Dienstag, 26. März 2019

1291 Ich warte auf nichts


Nach neun Stunden bin ich trotzdem noch nicht ausgeschlafen. Ich komme einfach nicht in den Wachzustand. Träume reißen mich zurück zu sich und kämpfe ich nicht ums Wachwerden – wusch – bin ich schon in den Schlaf abgeglitten. Ich sage mir permanent meine heutigen Vorhaben vor: wegen der Abfertigung anrufen! Aufs Sozialamt gehen, um wegen eines Kulturpasses anzufragen! Soda zur Reinigung der Abflußrohre bei Neubers Enkel besorgen! Äpfel, Rasierschaum und noch irgendwas einkaufen! Und wenn ich zum Schreibtisch hinüber schaue, liegt dort der Blutdruckmesser bereit. Den zu handhaben kommt mir in meinem Zustand jetzt wie ein unüberwindliches Hindernis vor, wie rasieren und anziehen und das Bereiten des Frühstücks. Die REM-Zeichnungen sollte ich auch bald anfangen und meine neuen Texte in den Computer tippen und auf die Schublade stellen.

Nein, es hilft nichts, meine Seele ist noch nicht fertig mit ihrer Erholung – sie hat in letzter Zeit viel zu verarbeiten. Ja, und schon ist die Trauer wieder da. Man kann sagen, ich habe so eine Art Liebeskummer. Sehr fragwürdig natürlich, wie immer bei mir.

Soll ich alles auf morgen verschieben und mir einen Tag Ruhe gönnen? Ich höre, daß es draußen regnet, ich bin froh, daß mein heimlicher Garten gegossen wird. Ich habe ihn um die Pflanzen der verbotenen Blumenkisterl erweitert. Ich betone: nicht die Pflanzen sind illegal, die Blumenkisterln waren es.

Ich bleibe liegen. Entschieden ist noch nichts. Vom Bücherregal blinkt ein Buchrücken herüber und zieht meinen Blick und meine Aufmerksamkeit auf sich. Dabei hasse ich es, wenn Bücher mit Leucht- und Glitzerschrift aufgepeppt werden; ich finde das infantil und den Lesenden und dem Lesen gegenüber unwürdig (ahh! Ich habe genug Aggression in mir; wie wärs dann mit auf! und: auf in den Lebenskampf!?).

Was für eine wohltuende Stille, für mich und meine müde, gepeinigte Seele. Das Surren hüllt mich aus Erbarmen und gnadenhalber ein.
Ich werde die Beine strecken und schauen, was kommt.

Die Katze legt sich auf mich und ich streichle ihr weiches Fell und nach einiger Zeit höre ich die Tageskinder die Stiegen herauf singen, jaulen und rufen und dann im Vorzimmer reden und ich entscheide mich, mich heute zu nichts zu zwingen. Ein enormer Druck fällt von mir ab und ich atme auf und fühle mich befreit.

Aber jetzt, jetzt bin ich soweit und für die Welt bereit.


Nein, war ich nicht. Ich war nicht für die Welt bereit. Zwar habe ich blutdruckmessen, anziehen, rasieren, frühstücken, zähneputzen und gebisseinsetzen problemlos geschafft, aber auf der Straße bin ich sinnlos, innerlich heftig und auch äußerlich ein wenig torkelnd herumgeirrt, orientierungslos (in gewissem Sinn), obwohl ich die zuständigen Ämter via Internet herausgesucht habe, gibt mir der Portier im Amtshaus eine ganz andere Auskunft. Für dorthin ist es zu spät. Ich will ja nur einen Kulturpass, damit ich in Museen billig oder gar gratis Bilder betrachten und herumsitzen und schreiben kann, nachdem die Kaffeehäuser in Hinkunft nur mehr als seltener Luxus leistbar sein werden – wenn alles so bleibt, wie es sich abzeichnet (Gut, jetzt sitze ich in einer U-Bahnstation, John Frusciantes Letur-Lefr und Funicular Intaglio Zone im Ohr – aus dem/der/dem/denen auch große, große Trauer und großer, großer Schmerz singen. Ein U-Bahn-Zug fährt ein, ich bleibe noch sitzen, drehe die Musik lauter, damit ich auch wirklich auf Tauchstation bin.)

Wobei in den Museen die Sitzbänke ohne Rückenlehnen sich als Problem herausstellen könnten. Ich habe sie ausgetestet und beim Schreiben – das Notizbuch auf dem Oberschenkel - sacke ich so zusammen, daß mir Rücken und Kreuz jedesmal zu schmerzen beginnen.

Jetzt setze ich mich in die U-Bahn. Nein, noch nicht. Ich mag nicht aufspringen und hinrennen. Meine große Sehnsucht ist ein ordentlicher Trip. Naja. Ich steige bei der Station Schottenring ein und finde mich erst wieder, als der Zug in die Station Stadtpark einfährt. Was dazwischen war, weiß ich nicht. Den Karlsplatz registriere ich. Ich reise zu Neubers Enkel.


Nacht. Das Getrampel irgendwo im Universum, nicht allzuweit entfernt von hier, beruhigt sich wieder. Fetzen zunächst digital transportierter Stimmen von unten. Rechts von mir luftschwingungs-transportiertes Schnurren. Nachdenklich und geistesabwesend streichle ich die Katze.

Ich will schlafen. Es war ein ereignisreicher und letztlich schöner Tag, geprägt von einer schönen, zufälligen, vom Universum geschickt eingefädelten (wenn ich nicht verspätet … etc.) Begegnung.

Ich kann durchatmen. Hier, in dieser Kammer bin ich wirklich zu Hause. Ich lasse mein Gedanken- und Gefühlsradar über den heutigen Tag und mein territoriales Rundherum gleiten, ob etwas Wichtiges übersehen wurde.

Die Gegenstände, die ich anschaue, bekommen eine weißliche, flüchtige Aura, nur so.

Jetzt kraule der Katze den Bauch.

Ich warte auf … nichts.










(25.3.2019)











©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1290 Ich liebe den Schauder der anderen Welt


Ich sitze vorm Feininger, kann mich jedoch jederzeit zu Braque oder Macke drehen, in den Ohren heißt es „good times, boys!“ Oder Jawlensky und andere. Ich ebenso auf Sonntagsausflug wie die am Bild gegenüber, nur anders. Schöne Grasflecken! Die vorbeidriftenden Körper gehören dazu und sind mir wurscht (ich gehöre nicht dazu). Der „Mann (?) mit Hut“ schaut genauso verzwickt drein wie ich. Ja, die Seele ist ein „weites Land“, das sehr beengt sein kann. Manchmal gleiten meine aufsaugenden Blicke von den Bildern herab zu den Körpern. Dieses grundlegende Gelb gefällt mir. Vom anderen Raum schaut ein nacktes Kirchnerweib herüber.

Die Signation beim Feininger links oben könnte auch eine Schar schlampiger Vögel sein. Die silbern glitzernden Schuhe, die kurz stehen bleiben und dann weiterwandern, treten in ungeklärte Beziehung zum Gelb des Bildes. Die Brücke erinnert mich sehr an das Viadukt der Hochquellenwasserleitung in Mödling (tja, man kann für seine Assoziationen nicht so viel dafür). Die Schuhe der blauen Dame – die einzigen Schuhe im Bild – treten auch deutlich hervor. Eine ältere Dame setzt sich so knapp rechts hinter mich, daß sie mir Rücken und Schulter berührt. Ein zurückgehaltener männlicher Bauch geht vorbei, auch sein Gesicht ist nicht ganz ausgestülpt und zeigt ebenfalls angespannte, kaum bewältigte Zurückhaltung.
Der geschminkte Blick der dicken Roten kommt mir auch ganz bekannt vor. Ich drehe mich zum Jawlensky. Zwei markante männliche Nasen schweben vorbei (wie die Nase eines Mannes, so sein Johannes?).

Feiningers Lokomotive hat für mich etwas Lächerliches, Zeitgefangenes. Nicht ihr Rauch, nicht der Himmel, nicht die Wiese, nicht die Gestalten. Die Faszination für diese Technik bleibt für mich nicht nachvollziehbar und hindert anscheinend auch den Künstler, diesen Gegenstand malerisch ordentlich „aufzulösen“ - wie es bei allem anderen so schön gelungen ist. Ich komme zum grüngesichtigen Blumenhutmädchen von Jawlensky (Im Ohr: „if you see me getting mighty, if you see me getting high, knock me down“; ich werde trotzdem den arroganten Satz über die Lokomotive nicht streichen). Manche vorbeigetragenen Ärsche müssen schon schwer zu transportieren sein (if you see me …).
Nun schaue ich zu den gelbsegeligen Booten von Macke und Gauguins Bretonin, mit ihrem schönen Schattengesicht.

Noldes Mondnacht zieht mich beinah hinein, und Munchs Winterlandschaft läßt mich außen vor (ja, ja, alles dreht sich um mich – ich bin das Zentrum der Welt – alles wurde nur für mich geschaffen!).

Bei Marie-Louise von Matesiczky werden im Sommerlicht die Bäume zu massiven Wesen, die Straße ziehend, leitend, verlockend, verführend und die Schatten darauf ausgreifend und lebendig. Die Telegraphenmasten schwanken diese Straße entlang. Wie ich es länger betrachte, schaudert mich (ich liebe den Schauder der anderen Welt).










(25.3.2019)












©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1289 Der Natur ist es wurscht


Im schmalen Lichtstreifen, der durch den Spalt in den Vorhängen aus der Nacht draußen hereinfällt, flieht der Schatten der unerleuchteten Deckenlampe wie in Panik und von ungeklärten Wesen gejagd davon, im Augenblick unbeweglich und erstarrt, im Totstellreflex, weil auf der Flucht ertappt.
Die Nacht herinnen ist dunkler. Die Nacht in mir ist finster, ganz finster, aber ich habe dazugelernt.

Hier im hellen Badezimmer, wo ich nun schreibe, beschäftigt mich ein undeutliches Hotelgeräusch, um meine innere Leere nicht wahrnehmen zu müssen. Schade, daß ich nicht im Finstern schreiben kann. „Stay openminded“ steht rechts neben mir auf dem Stoffsackerl mit dem Föhn, das da an der Wand hängt. Langsam klettere ich doch an den steilen, glatten Wänden aus dem Loch des Selbstmitleids heraus, aber noch steht es an der Kippe.

Nocheinmal: schade, daß ich nicht im Finstern schreiben kann.

Ich sitze wieder auf der kalten Loggia und Nachbilder von irgendwelchen Kreisen narren mich. Meine Musik jetzt ist der Morgengesang der Vögel und die – wenn man genau hinhört – eigenartigen Geräusche von einzelnen vorbeifahrenden Autos und dem ferneren Verkehrslärm. Unterlegt und bestätigt von den lauten, selbstbewußten Rufen der vielen Krähen, die immer näher zu kommen scheinen. Eine junge ruft eindringlich ganz nah, als wolle sie mir etwas mitteilen. Eine Botschaft des Universums oder der lebendigen Mutter Erde, wie ich sie immer erhoffe? Keine Ahnung, ich verstehe ja nichts!

Im Osten hinter dem schon noch und nicht mehr blinkendem Rotlicht der Hochhäuser wird es  bereits hell, während die Pappeln vor mir immer noch schwarz in den Himmel ragen. Nicht wenige von denen müssen es sich gefallen lassen, von Misteln ausgesaugt zu werden (müssen sie das wirklich?). Es könnt schon sein, daß auch ich so ein Räuber, ein Schmarotzer bin (der Natur scheint es wurscht zu sein, sonst hätte sie nicht solche Lebewesen hervorgebracht).

Wirklich, nicht nur die Geräusche der Automotoren, sondern auch die der Reifen auf dem Asphalt sind von unerwarteter Komplexität.

Mir wird kalt; ich gehe zurück ins Zimmer.





(24.3.2019)







©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1288 Wo bin ich?


Heute fühle ich mich am wohlsten, wenn mich die Dunkelheit einhüllt. Ich schäme mich. Und ich möchte im Verborgenen bleiben. Und es tut mir weh. Nur die Dunkelheit tut mir gut und still sein. Mein Hinterhaupt lehnt am Rahmen einer gestickten Bruegelschen Bauernhochzeit. In mir zieht sich alles zusammen – nur jetzt lockert ein tiefer Seufzer die Verkrampfung etwas. Es surrt, aber ich glaube nicht aus mir, sondern von irgendeiner Elektrik. Der über die Glühbirne gehängte Strohhut gibt einen veritablen Lampenschirm – keine schlechte Idee!
Freilich: mein Surren ist auch dabei, wenn ich nur genau hinlose, aber auch ein fremdes, auch wenn ich nicht genau hinlausche.
Fürs Schreiben brauche ich etwas Licht und so interessieren mich die Schatten. Ich weiß nicht, ob ich wirklich ein Peter Schlemihl bin, meine Schreibhand jedenfalls wirft einen Schatten rund um die Kugelschreiberspitze. In die Stille hinein dröhnt und donnert der Wasserkocher wie eine unglaublich lange dauernde Steinlawine und löst einen seichten Schock aus. Das kleine, quadratische rote Licht leuchtet verloren und vergeblich von der Bodenkante her, der Haarföhn dröhnt und surrt laut, aber einfallslos und simpel. Das Blinklicht des Rauchmelders leuchtet nur selten, ganz kurz und verstohlen auf, wird aber dennoch entdeckt.
Ich kehre wieder zu den stillen Schatten zurück. Ich greife zu einem Buch und lese den Titel, dann lege ich es wieder weg. Ich gehe nochmals in die Nacht hinaus.

Ich bin in die laute Nacht hinausgegangen und setze mir die Kapuze auf – so fühle ich mich geschützt. Die Schreie vom Prater herüber sind zwar verständlich, aber kommen mir völlig sinnlos vor.
Die Kutschen sind erstaunlich schnell unterwegs.
Rechts in meinem Gesichtsfeld zuckt, blinkt und tanzt das bunte Licht, links ist das Licht gelblich und stabiler.
Von den Sternen kann ich nur einen ausmachen; es ist Dunst und Feuchtigkeit in der Luft und an meiner Haut.
Manchmal sind es eigenartige Gedanken, die mich trösten, aber immerhin lösen sie einen tiefen Seufzer aus.

Ich habe mir meine Musik geholt, so sitzt es sich leichter im hysterischen Lärm der Nacht. Ich suche den blinkenden und den dunklen Horizont nach irgendeinem Zeichen oder nach einem Hinweis ab, die mir Orientierung geben könnten.
Ich starre ins blattlose Geäst der vielen Bäume, die sich schwarz gegen den dunklen, mit leichtem, schmutzigen Gelb übertünchten Himmel abheben.

Das Geblinke und die bunten, auf und ab laufenden und zuckenden Lichter sind weit genug weg, daß sie mir kein Grausen und keine sinnliche Überforderung auslösen. Außerdem kann ich meine Augen auch an der stillen, dunklen Seite meines Gesichtsfeldes weiden (dort stört nur ein penetrant heraufleuchtendes Baustellenschild, zusätzlich auf drei Seiten von schräg weiß-rot gestreiften Balken umgeben.

Ich stelle die Musik in meinen Ohren lauter („Death was made to fail“)

Das große, kaum erleuchtete Gebäude links könnte schon in einer ganz anderen Stadt der Welt stehen, oder in einer, die überhaupt nur über einen Traum zu erreichen ist.

Ich stelle die Musik in meinen Ohren wieder leiser.

Nun kann ich vier weitere Sterne ausnehmen, vielleicht die Casiopea. Zwei Fledermäuse huschen lautlos (für unsereins) vorbei.
Ich stehe auf und beuge mich über die Loggiabrüstung und sehe Capella mit ihrem Fuhrmann und den Aldebaran. Hinter der Hausecke kommt schon der Orion hervor und es ist für mich so, als träfe ich stille Freunde und Verwandte und mir wird leichter und es freut sich mein Herz.

Es wird frisch hier heraußen, aber ich will noch bei meinen Freunden bleiben. Der Orion scheint schon liegen zu gehen; trotzdem verstecken sich die armen Plejaden noch im Dunst.

Übrigens: der Mann am Nachmittag, der mit dem RedHotChiliPepper-T-Shirt war mein erster Retter heute. Danke! Möge die Macht mit dir sein!

Der leuchtende Autobus, der da unten um die Ecke fährt, taucht wie eine Erscheinung aus der anderen Welt auf und verschwindet genau so wieder.

Manchmal meine ich, die Plejaden in der graupeligen gelblichen Dunkelheit ganz schwach erkennen zu können, aber sicher bin ich mir nicht.
Überhaupt nicht.

Die Schreie vom Prater interessieren mich überhaupt nicht mehr und kommen mir nur noch schäbig vor.










(23.3.2019)











©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1287 Pose


Ich weiß gar nichts. Was wie eine Pose, wie eine meiner typischen Selbsterniedrigungsspielchen klingt, war hier und jetzt, in Wirklichkeit eine echte, konkrete Erkenntnis; für ein paar Sekunden konnte ich sie halten, dann ist sie wieder im Sumpf meines inneren Monologs untergegangen. Darum werde ich nun die Innere Stille üben.








(21./22.3.2019)









©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 21. März 2019

1286 Ich niese heftig


Ich niese heftig, weil mir mit den nackten Armen kalt ist und ich mir meinen Körper im Bett noch nicht derwärmt habe.
Nacht nach Mitternacht, jedoch nicht wirklich müde.
Wenn ich im Inneren traurig bin, lacht oft etwas mit. Das paßt schon zusammen. Meine Trauer ist ja freundlich, zu mir und zu anderen. Aber wenn mir jemand in diesen Schmerz und diese Freundlichkeit tritt, …
Ich wechsle das Thema.

Nein, mehr noch: ich wechsle die Tätigkeit und die Realitäten: ich werde schlafen und träumen.









(20./21.3.2019)











©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1285 PeVauAh


PeVauAh – die zwei Ungarinnen sind wieder da. Und laut-elegisches Wagerlrollen – ja, das gibt es. Und laut-elegisches Getränkeautomat-Surren und Rumpeln.
Elegisch ist alles, weil ich so traurig bin. Ich blicke wieder auf den Himmel des Wandbildes, gestört von einem pfeifenden Handysignal im fast leeren Raum, das das sogenannte kecke Pfeifen eines hinter Frauen her pfeifendes Mannes – also eines Arschloches – nachmacht. Unangenehm und zum Kotzen.

Jetzt wieder die sanften, milden Farben des Wandbildhimmels. Ich warte, warte, warte uuund warte. Dabei werde ich mit Namen aufgerufen, hat es geheißen (die Kunden ja nicht verwöhnen; ich habe schon beim Telefonat der Hüterin der Schwelle gehört, wie meine Anfrage gesehen wird, „da mußt du halt runterkommen ...“ - die Arme! Muß herunterkommen und dem depperten Kunden erklären, warum seine Pension bloß vorläufig ist und jederzeit zurückgefordert werden kann, wie es im Bescheid steht. Und auch noch Auskunft geben, was noch „erhoben“ werden muß; vielleicht kann ich ja etwas aufklären. Mit den Betroffenen reden ist halt viel verlangt, gerade wenn es um so hohe Beträge wie 391,43 € im Monat geht. Jetzt kommt die Dame und ruft mich namentlich auf.)

Die Dame ist gekommen und meine Ängste und mein Mißtrauen sind recht schnell verflogen. Ich unterstelle nicht mehr, daß sie mich absichtlich warten lassen hat und verstehe den vorläufigen Bescheid als Entgegenkommen, weil ich sonst bis zum endgültigen Bescheid kein Geld hätte.

Ich brauche endlich, endlich eine ordentliche Therapie, damit ich nicht immer in meiner Traumatrance an die Wirklichkeit herangehe und meine Interessen vertreten, verteidigen und wahren kann.










(20.3.2019)













©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1284 Gut, ...


Gut, die Welt ist freundlicher zu mir, als ich es oft erwarte. Und vergessen tu ich auch viel (was für ein Deutsch!) (Ihr merkt schon, ich neige zu „einer gewissen“ Fröhlichkeit.) (Gut, ich bin ja Österreicher mit den zumindest im Osten bis zur Mitte des Landes obligatorischen und mir persönlich sehr willkommenen und sympathischen slawischen Genen.) (Genetisch nachgewiesen!)
(Und schon bin ich in einer internen Döbereiner-Diskussion zum Thema bajuwarischer Hochmut gegenüber dem Slawischen.) (Also: ich weise ihn zurecht und schimpfe mit ihm!) (Aufnimmerwiedersehen Herr D.)

Eine nette Szene mit mir als Mitverursacher im Cafe – wie glücklich es mich macht, zuvorkommend und freundlich zu sein. Mein Herz jubelt, mir kommen vor Freude und Begeisterung die Tränen (Gut, jetzt wird es fragwürdig!) (Auch da kommt mir wieder der bajuwarische Affenarsch in die Quere!) (Baba und foi nit!)

Alles, was wir hier machen, ist sub specie aeternitatis fragwürdig! Nur im Paradieszustand sind wir es nicht. Wer nicht in diesem Zustand ist, ist genauso fragwürdig wie der, den er deswegen kritisiert. (D verschwinde! Ich bin nur zu einer Begegnung bereit, wenn du hinter deinem Kordon von döbranitischen Betschwestern hervorkommst und bereit bist zuzuhören!) (Vade retro!) Oder wie „meine Seher“ sagen, wer nicht aus dem Nagual heraus lebt, kann nicht lauter in das Leben eines andern eingreifen, sondern darf ihn nur bestärken, wenn er ihm helfen will.

Ich werde versuchen, meine Fixiertheit aufzulösen und das Thema zu wechseln.

Sanfte, feinfühlige leise Musik aus den Lautsprechern. Vor mir sitzt die versammelte Opposition und ich bin aufgeregt. Bässe und Schlagzeug setzen ein, dann Gitarre und eine weibliche, trauernde Stimme und nehmen mich auf eine kleine Reise in die Abwesenheit mit.

Ich schlage das nächste Kapitel auf.

Heute habe ich viel geschafft. Nicht unbedingt von außen gesehen, sondern von innen (Gut, den Satz hätte ich mir ersparen können).

Funkstille.











(19.3.2019)













©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1283 Gleichzeitig


Ein freier Tag im Bett mit der Katze und einem dicken Buch. Doch allmählich meldet sich der Wunsch nach einem ordentlichen Frühstück.
Der Wunsch wird auf seine Erfüllung noch etwas warten müssen. Gleichzeitig meldet sich nämlich das Augenzufallen und will auch Wirklichkeit werden. Die sollen sich das untereinander ausmachen.








(18.3.2019)








©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1282 Katzenhaare


Ich zupfe die Katzenhaare von meinem Kugelschreiber und bin ansonsten normalisiert (Nein, nein, kein Meret-Oppenheim-Objekt, das ich zerlege). Ich lauere auf Wahrnehmung außen und innen und auch auf aus den Tiefen des Universums aufsteigende Ideen. Da sich nichts aufdrängt und nichts daherkommt, lausche ich der Minimalmusic meines Surrens, das dabei lauter, variantenreicher und breiter wird.

Der Wind des nächtlichen Wetterumschwungs gesellt sich noch hinzu.









(17./21.3.2019)








©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 17. März 2019

1281 Mau-Mau


Ein wengerl „Mau-Mau“ klettet an mir, aber trotzdem, oder gerade deswegen fühle ich mich ein wenig herausgehoben. Und fröhlich. Das Mau-Mau ist körperlich, nicht seelisch. Die Seele freut sich und neigt zum Lachen und Kichern.

Meine Hochsensibilität ist noch höher gefahren, aber schadet mir nicht. Ich gehe in einer sanften Wolke zu meinem geheimen Garten. Permanentes angenehmes Kribbeln auf der Haut, ernste Weichheit bei gleichzeitiger innerer Stärke und Kraft. Ich muß nicht, aber ich könnte es mit jedem aufnehmen – so mein Empfinden (mein innerer Kritiker lacht mich aus. Das darf er!). Ich wende mich wieder der Zeitung zu.

Wie mich das Surren regelrecht dynamisch umkreist und meine Haut meine Energiehülle (nehme ich an) spürt (oder ich sie an der Haut) finde ich großartig! So läßt sich's leben!
Wellen von etwas für mich noch Unbeschreiblichem gehen – wie es scheint – vom Nacken aus über die Schädeldecke nach vorn; eindeutig (hätte ich gesagt) nicht von dieser Welt.
Dabei bin ich einer der nüchternsten und rationalsten Menschen der Gegenwart! Wirklich! Die so als Naturwissenschaftsanbeter und Schmalspurrationalisten herumlaufen sind im Vergleich zu mir kleingläubige, ängstliche Biedermänner, ohne Visionen und Ahnungen, ohne irgendein anständiges Feuer in ihnen drinnen. (… gekürzt …) Nein, was jenseits von Rationalität und Tellerrand auftaucht, nüchtern und vorurteilsfrei zu untersuchen, darum geht’s! Nicht verleugnen!

Zum erstenmal sehe ich die Fransen des jahrelangen Tepp-ichs  - wunderschön strahlen sie vom Rand aus hingelegt in ihren wunderschönen lebensfrohen Farben.

(Der rote Traubensaft macht ziemlich schiffrig.)(Gruß an Schiffkowitz)

Ich höre die Geräusche nicht nur, sondern spüre sie auch als Zucken oder Ziehen oder Flashen an meiner Kopfhaut oder ein, zwei Zentimeter darüber; selbst die Geräusche, die so leise sind, daß ich sie kaum höre.

Die Opernsängerin von unten nervt mich mit ihrer Singerei, die mir momentan unangenehm ist und hoffnungslos überdreht vorkommt. Ich kann dem nichts abgewinnen.

Meine kleine Landschaft da oben wird so intensiv, so unglaublich schön.

Um meinen Kopf herum rückt immer wieder etwas gemeinsam mit dem Surren hin und her. Kurze Änderung der Tonhöhe zum Beispiel und gleichzeitig etwas Taktiles, aber ein, zwei Zentimeter über der Haut. Ich genieße das, ich finde es angenehm. Und interessant.











(16.3.2019)











©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1280 Der Heilige Petrus

Für ein, zwei Tage lasse ich die Pharmaindustrie nicht an meine Seele, dafür wende ich mich dem Heiligen Petrus zu. Diesmal gehe ich es ganz anders an: nicht verborgen, sondern offen; entspannt, langsam, ohne Erwartungen, ergebnisoffen. Ich habe schon mit beten begonnen, aber kurz und schmerzlos, ohne Gschisti-Gschasti (Mutter, schau oba!), halbwegs sorgfältig, jedoch nicht ritualistisch, und nach einem ordentlichen Frühstück.

Im Moment pausiere ich. Das Surren in den Ohren hat wieder abgenommen, nachdem es vorher hochgefahren ist hinsichtlich Lautstärke, Intensität, vielleicht auch Tonhöhe und Bandbreite. Als ich aus dem Fenster blicke, geht gerade ein weißhaarig glatzerter Herzinfarkt vorbei (nun, ich verwende probehalber mal die verächtliche, hochmütige Sprache der Mediziner; schaun wir, was sie literarisch bewirkt oder bringt).

Traurig liebe verglaste Augen und geschnuteter Mund drüben gegenüber. Von ihrem unmittelbaren Gegenüber sehe ich nur Hinterkopf, Jacke und Arschhängejean. Jetzt dreht er sich ins Profil: junger Bauch, aber lässig; nicht zu viel.

Ich geh nach Hause zur Kommunion.









(15.3.2019)










©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1279 Ich muß es tun


Ich muß es tun. Ich leg mich hin. Ich bin schon auch etwas müde, aber das ist nicht der Grund – schließlich schlafe ich ja zwölf Stunden – mit kurzen Unterbrechungen. Nein, es ist Überdrüssigkeit? Ratlosigkeit? Oder soll ich Überflüssigkeit schreiben?








(12./13.3.2019)









©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 12. März 2019

1278 Das Bild vom Hafen wird lebendig


Das Bild vom Hafen wird lebendig. Die Wolken bewegen sich zwar nicht, aber beginnen zu dräuen. Die Hafenstraße wird zu einer dünnen Nebelschicht und Boote und Wasser kreiseln. Das eine Haus knickt weg und am Himmel tut sich ein Wolkenloch auf, durch das bald etwas Unerwartetes, Machtvolles hereintreten wird.

Die Büste am Bücherregal hebt traurig den Kopf und versucht vergeblich, ihr Gesicht hochmütig zum Himmel zu strecken.
Die Stille schreit mir die Ohren voll, und die Augen haben sich müde und gläsern vernebelt. Ein leichtes Zittern begleitet den Atem, die Gegenstände rühren sich nicht.

Die Bücher in der Bücherwand verschmelzen zu einem Gebilde und senden so kleine Energiewölkchen aus, die später eher zu Abstrahlungen und leuchtender werden.

Sonst gibt es nichts zu sagen.



Ein wahrer Albtraum, in dem ich Tacheles geredet habe und Kriminellen die Stirn geboten, läßt mich zitternd vor Angst und mit einem Klotz im Bauch wieder aufwachen.









(12.3.2019)












©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 11. März 2019

1277 Mit den Rufen einer Taube


Sanft aus einem Traum herausgeglitten liege ich in Stille da und vergewissere mich langsam und friedlich der Wirklichkeit. Und es stellt sich Erleichterung ein, denn ich finde es hier besser als dort. Die Morgendämmerung zwängt sich lautlos und gelassen durch den Spalt zwischen Rollo und Wandnische herein und zeigt mir dort ihr mildes, weiches, schönes, blaues Licht.

In meinem Kopf rauscht es fast geräuschlos, aber ohrenbetäubend dahin, von einem tiefen Atemzug nur kurz ein klein wenig gebremst.

Die Bilder, die kommen, lasse ich alle ohne Geräusche und ohne auch emotionale Kommentierung wieder in ihren Abgrund zurücksinken.
Meinem Wachsein hier hängt keine Fragwürdigkeit an, überhaupt nicht.

Die tiefen Atemzüge, die sich ganz von selbst von Zeit zu Zeit ergeben, senden einen stillen, unauffälligen Optimismus aus. In meiner Gleitarbeitszeit zwischen Wachen, Träumen und Schlafen scheinen nun die letzten zwei wieder Oberhand zu bekommen.

Mit den Rufen einer Taube beginnen unten die Morgengeräusche des beginnenden Arbeitstages und für mich heißt das, mich ruhig und widerstandslos wieder in den Schlaf fallen zu lassen.









(11.3.2019)












©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1276 Hinter dem Rosenberg


Das Schöne, wenn man kein Geld mehr hat, ist, daß man eingeladen werden kann. Während meine liebe Frau auf einem Kongress ist, habe ich „Damenprogramm“ gemacht und sitze jetzt im Cafe Fotter in Graz vor einem wunderschönen Cappuccino, mit einer Hemmung, den zu trinken, weil die Milchschaumblüte, die so realistisch bezaubernd auf dem Kaffee schwimmt, zu schade zur Vernichtung ist. Dann trinke ich doch und stelle fest: so schnell wird die gar nicht kaputt.

Ich bin schon viel herumgerannt, zuerst den Rosenberg hinauf und weiter und wieder herunter, meinen alten Weg zur Uni rekonstruierend, denn ich habe meinen Wohnplatz gesucht, wo ich vor 46/47 Jahren meinen ersten Grazer Aufenthalt genommen habe. Die Erinnerungen sind neben mir gegangen und die Gefühle der großen Erwartungen und Hoffnungen des Studienbeginns haben aus der Vergangenheit hergeweht. Eine ganze, neue Welt schien sich damals zu öffnen, aber dann hatte ich den Weg verloren.
Nostalgie ist es nicht, weil da viel zu viel zu beschönigen wäre – keine Nostalgie ohne Lüge – aber an die Aufbruchsstimmung erinnere ich mich gern. Ich weiß aber auch noch von der Einsamkeit, Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit damals, von der Überforderung und dem Nicht-zu-recht-Kommen. Daß mir beim Erinnern an die Zeit hier viel Peinliches einfällt, wird meine Leserinnen nicht verwundern.
Auf meinem T-Shirt steht: „Ich bin gerade in einem Gespräch“; in einem Monolog wäre angemessener.

Den Weg den Rosenberg hinauf – Löwenzahn sprießt schon zwischen Asphalt und Zäunen - und weiter durch die grünen Siedlungen habe ich relativ schnell gefunden und mich auch an die Gassennamen erinnert, aber beim Saumweg bin ich angestanden: da war damals kein so großer Wald und wo war die Abzweigung? Damals noch ein Schotterweg. Lange habe ich gesucht, bin hin und her gelaufen, bis ich endlich das Haus gefunden habe: „Unbefugten Zutritt verboten!“ und „Achtung vor dem bissigen Hund!“ - das war damals noch nicht. Nun, befugt bin ich nicht, also bin ich umgedreht und wieder hinuntergegangen.

Jetzt sitze ich im Stadtpark, an der Stelle, wo das ansonsten ruhige Wasser des Burggrabens vom höheren Niveau des Beckens B über eine flache Schräge zum niedrigeren Niveau des Beckens A hinunterrinnt. Enten, Spatzen, eine Nebelkrähe. Vor mir zwei steinerne halbnackte Knaben, dem linken fehlt der rechte Arm. Links steht ein antik bekleidetes, steinernes Weib mit einem Buch in der Linken, auf das sie mit der Rechten zeigt. Von rechts oben schaut die Liesl herunter. Das erfrischende Plätschern des Wassers kommt stellenweise gegen den herrlichen John Frusciante durch.

Die Enten schwimmen im Becken, die Spatzen baden in einem seichten Seitenarm. Ungefähr im Rücken habe ich das Forum Stadtpark, von dem ich mir literarischen Rückenwind erhoffe (wie ich das mache: typisch narzisstischer Opfertypus).
Ich wandere weiter.

Vergessen zu photographieren habe ich den Stadtparkweg mit den verschiedenfarbigen Steinchen, in schlichten Mustern geordnet in die nackte Erde gedrückt.

Am Hauptplatz mit dem Hintern auf dem Brunnensockel, die Sonne im Rücken, schräg vor mir die Weikharduhr (ohne Verabredung) schaue ich den vorbeiflutenden Menschenströmen zu, während der Brunnen hinter mir sich noch in der Winterpause befindet. Ich denke nicht viel, auch meine Bewerterei ist reduziert. Wie so oft ziemlich zusammengekrümmt, Beine und Rücken schmerzen, aber nicht allzu arg.
Im Gedärm rumort es. Die Musik habe ich gewechselt: von John Frusciante auf RHCP.

„Guter Mann! - Guter Bart!“ sagt ein Mann im Vorbeigehen zu mir und lacht und macht den gestreckten Daumen und lacht. Ich hocke auf einem Mäuerchen beim Paulustor und muß „Bitte?“ sagen, damit er seinen Satz wiederholt, damit ich ihn verstehe. Er lacht nochmals dabei und ich weiß nicht, meint er es so oder will er mich verarschen. Aber natürlich lache ich auch!










(9.3.2019)










©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 7. März 2019

1275 Die Hausmauer


Gespiegelte Sonnenlichtflecken gegenüber an der Hausmauer, gemeinsam mit Trauer. Ich weiß, immer das Gleiche, aber halte ich inne und lausche, fühle, taste nach innen, kommt das zum Vorschein.
Wir müssen das nicht überbewerten; solange ich darüber schreiben kann, komme ich zurecht.

In den gespiegelten Sonnenlichtflecken glitzern die Sandkörner im Verputz. Das ist wunderschön; dieses Glitzern ist aufregend! Es braucht – wie es ausschaut – nicht viel Licht zum Aufleuchten, denn es glitzert auch im Halbschatten um die Lichtflecken herum.

Wenn ich länger hinschaue, verblüfft mich auch die reliefartig gewellte Oberfläche des zunächst fad erscheinenden Verputzes, die so ein spannendes Hell-Dunkel-Spiel und eine interessante graphische Struktur erschafft.

Das herrliche Glitzern wandert die Wand immer höher hinauf und unten kommen neue Lichtflecken herein.
Jetzt bilde ich mir ein, auch im tiefen Schatten eine glitzernde Stelle gefunden zu haben, aber da werde ich mich wohl irren.
An einer Stelle sitzt das Glitzern wie eine Krone auf einem Fenster; wenn auch etwas verrutscht, wie bei den Zaren der sowjetischen Märchenfilme.
Wie können die Lichtflecken höher steigen? Ach ja, die Sonne sinkt schon; es ist knapp nach Mittag.

Jetzt sitzen zwei Lichtkronen richtig über zwei Fenstern. Und gleich verrutschen sie wieder.

Nun habe ich einem glitzernden Sandkorn beim Verblaßen zugeschaut.


Doch! Jetzt kann ich auch das schwache Glitzern überall an der Wand sehen!








(7.3.2019)










©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1274 Zwölfuhrzwanzig mitteleuropäische Normalzeit


Telefonisch aus Schlaf und Traum (toll!) gerissen. Jedoch: selber schuld. Man schläft nicht so lange. Ganz damisch hänge ich im Bett und ständig fallen mir die Augen zu. Weil ich sie mit Gewalt aufzureißen versuche, beginnen sie zu tränen und die Traumgeschichte verblaßt. Wie war das gerade noch? Ich verfüge über ein großes abschätziges, abwertendes Vokabular.
Mit der Katze muß ich reden; ich habe sie mit einer stürmischen Bewegung unabsichtlich verjagt.


Heute bin ich um 12:20 mitteleuropäische Normalzeit aufgestanden. Lange bin ich wach gelegen und habe mich von den erwarteten Morgenaktivitäten überfordert gefühlt: Blutdruck messen, rasieren, Gebiß einsetzen sind mir als unüberwindliche Hindernisse erschienen, die ich nicht bewältigen kann. Ebenso die Karaffe für den Tee hinuntertragen, Frühstück zubereiten, Zähne putzen plus Gebißreinigung, Medikamente einnehmen, Bescheidantrag für die Krankenkasse ausfüllen, kopieren und hinschicken (die reden sich leicht, die für alles Sekretärinnen/äre haben). Moment! Ich muß sparen. Ich bringe ihn persönlich hin (Jahreskarte!), dann brauche ich keine Briefmarke kaufen. Wäsche wird auch bald wieder anfallen, und dann muß ich noch entscheiden, ob ich in der Pension weiterarbeite und in welchem Ausmaß. Ganz schwere Entscheidung!

Alles keine Tätigkeiten, auf die ich mich freue. Meine Tageslichtblicke wie Cafebesuch – reduziert; Gutscheine für fünf Cappucchinos habe ich noch.

Und bei den ungeliebten Reisen zu Krankenkasse und Pensionsversicherung trickse ich mich mit RHCP im MP3 aus; so kann ich auch warten.

Grund zum Klagen gibt es nicht. Existenz trotzdem gesichert. (Red' nicht so deppert!)








(6.3.2019)










©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1273 Gar nichts!


Meine rechte Hand ist unter dem Gewicht und unter der Wärme der Katze arretiert. Bald werde ich aufstehen.

Tankstellen sind für mich Orte des Schreckens; ich kann mir nicht vorstellen, mich auf einer Tankstelle wohl zu fühlen. Ich erlebe Autos bedrohlich; sie sind gepanzert, ich nicht.

Der Himmel ist schöner, zarter als die Erde und hat leichtere Farben. Darüber steht mit weißer Schrift und weißem Pfeil nach links im blauen Schild „Ausgang“. Ich zähle dreimal 33, dreimal 30 und zweimal 32. Ich sitze in keiner Tankstelle, sondern im Wartesaal der Pensionsversicherungsanstalt. Und der Himmel befindet sich auf einem großen Ölbild, das sich quer über die ganze Rückwand zieht. Das dauernde, nervige Ding-Dong der Nummernanzeige, wenn sich die aufgerufene Zahl ändert. Viel Aggression im Saal nehme ich wahr.

Auf meinem T-Shirt steht „Gar nichts!“ und so fühle ich mich.
Ich sitze in der Wartezone D; C wäre mir lieber. Angeblich werde ich sowieso mit Namen aufgerufen werden. Warum C? Castaneda, Christus. Wem bin ich unter D zugeordnet?
Immerhin habe ich die erste Barriere überwunden; die Dame am Schalter hat lange telefoniert und mich dann doch weitergelassen, mit der Auskunft: „Ganz hinten! Lang warten!“ Gut, das hätte ich mir denken können. Ding-Dong: nervend!

Die zwei Damen, die vor mir sitzen und warten sprechen ungarisch. Ein Gelächter, das mich mißtrauisch macht, kommt über die abschirmenden Glasbarrieren.
Menschen, vor allem Männer, die gehen, als wüßten sie, was sie wollen – und vermutlich wissen sie es auch. Es muß nicht immer etwas Gutes sein.

Jetzt bin ich in der Wartezone der Wiener Gebietskrankenkasse. Fast 50 Leute vor mir. Nervöse, gestreßte Stimmung im Raum. Die automatische Tür pfaucht ständig auf und zu, weil die Warteschlange bis zu ihr und ihrem Lichtschranken/Bewegungsmelder reicht.









(5.3.2019)







©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 4. März 2019

1272 Narziss und Heiratsschwindler


Gestern abend bin ich ungewöhnlich früh schlafen gegangen – geschockt über einen Artikel, den ich im Internet gelesen habe und der den toxischen und zerstörerischen Charakter von Narzissten anschaulich beschreibt. Das habe ich sofort auf mich bezogen. Lange bin ich ohne mich zu bewegen am Rücken gelegen und habe versucht, das abzuwägen und für mich zu klären.

Und heute bin ich erholt und entspannt aufgewacht. Ich hatte mir für heute zwei Sachen vorgenommen: beim zuständigen Bezirksgericht anzurufen, weil ich ihren Bescheid über meinen Einspruch gegen die Anschuldigung, ein – wie ich vermute – Heiratsschwindler  - oder sonst ein Betrüger zu sein, der einer Frau 18.000 € herausgelockt und nie zurückgezahlt hat, weil ich also die Antwort nicht verstehe. Es heißt darin einerseits „ruhend gestellt“ und andererseits werde ich zu einem Termin zur Festlegung der Ratenzahlung bestellt und irgendwo im Text heißt es auch „zur Exekution freigegeben“.
Und der zweite Vorsatz: zur Arbeiterkammer zu fahren um mich zu erkundigen, ob die Rückzahlungsforderung der Gebietskrankenkasse an mich in der Höhe von 1.060 € wirklich gerechtfertigt und korrekt ist.

Nichts von dem ist mir eingefallen, als ich aufgewacht bin. Ich bin friedlich und erholt dagelegen. Dann hat sich die Angst begonnen einzuschleichen. Zunächst habe ich nicht verstanden warum und ein Teil von mir konnte distanziert und beobachtend bleiben, während der andere, mehr körperliche und seelische Teil immer stärker von der Angst vereinnahmt wurde.
Da ist mir plötzlich mein AK-Plan eingefallen. Das war dann ein Quantensprung in der Steigerung der Angst. Ich fange zu zittern an, in meiner Körpermitte hängt ein schwer drückendes Angstkonglomerat.
Mein Geist, immer noch beobachtend, wundert sich: es ist kein Pflichttermin, ich kann ihn auch verschieben, die AK ist genau dafür da, es geht um eine mögliche Verbesserung meiner Situation, eine Verschlechterung ist wohl nicht möglich. Was macht mir so Angst davor? Weil ich für mich und meine Interessen eintreten will? Macht mir das diese Angst? Leicht möglich. Oder ist es bloß, weil ich mir nun wieder meiner prekären Lage bewußt geworden bin?

Dann erst fällt mir die „Heiratsschwindler“sache ein und da explodiert die Angst in mir und ich kann nur mit großer Selbstbeherrschung einen Absturz in die reine Panik verhindern. Bevor ich mich vor Angst ganz in Embryohaltung in mich verkrümme, zwinge ich mich, mich aufzusetzen und das Ganze niederzuschreiben. Das hilft, wieder ein wenig Oberhand zu gewinnen und mich etwas zu beruhigen, während weiterhin die nackte Angst in meinen Eingeweiden vibriert.









(4.3.2019)













©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 3. März 2019

1271 Die Innsbrucker Unterhosen oder ein schöner Sonntagmorgen


Der große Eßtisch mit dem Wasserkrug, dem Teewärmer, die Kerzen und die Blätter der daneben wachsenden Pflanzen, wie ich sie vom großen Bett aus sehe, vergrößern sich und rücken näher, ohne sich zu bewegen.

Meine Innsbrucker Unterhosen – ein Notkauf, nachdem mir in Salzburg im Zug mein Rucksack gestohlen worden war – sind meine liebsten geworden und beginnen nun schon zu zerfallen. Aber ich werde sie in Treue und Anhänglichkeit weiter tragen, bis sie mir vom Leib fallen und die Röhrln der Jeans hinunterrutschen werden.

Die glasierten Tonplatten des Badezimmerbodens glänzen im Licht, aber entgegen meinen Erwartungen rühren sie sich nicht und auch die rorschachschen Muster geben heute nichts her.

Ich bin glücklich, weil ich mir vorhin noch im Bett meinen baldigen Reichtum ausgemalt habe und für Mein Großes Fest – ihr wißt schon: das, wo alle nach meiner Lieblingsmusik tanzen werden – die ersten Planungen und Entscheidungen getroffen habe.

Ich starre nochmals zum Fußboden, mein übliches Spiel jedoch funktioniert nicht. Es ist Sonntagmorgen gegen Mittag hin; die Katze hat mir auf den Boden des als Ergotherapieraum mehr oder weniger genutzten Vorzimmers zu meiner Klause geschissen und meine Frau – nachdem sie früh aufgestanden und mit dem Rad zum Yoga gefahren ist, Zeitungen heimgebracht, uns Kaffee gemacht und mir – der ich gestern bis heute früh um halbzwei Uhr schöne Reaktionen auf meine Postings erheischend im Internet herumgesurft habe und bis da meine angebliche Erschöpfung zelebrierend vor mich hin beziehungsweise in mich hinein geschlafen habe – und ihr selber im Bett serviert hat – bereitet das Frühstück, während ich hier am Klo sitze und schreibe. I know, fragwürdige Arbeitsteilung, aber noch ist nicht der achte März. Dafür unterhalte ich sie mit Geschichten und sie lacht gerne. Zu meiner Verteidigung muß ich sagen: ich wollte noch gar nicht frühstücken (werde dann aber ordentlich zulangen); bei meinen auch nicht ganz drogenfreien Erzählungen (man soll den Kaffee nicht unterschätzen!) unachtsam geworden, ist sie mir aus dem Kuschelmodus entfleucht und aufgestanden – ich hatte mich gerade in meine LSD-Pläne hineingesteigert und bin abgehoben.







(3.3.2019)









©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 1. März 2019

1270 Gedenkminute


Die fröhlichen Rufe der Kinder kommen die Stiegen herauf. Jetzt klopfen die Kleinen schon mit ihren Schuhen gegen das Holz ihrer Sitzbank – klopf auf Holz! unberufen! - und richten so ihr Schicksal zurecht.
Ahhh! Gib nicht so an! Was weißt du schon über die Schicksalsmechanik! - falls es sie überhaupt gibt.

Eine Tür im Lichtschacht schlägt von Wind, Zugluft oder Heiligem Geist bewegt aufgeregt mehrmals gegen Wand oder Türpfosten und ich weiß nicht, ist das Zustimmung, Ablehnung oder Zufall, daß die Tür zufällt.

Meine geistig-sprachliche Morgengymnastik hat sich im Kreis gedreht, darum steh ich jetzt an. Es kann jedoch auch ein offenes Fenster im Dachboden sein, das jetzt wieder dreimal zuschlägt. Wir sind also höher oben – doch nicht einfach im Kreis, sondern in einer Spirale haben wir uns gedreht.

Jetzt möchte ich langsam zum eigentlichen Thema kommen, aber was ist es? Anscheinend habe ich gar nichts zu sagen und meine Schreiberei ist bloß leere Spielerei.

Übrigens: es ist tatsächlich ein Fenster am Dachboden, das immer wieder auf und zu schlägt. Ich habe es von meinem Fenster aus gesehen; es hat schon seine Scheibe zerbrochen. Kann es sich nicht schützen? Ist es selbstdestruktiv … „unterwegs“? - kann man schlecht sagen - Wind und Wetter ausgeliefert? Irgendein schlampiger Idiot oder ein arrogantes, gleichgültiges, rüpelhaftes Arschloch hat es aufgerissen und die Flügel nicht ordentlich fest gemacht. Jetzt ist es allen Unbillen des Wetters und des Weltgeschehens wehrlos ausgeliefert und das Fensterglas, das ja Sinn und Funktion eines Fensters ausmacht, ist zerbrochen. Schon sehr lange. Niemand kümmert sich um Reparatur und Therapie. Niemand schert sich darum.

Still ist es in diesem Moment mitten am Vormittag geworden. Eine Gedenkminute für das zerschlagene Fenster.









(1.3.2019)










©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com