch.
Streife den verehrten Klee im Abgang. Der nächste Saal
bietet mir zwei Dinge: eine Betrachtungssitzbank und den lieben, lieben
Arbeiter von Marie Luise von Motesiczky (das ist die, die mich im Bett von der
Wand durch ihren kleinen Tischspiegel anschaut und einen schönen Mund hat). Aus
der Nähe zerbröselt der Arbeiter ein wenig. Ich gleite an den zwei kleinen
Chagalls vorbei und ignoriere den Picasso. Und liebe im nächsten Saal die vier
schönen schlanken Frauen von Giacometti und deren Schatten (dass mir
durchaus feste Frauen gefallen können, hat
damit nichts zu tun). Oh diese Schatten! (Ich sollte mal in leichtem, sanftem Delirium hier durchgehen). Und Giacomettis düstere (?) Landschaft 1952 fesselt
mich immer wieder. Von weitem ein schneller Blick auf Max Ernsts „Silence“.
Nächster Saal: wieder Picassoignoration und raus!
Von Weilers Batliner verabschiede ich mich so, wie ich ihn
begrüßt habe: mit schwach militärischem Gruß!
Soll ich bei den Sphinxen rasten? Nein, ich will – obwohl
schon hungrig – noch Notizbücher kaufen.
Über die laut rauschende Rolltreppe fahre ich in den Keller
zu Martin Noël. Doch. Gefällt mir. Kannte ihn nicht. Gefällt mir vor allem nach
den bedeutungsfanatischen und geheimnisschwanger-überkandidelten Sphinxen. Fast
nur „Mauersprünge“ und „Holzwurmfraßkanäle“ - wie ich einmal sagen würde – wie
erholsam! Auch der farbenfrohe Marxismus-Leninismus - oder wofür immer das
Kürzel „M.L.“ halt steht! Oh wie erholsam ist diese schlichte Graphik für Auge
und Seele, sie genießen es. Die Ottos & Co gefallen mir weniger, die sind
mir schon zu glatt. Die Schlichtheit ist schon zum bedeutungserheischenden
Prinzip geworden. (heißt „Otto“ ohne Titel?).
Den Warholič mag ich einfach nicht, und das meiste dahinter
auch nicht, außer Cecily Brown, und eventuell Katharina Grosse. Sully geht auch
(für mich! Ich rede immer nur für mich. Ich bin weit davon entfernt, mir eine
objektive Einordnung der Kunstwerke anzumaßen! (Vielleicht auch gar nicht so
weit)). Ebenso: die Liliane Tomasko kann ich vertragen.
Naja, und Nitsch ist halt Nitsch! Ein
wagnerianisch-kitschiger „Vollzugswichtigtuer“ (Wolfgang D. Affenarsch), dessen
bildlichen Ergebnisse man manchmal ein bisserl anzuschauen aushalten kann.
(21.12.2021)
©Peter Alois Rumpf Dezember 2021
peteraloisrumpf@gmail.com