Montag, 11. März 2019

1276 Hinter dem Rosenberg


Das Schöne, wenn man kein Geld mehr hat, ist, daß man eingeladen werden kann. Während meine liebe Frau auf einem Kongress ist, habe ich „Damenprogramm“ gemacht und sitze jetzt im Cafe Fotter in Graz vor einem wunderschönen Cappuccino, mit einer Hemmung, den zu trinken, weil die Milchschaumblüte, die so realistisch bezaubernd auf dem Kaffee schwimmt, zu schade zur Vernichtung ist. Dann trinke ich doch und stelle fest: so schnell wird die gar nicht kaputt.

Ich bin schon viel herumgerannt, zuerst den Rosenberg hinauf und weiter und wieder herunter, meinen alten Weg zur Uni rekonstruierend, denn ich habe meinen Wohnplatz gesucht, wo ich vor 46/47 Jahren meinen ersten Grazer Aufenthalt genommen habe. Die Erinnerungen sind neben mir gegangen und die Gefühle der großen Erwartungen und Hoffnungen des Studienbeginns haben aus der Vergangenheit hergeweht. Eine ganze, neue Welt schien sich damals zu öffnen, aber dann hatte ich den Weg verloren.
Nostalgie ist es nicht, weil da viel zu viel zu beschönigen wäre – keine Nostalgie ohne Lüge – aber an die Aufbruchsstimmung erinnere ich mich gern. Ich weiß aber auch noch von der Einsamkeit, Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit damals, von der Überforderung und dem Nicht-zu-recht-Kommen. Daß mir beim Erinnern an die Zeit hier viel Peinliches einfällt, wird meine Leserinnen nicht verwundern.
Auf meinem T-Shirt steht: „Ich bin gerade in einem Gespräch“; in einem Monolog wäre angemessener.

Den Weg den Rosenberg hinauf – Löwenzahn sprießt schon zwischen Asphalt und Zäunen - und weiter durch die grünen Siedlungen habe ich relativ schnell gefunden und mich auch an die Gassennamen erinnert, aber beim Saumweg bin ich angestanden: da war damals kein so großer Wald und wo war die Abzweigung? Damals noch ein Schotterweg. Lange habe ich gesucht, bin hin und her gelaufen, bis ich endlich das Haus gefunden habe: „Unbefugten Zutritt verboten!“ und „Achtung vor dem bissigen Hund!“ - das war damals noch nicht. Nun, befugt bin ich nicht, also bin ich umgedreht und wieder hinuntergegangen.

Jetzt sitze ich im Stadtpark, an der Stelle, wo das ansonsten ruhige Wasser des Burggrabens vom höheren Niveau des Beckens B über eine flache Schräge zum niedrigeren Niveau des Beckens A hinunterrinnt. Enten, Spatzen, eine Nebelkrähe. Vor mir zwei steinerne halbnackte Knaben, dem linken fehlt der rechte Arm. Links steht ein antik bekleidetes, steinernes Weib mit einem Buch in der Linken, auf das sie mit der Rechten zeigt. Von rechts oben schaut die Liesl herunter. Das erfrischende Plätschern des Wassers kommt stellenweise gegen den herrlichen John Frusciante durch.

Die Enten schwimmen im Becken, die Spatzen baden in einem seichten Seitenarm. Ungefähr im Rücken habe ich das Forum Stadtpark, von dem ich mir literarischen Rückenwind erhoffe (wie ich das mache: typisch narzisstischer Opfertypus).
Ich wandere weiter.

Vergessen zu photographieren habe ich den Stadtparkweg mit den verschiedenfarbigen Steinchen, in schlichten Mustern geordnet in die nackte Erde gedrückt.

Am Hauptplatz mit dem Hintern auf dem Brunnensockel, die Sonne im Rücken, schräg vor mir die Weikharduhr (ohne Verabredung) schaue ich den vorbeiflutenden Menschenströmen zu, während der Brunnen hinter mir sich noch in der Winterpause befindet. Ich denke nicht viel, auch meine Bewerterei ist reduziert. Wie so oft ziemlich zusammengekrümmt, Beine und Rücken schmerzen, aber nicht allzu arg.
Im Gedärm rumort es. Die Musik habe ich gewechselt: von John Frusciante auf RHCP.

„Guter Mann! - Guter Bart!“ sagt ein Mann im Vorbeigehen zu mir und lacht und macht den gestreckten Daumen und lacht. Ich hocke auf einem Mäuerchen beim Paulustor und muß „Bitte?“ sagen, damit er seinen Satz wiederholt, damit ich ihn verstehe. Er lacht nochmals dabei und ich weiß nicht, meint er es so oder will er mich verarschen. Aber natürlich lache ich auch!










(9.3.2019)










©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

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