1276 Hinter dem Rosenberg
Das Schöne, wenn man kein Geld mehr hat, ist, daß man
eingeladen werden kann. Während meine liebe Frau auf einem Kongress ist, habe
ich „Damenprogramm“ gemacht und sitze jetzt im Cafe Fotter in Graz vor einem
wunderschönen Cappuccino, mit einer Hemmung, den zu trinken, weil die
Milchschaumblüte, die so realistisch bezaubernd auf dem Kaffee schwimmt, zu
schade zur Vernichtung ist. Dann trinke ich doch und stelle fest: so schnell
wird die gar nicht kaputt.
Ich bin schon viel herumgerannt, zuerst den Rosenberg hinauf
und weiter und wieder herunter, meinen alten Weg zur Uni rekonstruierend, denn
ich habe meinen Wohnplatz gesucht, wo ich vor 46/47 Jahren meinen ersten Grazer
Aufenthalt genommen habe. Die Erinnerungen sind neben mir gegangen und die
Gefühle der großen Erwartungen und Hoffnungen des Studienbeginns haben aus der
Vergangenheit hergeweht. Eine ganze, neue Welt schien sich damals zu öffnen,
aber dann hatte ich den Weg verloren.
Nostalgie ist es nicht, weil da viel zu viel zu beschönigen
wäre – keine Nostalgie ohne Lüge – aber an die Aufbruchsstimmung erinnere ich
mich gern. Ich weiß aber auch noch von der Einsamkeit, Hilflosigkeit und
Orientierungslosigkeit damals, von der Überforderung und dem
Nicht-zu-recht-Kommen. Daß mir beim Erinnern an die Zeit hier viel Peinliches
einfällt, wird meine Leserinnen nicht verwundern.
Auf meinem T-Shirt steht: „Ich bin gerade in einem
Gespräch“; in einem Monolog wäre angemessener.
Den Weg den Rosenberg hinauf – Löwenzahn sprießt schon
zwischen Asphalt und Zäunen - und weiter durch die grünen Siedlungen habe ich
relativ schnell gefunden und mich auch an die Gassennamen erinnert, aber beim
Saumweg bin ich angestanden: da war damals kein so großer Wald und wo war die
Abzweigung? Damals noch ein Schotterweg. Lange habe ich gesucht, bin hin und
her gelaufen, bis ich endlich das Haus gefunden habe: „Unbefugten Zutritt
verboten!“ und „Achtung vor dem bissigen Hund!“ - das war damals noch nicht.
Nun, befugt bin ich nicht, also bin ich umgedreht und wieder hinuntergegangen.
Jetzt sitze ich im Stadtpark, an der Stelle, wo das
ansonsten ruhige Wasser des Burggrabens vom höheren Niveau des Beckens B über
eine flache Schräge zum niedrigeren Niveau des Beckens A hinunterrinnt. Enten,
Spatzen, eine Nebelkrähe. Vor mir zwei steinerne halbnackte Knaben, dem linken
fehlt der rechte Arm. Links steht ein antik bekleidetes, steinernes Weib mit
einem Buch in der Linken, auf das sie mit der Rechten zeigt. Von rechts oben
schaut die Liesl herunter. Das erfrischende Plätschern des Wassers kommt
stellenweise gegen den herrlichen John Frusciante durch.
Die Enten schwimmen im Becken, die Spatzen baden in einem
seichten Seitenarm. Ungefähr im Rücken habe ich das Forum Stadtpark, von dem
ich mir literarischen Rückenwind erhoffe (wie ich das mache: typisch
narzisstischer Opfertypus).
Ich wandere weiter.
Vergessen zu photographieren habe ich den Stadtparkweg mit
den verschiedenfarbigen Steinchen, in schlichten Mustern geordnet in die nackte
Erde gedrückt.
Am Hauptplatz mit dem Hintern auf dem Brunnensockel, die
Sonne im Rücken, schräg vor mir die Weikharduhr (ohne Verabredung) schaue ich
den vorbeiflutenden Menschenströmen zu, während der Brunnen hinter mir sich
noch in der Winterpause befindet. Ich denke nicht viel, auch meine Bewerterei
ist reduziert. Wie so oft ziemlich zusammengekrümmt, Beine und Rücken
schmerzen, aber nicht allzu arg.
Im Gedärm rumort es. Die Musik habe ich gewechselt: von John
Frusciante auf RHCP.
„Guter Mann! - Guter Bart!“ sagt ein Mann im Vorbeigehen zu
mir und lacht und macht den gestreckten Daumen und lacht. Ich hocke auf einem
Mäuerchen beim Paulustor und muß „Bitte?“ sagen, damit er seinen Satz
wiederholt, damit ich ihn verstehe. Er lacht nochmals dabei und ich weiß nicht,
meint er es so oder will er mich verarschen. Aber natürlich lache ich auch!
(9.3.2019)
©Peter Alois Rumpf März 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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