1289 Der Natur ist es wurscht
Im schmalen Lichtstreifen, der durch den Spalt in den
Vorhängen aus der Nacht draußen hereinfällt, flieht der Schatten der
unerleuchteten Deckenlampe wie in Panik und von ungeklärten Wesen gejagd davon,
im Augenblick unbeweglich und erstarrt, im Totstellreflex, weil auf der Flucht
ertappt.
Die Nacht herinnen ist dunkler. Die Nacht in mir ist
finster, ganz finster, aber ich habe dazugelernt.
Hier im hellen Badezimmer, wo ich nun schreibe, beschäftigt
mich ein undeutliches Hotelgeräusch, um meine innere Leere nicht wahrnehmen zu
müssen. Schade, daß ich nicht im Finstern schreiben kann. „Stay openminded“
steht rechts neben mir auf dem Stoffsackerl mit dem Föhn, das da an der Wand
hängt. Langsam klettere ich doch an den steilen, glatten Wänden aus dem Loch
des Selbstmitleids heraus, aber noch steht es an der Kippe.
Nocheinmal: schade, daß ich nicht im Finstern schreiben
kann.
Ich sitze wieder auf der kalten Loggia und Nachbilder von
irgendwelchen Kreisen narren mich. Meine Musik jetzt ist der Morgengesang der
Vögel und die – wenn man genau hinhört – eigenartigen Geräusche von einzelnen
vorbeifahrenden Autos und dem ferneren Verkehrslärm. Unterlegt und bestätigt
von den lauten, selbstbewußten Rufen der vielen Krähen, die immer näher zu
kommen scheinen. Eine junge ruft eindringlich ganz nah, als wolle sie mir etwas
mitteilen. Eine Botschaft des Universums oder der lebendigen Mutter Erde, wie
ich sie immer erhoffe? Keine Ahnung, ich verstehe ja nichts!
Im Osten hinter dem schon noch und nicht mehr blinkendem Rotlicht der Hochhäuser wird es
bereits hell, während die Pappeln vor mir immer noch schwarz in den
Himmel ragen. Nicht wenige von denen müssen es sich gefallen lassen, von
Misteln ausgesaugt zu werden (müssen sie das wirklich?). Es könnt schon sein,
daß auch ich so ein Räuber, ein Schmarotzer bin (der Natur scheint es wurscht
zu sein, sonst hätte sie nicht solche Lebewesen hervorgebracht).
Wirklich, nicht nur die Geräusche der Automotoren, sondern
auch die der Reifen auf dem Asphalt sind von unerwarteter Komplexität.
Mir wird kalt; ich gehe zurück ins Zimmer.
(24.3.2019)
©Peter Alois Rumpf März 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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