Dienstag, 26. März 2019

1290 Ich liebe den Schauder der anderen Welt


Ich sitze vorm Feininger, kann mich jedoch jederzeit zu Braque oder Macke drehen, in den Ohren heißt es „good times, boys!“ Oder Jawlensky und andere. Ich ebenso auf Sonntagsausflug wie die am Bild gegenüber, nur anders. Schöne Grasflecken! Die vorbeidriftenden Körper gehören dazu und sind mir wurscht (ich gehöre nicht dazu). Der „Mann (?) mit Hut“ schaut genauso verzwickt drein wie ich. Ja, die Seele ist ein „weites Land“, das sehr beengt sein kann. Manchmal gleiten meine aufsaugenden Blicke von den Bildern herab zu den Körpern. Dieses grundlegende Gelb gefällt mir. Vom anderen Raum schaut ein nacktes Kirchnerweib herüber.

Die Signation beim Feininger links oben könnte auch eine Schar schlampiger Vögel sein. Die silbern glitzernden Schuhe, die kurz stehen bleiben und dann weiterwandern, treten in ungeklärte Beziehung zum Gelb des Bildes. Die Brücke erinnert mich sehr an das Viadukt der Hochquellenwasserleitung in Mödling (tja, man kann für seine Assoziationen nicht so viel dafür). Die Schuhe der blauen Dame – die einzigen Schuhe im Bild – treten auch deutlich hervor. Eine ältere Dame setzt sich so knapp rechts hinter mich, daß sie mir Rücken und Schulter berührt. Ein zurückgehaltener männlicher Bauch geht vorbei, auch sein Gesicht ist nicht ganz ausgestülpt und zeigt ebenfalls angespannte, kaum bewältigte Zurückhaltung.
Der geschminkte Blick der dicken Roten kommt mir auch ganz bekannt vor. Ich drehe mich zum Jawlensky. Zwei markante männliche Nasen schweben vorbei (wie die Nase eines Mannes, so sein Johannes?).

Feiningers Lokomotive hat für mich etwas Lächerliches, Zeitgefangenes. Nicht ihr Rauch, nicht der Himmel, nicht die Wiese, nicht die Gestalten. Die Faszination für diese Technik bleibt für mich nicht nachvollziehbar und hindert anscheinend auch den Künstler, diesen Gegenstand malerisch ordentlich „aufzulösen“ - wie es bei allem anderen so schön gelungen ist. Ich komme zum grüngesichtigen Blumenhutmädchen von Jawlensky (Im Ohr: „if you see me getting mighty, if you see me getting high, knock me down“; ich werde trotzdem den arroganten Satz über die Lokomotive nicht streichen). Manche vorbeigetragenen Ärsche müssen schon schwer zu transportieren sein (if you see me …).
Nun schaue ich zu den gelbsegeligen Booten von Macke und Gauguins Bretonin, mit ihrem schönen Schattengesicht.

Noldes Mondnacht zieht mich beinah hinein, und Munchs Winterlandschaft läßt mich außen vor (ja, ja, alles dreht sich um mich – ich bin das Zentrum der Welt – alles wurde nur für mich geschaffen!).

Bei Marie-Louise von Matesiczky werden im Sommerlicht die Bäume zu massiven Wesen, die Straße ziehend, leitend, verlockend, verführend und die Schatten darauf ausgreifend und lebendig. Die Telegraphenmasten schwanken diese Straße entlang. Wie ich es länger betrachte, schaudert mich (ich liebe den Schauder der anderen Welt).










(25.3.2019)












©Peter Alois Rumpf  März 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

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