Heute habe ich den Weg zur Albertina mit der Straßenbahn
zurückgelegt, bin beim Burggarten ausgestiegen, habe den durchquert und an der
Stelle, an der einmal fast ein Wunder geschehen ist, gelächelt, bin zur
Albertina hinten die Stiege rauf und nach Durchquerung der Eingangskontrolle
kurz ratlos dagestanden mit der Frage, wo ich denn heute mit meinem Rundgang
beginnen könnte, und bin dann zielstrebig in den Bereich marschiert, der mich
immer etwas nervös macht – weiß der Teufel, warum – und so sitze ich nun im
zweiten Raum der Hahnlos-Sammlung und betrachte ein Bild von Cézanne und die alte Bekannte,
die dunkle Bretonin von Gaughin.
Was bremst hier meine Euphorie? Das Viollette, das ich als
Farbe nicht so mag, aber mit der originalen Hängung der Bilder zu tun hat?
Ich kann zwar dem Häuschen in der Provence nicht widerstehen
und will es auch gar nicht; die sommerliche Hitze ist spürbar.
Ich drehe mich um zu den leichten Aquarellen von Cézanne, die mir plötzlich wie
Vorläufer zu Weiler vorkommen – kunstgeschichtlich wohl etwas verquer, oder? -
und gehe dann weiter.
Nun hocke ich mit den zwei Nackten bei Manguin und Matisse
und gehe schon wieder weiter, obwohl ich Nackerte und schattenspendende Gärten
und den Mittagsschlaf sooo gern habe.
Jetzt stehe ich vor Marguets Notre Dame und suche Erinnerung
und Wiedererkennen aus meiner wahrlich, wahrlich verrückten Pariser Zeit.
Zwei Redons nehmen mich noch kurz gefangen und sogar der
gezeichnete Kleiderfaltenwurf – aber nur der! - auf einem Toulouse-Lautrec.
Beim Vallotton schaue ich die bekannten und unbekannten
Nackten an (vorallem), aber einige gehen mir nicht so recht auf (wo ich
Nackerte doch sooo gern habe!) - ob es an der Malweise liegt? An den Frauen? An
mir? Dafür beschäftigt mich sein Karren mit der wesenhaften Hecke.
Die Lithographien und Bilder von Vuillard und Bonnard sind
mir wieder zugänglicher. Malweise und Farbauftrag kommen mir und meinem
Subjektivismus entgegen (ich schreibe ja keine objektiven Abhandlungen über
Kunstwerke, sondern immer nur über mich selbst).
Sogar vom Hodler gefallen mir sein Wetterhorn
außerordentlich und auch sein Jungfraumassiv, das mir wie eine riesige
Tempelanlage vorkommt – also beides Heilige Berge – für soetwas bin ich
anfällig.
Je länger ich das Wetterhorn anschaue, desto
außergewöhnlicher finde ich das Bild (die Zauberer dürften schon recht haben:
daß Kunstwerke Geistfänger sein können – aber ich erlaube meinem Geist gerne
diese Ausflüge – alles andere ist mir egal – man gönnt sich ja sonst nichts).
Die anderen Bilder von ihm – außer diesen zwei – lasse ich links und rechts
liegen respektive hängen. Diese zwei werde ich heute mitnehmen, an sie werde
ich mich erinnern.
Und immer und bei allen Bildern, die ich der Betrachtung
würdig finde, finde ich das Nähe-Distanz-Spiel so spannend: nah zum Bild, ein
paar Meter Abstand; mit, ohne Brille. Das ist so unglaublich!
In der Batliner-Sammlung bleibe ich als Erstes bei Vuillards
blauem Zimmer hängen (und denke dabei an das blaue Zimmer in Rettenschöss), als
Zweites bei der Werefkin (eigentlich Huber-Sammlung. Nein, meine Sammlung darf
nicht Rumpf-Sammlung oder Sammlung Rumpf heißen, sondern Sammlung
Sternenhimmel, ich bleibe dabei), dann drehe ich mich auf der Bank unelegant um
und schaue aus einiger Entfernung auf die zwei Jawlensky-Landschaften, durch
BesucherInnen und KnipserInnen ständig abgelenkt.
Meine Erholungsstation bei den zwei Städtebildern von
Kokoschka und zunehmend rutscht auch der Boeckl rechts (Bildnis M.B.) herein.
Jetzt merke ich schon meine Müdigkeit und aufkommende Unterzuckerung; der
Thöny, den ich eigentlich mag, kommt gegen die Kokoschkas und meine anhebende
Erschöpfung nicht auf. Es wird Zeit für den Nach-Hause-Weg.
Die Kokoschka-Himmel wären allein schon eine Reise wert, der
über London zum Beispiel ist ein Wahnsinn! Oder Elbe und Themse!
An meinem blauen Lieblings-Chagall und den Klees eile ich
flott vorbei, stelle entsetzt fest, daß Giacomettis Käfig fehlt und raste bei
den Sphinxen vorm wirklichen Aufbruch.
Ein Photo will ich noch machen: Hand am Bü der rechten
Sphinx.
Da jetzt gerade viele Leute durchgehen, kann ich das nicht
fotografieren. Wartend betrachte ich mich im Spiegel und stelle fest: ich sitze
wie ein armer Wicht da, angelehnt, den Kopf schief wie bettelnd – und jetzt
geht es!
Done. Will noch ein zweites Photo probieren.
Geht nicht. Es kommt mir einfach zu blöd vor. Ich geniere
mich!
(9.3.2020)
©Peter Alois Rumpf,
März 2020
peteraloisrumpf@gmail.com