Freitag, 31. Januar 2025

3950 Ach und Oh

 



10:00 a.m.  Ach, die Sonne bescheint schon – zwar nur teilweise und ganz schräg – die südwestlichen Fassaden der nordöstlich stehenden Häuser. Der Himmel ist ganz hell und die zerfransten Wolken stören seine blaue Helligkeit (oder soll ich Heiligkeit schreiben?) nicht wirklich. Ich betrachte den kleinen Rosenweihrauchstock am Fensterbrett und beschließe, die welken Blätter abzuzupfen (done! am 31.1. P.R.) und überhaupt die Zimmerpflanzen zu gießen.

Oh, inzwischen ist der Himmel fast zur Gänze wolkenlos. Ein Flugzeug zieht seinen kurzen, unbeständigen Kondensstreifen vergeblich über das Himmelzelt. Zelt soll ich das lieber nicht nennen; es ist schon besser, wenn es wenigstens nach oben frei ist und ins Unendliche geht. Ich bin so müde, dass mir die Augen zuzufallen drohen, aber ich glaube, dass es nicht falsch ist, nicht im Bett zu hocken, sondern im Musikzimmer am ziemlich leeren Schreibtisch, und dabei aus dem Fenster zu schauen. Ich höre eine Taube gurren und eine Krähe schreien, Flugzeuglärm und moderaten Verkehrslärm. Aus einem Rauchfang kommt dünner Rauch, nach ein, zwei Metern ist er weg (möglicherweise geht es meiner Seele nach dem Tod auch so). Eine Krähe kommt in der Dachrinne eines gegenüber liegenden Hauses zu Fuß um die Ecke und fliegt dann schnell weg. Eine Taube kommt hinter einem Rauchfang hervorgeflogen und segelt in einer eleganten Kurve ab. Existieren meine zwei Bilder Selbstporträt als Indianer und Selbstporträt nicht als Indianer noch? Ich habe damit vor Jahrzehnten meine Therapie bezahlt, aber die Therapeutin ist schon längst tot und wo sind die Bilder verblieben? Lagern sie in einem Dachboden? Hängen sie in einem Zimmer? Wurden sie weggeworfen? Ich weiß es nicht. Und Der fallende Turm? Das Bild habe ich jemandem verkauft, der es seiner Freundin als Geschenk überlassen hat, von der er aber schon seit Jahrzehnten getrennt ist und ich habe keine Ahnung, wo das Bild jetzt ist und ob es nicht schon längst zerfallen ist. Und meine kleine feine Bildreihe, die ich zu einem runden Geburtstag verschenkt habe? Hängen die noch oder sind sie schon verkommen? Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand und Alles Irdische ist vergänglich oder geht irgendwann verloren und wird vergessen (damit es kein Mißverständnis gibt: wenn meine Befürchtungen stimmen sollten: ich mache niemandem einen Vorwurf: in den frühen Neunzigerjahren habe ich alle meine Bilder, die noch bei mir lagerten, zerschnitten, verbrannt, zerstört). Profissimo Sicherheitszünder Groß liegen vor mir auf dem Schreibtisch für ein schönes Zuhause. Neben der Leuchtenden Sternenkarte für Einsteiger. Jedenfalls hoch hinaus.


(29./31.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 29. Januar 2025

3949 Am Gestade

 



14:04.  Ich raste am Gestade und weil auf der einen Seite die Bänke besetzt sind, sitze ich auf der anderen Seite mit Blick auf den Fünfzigerjahre-Bau und nicht auf die frühneuzeitlichen Häuser, die ich mag und die ich jetzt im Rücken habe. Das macht nichts, denn die drei Bäume vor der rationalen Fassade heben mit ihrem kahlen Geäst die krude Geometrie auf – im übrigen ist mir so ein spätneuzeitlicher Bau (Neuzeit: von 1367 bis 1967; W.D.) der klassischen Moderne allemal lieber als fast alles, was sich postmodern nennt. Ja ich raste hier am lieben Gestade, die Treppe zur Kirche hinauf berührt mich, als würde sie alte, verlorene Hoffnungen aufrufen. Ich schaue den Menschen zu, die da hinauf und hinunter gehen. Nur die Autos, die vorm Kirchenportal parken, stören. Aber die stören semper et ubique. Auch ein Presslufthammer muß irgendwo da oben arbeiten und lärmen. Trotzdem höre ich das Schlagen der Kirchturmuhr. Der – zurzeit – trockene Brunnen amüsiert mich immer, denn er ist einem betrügerischen Bader gewidmet, dessen Knechte des nachts potentielle Kunden über in der Finsternis ausgelegte Hindernisse stolpern ließen und gegebenenfalls dabei auch nachgeholfen haben und nach dem Unfall den meist betrunkenen Patienten zum Bader geschleppt haben, der diesem einen saftigen Preis für die Behandlung verrechnet hat (kann man sagen, dass das heute eleganter geht oder ist das falsch?).

Ich sollte weitergehen, aber ich sitze hier so schön, ich mag mich nicht aufraffen. Am Gesims eines Fensters im obersten Stock eines großen, sechsstöckigen Gebäudes turteln zwei Tauben; wobei es wohl richtiger wäre zu sagen, dass er sie ständig belästigt und sie immer zu fliehen versucht. (Im Großen und Ganzen vertraue ich schon auf eine assoziative und situative Logik hinter dem Rücken der Akteure respektive hier des Schreiberlings.)


(28.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3948 Breakfast d’anglais (2)

 



12:50. Nach einem fetten Breakfast d’anglais mit Speck, Pilzen, Spiegelei, Blunzen, Bohnen und Orangenmarmelade plus zwei Cappuccinos geht es mir besser. Ich sitze in meinem Lieblingscafé, die Musik ist recht angenehm, ich habe meinen Platz frei gefunden. Zwar habe ich gerade Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit des Personals so auf mich zu ziehen, dass ich meinen dritten Cappuccino bestellen kann, aber das macht nichts (denn es ist ja auch von Vorteil, wenn man lange unbehelligt bei seinem Kaffee sitzen kann) und hat vermutlich vor allem mit meinem schüchternen Getue zu tun. Ich könnte ja meine Stimme erheben, aber mache es nicht (wahrscheinlich erwartet er, dass die Leute ihm die Wünsche von den Augen ablesen und der Lebenskampf, dem alle ausgesetzt sind, für ihn nicht gilt – der innere Spötter). Nach mehrmaligem Rufen und anschließendem schon halbkräftigem Räuspern, um meine belegte Stimmer lauter zu machen, und einem weiteren Versuch, die Stimme laut und deutlich erschallen zu lassen – was alles vergeblich war – gelang es mir mit dem rechten erhobenen Zeigefinger meinen Cappuccino 3 zu ordern (Bilder sind stärker als Worte). Der wird wohl bald kommen. Mir jedoch kommt vor, die Kellnerin hat meine Bestellung vergessen, aber ein zufälliger Blick hat sie erinnert und jetzt macht sie sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. Die Kerze am Bord beim Spiegel drüben, in dem sich nur der dicke, dunkelrote Vorhang bei der Eingangstür, der der Wärmedämmung dient, spiegelt, flackert so berührend, dass ich beinah weinen muß. Kurz frage ich mich, ob diese Kerze mit dem typischen Wachswulst und einer durchgeschmolzenen Stelle gleich darunter, wo man einen Durchblick auf die Flamme erhaschen kann, ob diese Kerze wirklich echt ist oder ein superrealistisches elektrisches Fake. Nein, die muß echt sein! Da bin ich mir sicher. Nebenbei gesagt: mit meiner Schreiberei bin ich zurzeit gar nicht zufrieden: ich gehe im Kreis und sie wirkt nicht mehr stabilisierend auf meine Seele und rechtfertigt meine Existenz nicht mehr. Ich meine das so: bisher hat es genügt, einen in meinen Augen halbwegs gelungenen Text geschrieben zu haben, und mein Tag war „gut“. Ich hatte das Empfinden, mein Tagewerk vollbracht zu haben. Das funktioniert nicht mehr. Sonst habe ich aber, was den – wenn auch meistens nur imaginierten – Austausch mit der offiziellen Welt betrifft, nichts. Ein Baby drei Tische weiter schaut noch staunend um sich, denn es sieht noch Wunder; die Beschreibung der Welt hat noch nicht vollständig seine Wahrnehmung übernommen. Meine Zeit hier (im Lokal) neigt sich dem Ende zu; ich spüre, dass ich bald aufbrechen werde und meinen Weg nach Hause – ungerechtfertigt - antreten werde. Vorher werde ich noch einen Blick auf die Kerze beim Spiegel werfen, wenn mir niemand den Zugang verstellt. Der alternativ gestylte ältere, weißlanghaarige Mann mit junger Begleiterin, kleiner Dutt am Scheitel, perfekt Englisch sprechend, das Hemd über der Hose hängend, dominant und laut kritisierend, in einem Tonfall, als wäre er hier der Boss, aber beim Aufstehen – ich trau mich wetten – Kreuzschmerzen, der geht mir gehörig auf die Nerven (Neid? - der innere Spötter). Neid? Was weiß man schon über seine innersten Motive, aber ich glaube nicht, dass das Neid ist (Tja… - der innere Spötter). Wie auch immer: Zahlen wir und gehen wir. (Sagen wir so: ich möchte nicht der sein, aber mehr Souveränität und Resonanz könnte ich mir schon gönnen!)


(28.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3947 Was ist los?

 



10:02 a.m. Schon wieder in großer Angst aufgewacht. Ich habe fast den Eindruck, ich komme mit dem Leben zu Hause nicht zu recht. Dabei wollte ich gar nicht länger fort sein – das Hotelzimmer ist mir schon zu eng und zu ausdefiniert geworden. Mir ist auch körperlich leicht schlecht. Die gewöhnliche Routine scheint nicht mehr zu funktionieren. Neues fällt mir nicht ein. Dabei liebe ich das Improvisierte und Werkstatthafte an unserer Wohnung. Ich fühle mich jedoch seelisch gelähmt und habe Angst vorm Leben. Ich sehe nicht, was ich tun kann. Es ist keine Frage, dass ich diese Phase aushalte, aber ich wundere mich über den Zustand. Auch mein Zimmer, mein geliebtes Zimmer beruhigt mich nicht wirklich. Als fände ich nicht in mein altes Leben zurück, aber ein neues hat sich noch nicht entfaltet. Jedoch kann ich das nicht glauben, nur wegen dieses Ausflugs nach Graz ein solcher Lebenseinschnitt? Klingt nicht plausibel. Das war doch völlig undramatisch und nichts ist passiert. Ich zögere das Frühstück hinaus, obwohl ich mir vom Essen mehr innere Stabilität erwarte, aber ich will nicht hinuntergehen. Verdammt? Was ist los mit mir? (Föhnwetterlage? - der Tipper)


(28.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3946 Meine Müdigkeit

 



1:00 a.m. Wie fühlst du dich wieder zu Hause? Was sagt dein Verstand zur Fitnessinitiative? Was machen die Kaumuskeln? Warum arbeiten sie so leer? Wahnsinnig viel Staub schwebt durchs Zimmer (Abrieb des Bettzeugs). Das Ohrensurren heute ist fast orchestral. Die Photokopie meines kleinen schlampigen Bildchens des Auferstandenen, nach irgendeinem Klassiker gemalt, wirkt jetzt vor meinen müden Augen und mit der für diese Entfernung unpassende Lesebrille geradezu perfekt und viel glaubwürdiger als Kunstwerkchen. Zum ersten Mal sehe ich dieses Bild auf diese Weise und Gehirn und Optik spielen mir dabei einen Streich. So toll gemalt ist es in Wirklichkeit gar nicht und den aufregenden 3-D-Effekt beherrsche ich handwerklich nicht. Und mein Auferstandener hat sich verändert und scheint zu knien und Bäume und Gebüsch hoch zu überragen. Sein Kopf scheint auch verschoben worden zu sein, dadurch schaut er nicht frontal aus dem Bild, sondern zur Seite. Ich nehme die Brille ab und das Bild wird noch klarer und kompakter (und falscher). Meine Müdigkeit … ich weiß.


(28.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 27. Januar 2025

3945 Was weiß ich!

 




8:32 a.m.  Ich wache auf mit einer ungeheurer Angst in meiner Leibesmitte, die mich von innen auffrißt. Ich rühre mich nicht. Die Angst kommt aus der Körpermitte und lähmt alles. Mir stockt der Atem und denken kann ich auch nicht: jede Körperzelle scheint von dieser rasenden Angst befallen zu sein. Lebensangst? Todesangst? Existenzangst? Was weiß ich!


(27.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3944 Wahnsinnsmoment

 



Ich zitiere aus meinem Traumtagebuch: „26.1.2025; 3:41 a.m. Ich bin mit jüdischen Rabbis zusammen und die lesen einen oder lehren über einen Text aus der Bibel und da passiert es: ich bin mit Gott vereint. Ich verstehe es nicht nur, ich erlebe es. Und ich sage es. Kaum können sie es mir glauben, aber das macht mir nichts aus, denn ich habe es erlebt. Dass das auch die Erfüllung des Christentums ist, weiß ich, aber spreche es nicht aus, um niemanden zu verwirren. Es ist auch nicht nötig. Ein Wahnsinnsmoment! Alles ist klar, alles hat sich erfüllt. Ich habe es erfahren. Ich habe es erlebt. Dieses Glück spüre ich noch ins Aufwachen hinein. Auch dass das die Erfüllung der Verheißungen aus C.C. ist, muß ich nicht aussprechen, um niemanden zu verwirren.“

Nachdem ich das im Hotelbadezimmer notiert hatte, habe ich mich wieder ins Bett gelegt. Alles ist noch am richtigen Platz. Dass das „ich bin mit Gott vereint“ eine hilflose Umschreibung ist, macht auch nichts. Es läßt sich nicht ausdrücken. „Glück“ ist auch eine fragwürdige Bezeichnung („bei allen Aussagen über Gott ist die Unähnlichkeit größer als die Ähnlichkeit“ – ich glaube: IV. Laterankonzil 1215), denn es ist keine Euphorie da, nur die Gewissheit, das alles (auch bei mir) richtig ist. Eine erlebte, empfundene Gewissheit, keine bloß intellektuelle.

Während ich so im Bett liege, denke ich über den Traum nach, aber gerate nicht ins Grübeln. Szenen meines Lebens tauchen vor meinem inneren Auge auf, ich weiß nicht, warum gerade diese, eher peinliche Szenen, aber sie sind mir nicht mehr peinlich. Die Stimmung – gemeint ist die Stimmung wie bei einem Musikinstrument – hält. Ich überlege, ob ich aus dieser Stimmung wieder hinausfallen kann, aber ich mache mir darüber keine Sorgen.

Damit mein „Glück“ nicht falsch verstanden wird: das Kreuz tut mir ein wenig weh, wenn ich mich im Bett umdrehe – wie es bei mir üblich ist – aber so ist es eben; es löst keine negativen Gefühle aus. Ich bin müde und ich werde weiterschlafen, aber das beunruhigt mich auch nicht, wenn ich nicht einschlafen könnte.


(26.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3943 Hunde

 



10:32 a.m. Der Nebel hat sich auch auf den Abhang gelegt und die kahlen Bäume recken ihre nackten Äste und Zweige mit zeichnerischer Eleganz in die Dichte und Fülle des weißgrauen Raumes. Manchmal schleicht sich dort unten ein kaum sichtbares Auto verschämt vorbei. Es schämt sich zu Recht, mit seiner aufdringlichen Zweckgerichtetheit dieses magische Nebelreich zu gefährden. Zwei Stühle in der Wiese träumen von sonnigeren Tagen – vielleicht jedoch genießen sie auch die Auszeit. Wir wissen, ich liebe solche Leiten wie hier am Rosenhain; von oben lasse ich meinen Blick in den Nebel hinuntergleiten. Der steirische Kräutertee schmeckt recht gut (obwohl ich schon allergisch bin gegen solche lokalpatriotischen Bezeichnungen, denn was ist an Melisse, Kamille, Brombeerblättern, Silberlindenblüten, Pfefferminze, Süßholzwurzel, Hibiskus, Erdbeer speziell steirisch? Könnte auch eine Mischung aus NÖ, Burgenland, Böhmen oder Slowenien sein; vielleicht sogar aus Frankreich oder Schweden? Aber so gut kenn ich mich in der Flora verschiedener Regionen auch nicht aus. Aber gut!). Ein paar kitschige Fensterdekorationen verstellen mir teilweise den freien Blick aus den großzügigen Fenstern. Schemenhafte Gestalten wandern auf der Straße und auf den kleineren Wegen. In einem Baum entdecke ich gleich über der Hauptgabelung am unteren Rand der Krone ein X, das sich im Gezweig zufällig herausgebildet hat und im Fensterglas die Spiegelungen der – wie heißt das? - spiraligen Leuchtröhrchen in den Glühbirnen der Lokalbeleuchtung. Eine Gestalt steht fast unerkennbar neben und hinter einem Baum, bis sie sich – was ich erst im Nachhinein verstehe – wieder bewegt, weil der Hund mit seinem Geschäft fertig ist und weiter trottet.

Ich bin ja schon abgestumpft, aber zu viel Kitsch halte ich doch nicht aus, wenn die Tür zum Damenklo mit einem Foto eines Hündchens mit rosa Mascherl am Kopf gekennzeichnet ist, und die des Herrenklos mit einem eines Hundes mit blauer Krawatte und keckem Hütchen (und die Hunde waren einmal Wölfe!), nein, das halte ich kaum aus. Und diese Selbstverständlichkeit, mit der angenommen wird, dass diese Beschränktheit allgemein als lustig oder nett befunden werden muß. Ich fordere das gleiche Recht wie Hunde, im Freien an einen Baum pinkeln zu dürfen! Nichts wie weg! Ich will wieder hinaus in den Nebel!


(25.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3942 Hotelfenster

 



0:30 a.m.  Nur mehr wenige Autos fahren da unten auf der Ausfallstraße vorbei. Ich habe den Heizkörper abgedreht, denn ich kann nicht schlafen, wenn es im Zimmer so heiß ist. Ein paar beleuchtete Fenster gibt es noch drüben über der Mur. Die unbelaubten Uferbäume bilden mit ihrem Geäst vor den jenseitigen Straßenlaternen ein wirklich schönes graphisches Gestrüpp. Das Grau des benebelten Himmels ist heller als das des angeleuchteten Asphalts. Eine elektrische Werbetafel blättert sinnlos ihre Messages durch die Nacht, aber an manchen Stellen im Straßenlichtgeglitzer kann ich die Mur zwischen Dunkelheit und Dickicht fließen sehen. Die Striche und Zeichen der Straßenmarkierungen wirken von oben wie eine vom Morsealphabet beeinflußte archaische Schrift. Natürlich verstehe ich auch diese Botschaft nicht. Irgendwo am anderen Ufer – also genau genommen links in meinem Gesichtsfeld schon nahe bei der Mariahilfer Kirche - hinter einem Riesenfenster scheint ein Fernseher zu laufen (aber ist es ein Wohnzimmer? Oder ein Büro?), sicher bin ich mir nicht. Im toten Winkel unter mir fährt laut und lärmend die Müllabfuhr oder eine Straßenreinigung durch. Die elektrische Reklametafel nervt etwas mit ihren abrupten Bilderwechseln, die die optische Stille stören. Ein Riesenthermometer am Haus schräg gegenüber zeigt null Grad. Jetzt sehe ich: es ist wirklich die Straßenreinigung, die da unten hin und herfährt. Was da auf diesem Bildschirm hinter dem Riesenfenster läuft, schaut mehr nach Videoclip als nach Film aus, aber so genau kann ich das über diese Entfernung nicht feststellen. Vielleicht wäre das eine brauchbare Botschaft – ich hätte den Feldstecher mitnehmen sollen.


12:07.  Die Sonne scheint. Der Blick aus dem Hotelfenster auf den Kaiser-Franz-Josefs-Kai und die ausgelaufene Sackstraße erstrahlt in winterlichem Optimismus und Schönfärberei. Die dezenten Farben sind wirklich schön: die der glitzernden kahlen Äste der Uferbäume, ihr Braungrau, das Grün der Nadelbäume und des Efeu, das weiche Blau des Himmels und das Weiß und Grau der paar Wolken, die diversen Farben der sonnenbeschienenen Hausfassaden und die derer im Schatten.


(24.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3941 Die Reise

 



15:36. Es ist ja nicht so, dass wir zwei nicht reiseerfahren wären, wir wissen auch in etwa, wo die jeweiligen nervlichen Knack- und Alarmpunkte liegen. Gut, mit dem Zug (Auto haben wir sowieso keines). (Warum kommt mir vor, dass wir das heutzutage gar nicht mehr betonen müssen sollten?) Es gibt genug freie Sitzplätze, nur ein lästiger Schnorrer hat uns angebettelt und hat dann blöd geredet, weil wir ihm nichts gegeben und einen Standard am Tischchen liegen hatten von wegen „links“und geizig sein und dann in die Karibik fliegen, aber dann eine wunderschöne Fahrt über den Semmering (schattseitig und im Nebel, der sich gerade aufgelöst hat, verzaubert dicker Reif Bäume und Sträucher und das Gras, dann aber die Sonne, die es schafft, die winteröde, brache Landschaft zum Strahlen und Glitzern zu bringen. Kein Zugrestaurant, kein Buffetdienst, heute noch keinen Kaffee … nach der Ankunft in Graz gleich am Bahnhof einen Cappuccino im Papierbecher (die halbe Zimtschnecke hat mir meine Frau aufgedrängt; aber dann ging es mir gleich besser).

Wir - das sind also meine Frau und ich – haben uns angewöhnt, den Weg vom Bahnhof im Transmurgebiet zum Schloßberghotel zu Fuß zu gehen. Normalerweise die Annenstraße hinunter und in letzter Zeit nicht mehr geradeaus bis zur Brücke, sondern bei der Kirche der Barmherzigen Brüder/Johannes von Gott/Mariä Verkündigung/Garnisonskirche/Tegetthoffglocke nach links Richtung Minoriten abgebiegen und über den Mursteg zum Hotel. Diesmal jedoch hat es sich ergeben, dass wir am Bahnhof auf Höhe der Keplerstraße herausgekommen sind und deswegen habe ich vorgeschlagen, gleich da hinunter zu gehen und unser Hotel von der anderen, nördlichen Seite anzupeilen (noch dazu, wo er bei der Keplerbrücke unten an einem Haus vorbeigekommen wäre, wo er in seiner Grazer Zeit für ein Jahr ganz oben im Dachgeschoß im Zimmer von Rudi Muhr, der ein Jahr in Bristol studiert hat, gewohnt hat und bei Grazbesuchen sowieso die Tendenz hat, all seine vielen Wohnplätze zu Selbstbefeierung aufzusuchen – der innere Spötter). Aber dann kommen wir an einem Park vorbei und meine liebe Frau will partout dort abbiegen und durch den Park gehen. Nun ist es so: 1) Manchmal bin ich es müde, mich durchsetzen zu wollen und auf Diskussionen einzulassen und gebe gleich nach, obwohl ich oft den Verdacht habe, es gehe ihr dabei darum, grundsätzlich meine Vorschläge zu überarbeiten. Aber 2) hat sich schon öfters herausgestellt, dass ihre spontanen Vorschläge etwas haben – was ich ungern offiziell zugebe – und sei es nur, dass durch Umwege unbekanntes Terrain beschritten oder kleine Abenteuer erlebt werden (sehr kleine! - der innere Spötter). Außerdem 3) was soll das blöde Haus an der Keplerbrücke unten! (Zu meiner Zeit war die Mur noch eine braune Industriekloake und hat geschäumt und fürchterlich bis zum Dachgeschoß heraufgestunken; lüften war zweischneidig), wir können doch den Mursteg quer durch die kleinen Gassen von links ansteuern. Dazu ist noch anzumerken, dass wir mit Rollkoffer unterwegs sind, deren Rollen und Mechanik für die Wege vom Flugzeug zum Taxi und vom Taxi ins Hotel, aber nicht für Weitwanderungen über unasphaltierte Parkwege oder schotterbestreute Gehsteige ausgelegt ist, aber sei’s drum, gehen wir hald (sic!) durch den Gatsch der Parkwege. War halb so schlimm, aber dann haben wir im Gewirr der Gässchen keinen direkten Weg zur Mur gefunden und weil wir zu viel nach rechts und zu wenig nach links abgebogen sind, sind wir plötzlich wieder bei der Annenstraße, die meine Frau vermeiden wollte, herausgekommen. Also vor bis zur Kirche der Barmherzigen Brüder/Johannes von Gott/Mariä Verkündigung/Garnisonskirche/Tegetthoffglocke – dort hat eine alte Bettlerin gewartet, zuerst bin ich an ihr vorbei, aber dann bin ich wieder zurück und habe ihr einen Euro gegeben und einen Segen bekommen - dann links abbiegen und beim Steg nähe Mariahilferkirche über die Mur und so weiter. Es war ja ein sonniger, recht warmer Tag und die kleine Wanderung eh okay.

Jetzt sitze ich im Hotelzimmer, habe mir einen Sessel ans Fenster gestellt und schaue auf die Sackstraße, den herangerückten Kaiser-Franz-Josef-Kai, die Mur und einen Teil von 8020 hinaus. Über einem modernen Gebäude mit Flachdach, auf dem für mich aus dieser Position und Entfernung unverständliches Gestänge montiert ist, schräg zueinander, ist die Sonne untergegangen und die letzten Lichtflecken im Gewölke schimmern durch diese Stangen am Dach. Möglicherweise ist die Sonne weiter rechts untergegangen, als ich gedacht habe, so genau kann ich das nicht erkennen.

(23.1.2024)




Nachtrag vom 26.1.: auf der Rückreise habe ich so einen oben angesprochenen nervlichen Knackpunkt erreicht: wir warten auf den Zug, der auf Bahnsteig 7 einfahren soll. Auf Bahnsteig 6 steht ein Zug mit dem Anzeigentext „Betriebsverkehr“. Eine Schaffnerin kommt und sagt uns, wir können schon einsteigen. Nein, sagen wir, wir warten auf den anderen. Aber neugierig bin ich doch, wohin der „Betriebsverkehr“ geht und so frage ich die Schaffnerin, als sie wieder vorbeikommt, wohin denn der Zug am Bahnsteig 6 fährt. „Nach Berlin“, antwortet sie, „ich weiß, es ist falsch angezeigt.“ Wir springen auf, denn das ist der, den wir nehmen wollen und der auf Gleis 7 angezeigt ist und so steigen wir schleunigst ein, denn er Zulauf ist schon recht groß. Ich stehe vor der Glastür zum Abteil und wie es so oft vorkommt, funktioniert der automatische Türöffner nicht, obwohl ich schon richtig wild vorm roten Lichtschranken, der oben über der Tür montiert ist, herumfuchtle. Meine Frau hinter mir sagt: „Warum gehst du nicht weiter?“ Ich schreie ungeduldig zurück, dass die verdammte Tür nicht aufgeht! Darauf sie: „Die ist doch eh offen!“ Ich greife mit der Hand nach vorn und tatsächlich: da ist keine Glastür, die war die ganze Zeit aufgeschoben. Oh Gott! Jetzt erst fällt mir auf, dass mich eine Frau im Abteil schon die ganze Zeit breit grinsend angeschaut hat (eh nicht unfreundlich, sondern amüsiert). Dann gehe ich hald (!) weiter ins Abteil, nicht ohne vorher meine Hände vors Gesicht geschlagen zu haben, und suche einen freien Platz. Viele Reservierungen und diese unklare Kategorie „Spätreservierungen“, was so viel heißen könnte wie „jetzt noch frei, aber dann vielleicht doch nicht“.


(27.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 20. Januar 2025

3940 hoch wermas nimma gwinna

 



1:11 a.m.  Ich schließe den Tag ab. Ich hatte mich heute (19.1.) krank geschrieben und so habe ich die Wohnung nicht verlassen, das Fitnessstudio gecancelt und auch die morgige Therapie abgesagt. Ich kuriere meine Erkältung aus (echte Grippe ist es - glaube ich – nicht). Das Abdrehen des Laptops oder des CD-Players und gegebenenfalls das Weglegen des Buches ist schon immer ein Moment, wo mich etwas heimsuchen will – ich weiß nicht, wie ich es beschreiben und benennen kann. Verzweiflung? Nein, es ist  - zumindest am Beginn - nicht so dramatisch und haut mich nicht um. Ein leichter Schock vielleicht, weil ich alle Ablenkung weggegeben habe und mir so mein wahres Leben vor die Augen tritt, mit dem ich mich so schwer aussöhnen kann. Ich fange dann allerdings zu grübeln an und beginne in Gedanken meine Lebensentscheidungen oder die Schlüsselmomente zu korrigieren, oder die vielen verlorenen Kämpfe umzuschreiben, dass ich siegreich daraus hervorgehe. Auch mein Alter fällt mir dann wieder ein und dass ich – wie kann ich sagen? - das Ganze nicht mehr hoch gewinnen werde (Originalzitat 1999 von Anton Pfeffer in der Pause der Fußballspiels Spanien – Österreich beim Stand 5:0 „hoch wermas nimma gwinna!“ Und das war zur Halbzeit! Ich bin in der siebzigsten Minute oder kurz vorm Schlußpfiff!). Es läßt sich nicht mehr verleugnen, dass mir nicht allzu viel Zeit bleiben dürfte, und die Zeit, die mir verbleibt, wird – so befürchte ich es – von Altersarmut bedroht sein. Ja, der Gedanke an den näher kommenden Tod läßt sich nicht mehr leicht verdrängen.

An meine Lebensgeschichte zu denken macht mich traurig, obwohl ich tapfer und brav dagegen halte und allem nüchtern und ohne zu verurteilen ins Angesicht sehen will.

Im Bett dann fühle ich mich gleich wohler und versöhnlicher. Ich mag jedoch nicht sofort das Licht abdrehen und hänge noch so her und verweile in so einer Art stummem Gebet in die Sinnlosigkeit hinaus. Die Sinnlosigkeit ist nicht ontologisch vorgegeben, sondern das Ergebnis meiner Lebensentscheidungen. So lange verweile ich in diesem Zustand, bis ich zu müde zum Grübeln bin und nur mehr schlafen will.


(20.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3939 Kartenspielen

 



Nach dem Familienessen sitze ich im bequemen Sessel, die anderen spielen Karten, während ich vor mich hin schnupfe. Ich spiele lieber zu Hause allein gegen das Universum – Solitaire, Majong – und nicht gegen die anderen (schöne Akzentverschiebung! Er stellt es so hin, als wolle er seine Mitmenschen nicht besiegen oder behelligen, in Wirklichkeit darf vermutet werden, dass er ihre Konkurrenz und Rache fürchtet – der innere Spötter). Naja, aber das Universum ist die Stärkste Kraft im Universum. Ja, wirklich eigenartig, dass ich mir einbilde, mit der Kraft, die Universum und Leben regiert, besser zu Rande zu kommen als mit den Mitmenschen (Größenwahn läßt grüßen! Ja gut, aber gegen das Universum zu verlieren ist doch keine Schande, aber gegen den und die und den da drüben schon. Auch ein interessante Akzentverschiebung! – der innere Spötter). Oder? Oder spiele ich halt nur so vor mich hin?


(18.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3938 Zwiebel

 



0:43 a.m.  Ich bin schon im Bett, die halbierten Zwiebel sind ausgelegt (um mit ihrem Duft, der sich im Zimmer ausbreitet, gegen meine Grippe oder Erkältung oder was das ist anzukämpfen, und es hilft einigermaßen). In meinen Ohren surrt es wie fiebrig dahin. In Gedanken bin ich nach fünfzehnminütigem Flug bei Picasso gelandet (den lasse ich beim Durchschreiten der Batlinersammlung immer aus), aber die Gedanken werden gleich weitersegeln (ich glaube nicht, dass ich noch einmal zu Picasso zurückfinden werde, dessen Museum in seiner Villa ich bei meinem Pariser Exil vor zig Jahren andauernd besucht habe). Jetzt rede ich mit dem neuen Albertinachef und sage ihm, dass er diese Batlinersammlung nicht kaputt machen darf. Mit der Aufmerksamkeit wieder mehr zurück im Zimmer (ein wenig Scheinanwesenheit bleibt immer), blicke ich an den Wänden hin und her, aber die Wände und die Karten und Bildchen bleiben stumm und lösen nicht viel aus. Beziehungsweise einen Niesanfall. Jetzt lege ich mich zum Schlafen flach.


(17.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 16. Januar 2025

3937 Die Batliner-Sammlung

 



11:57 a.m.  In der Albertina. Aber bevor ich etwas über meine Lieblingsbilder schreibe – zum Beispiel sitze ich gerade vor den zwei Werefkins – möchte ich festhalten: ich habe in meinem Inneren keinen Schweinehund, sondern eine ursprünglich reine, und dann verletzte und deformierte Seele! Den Vuillard und den Manguin habe ich schon absolviert. Drüben hängt ein schöner Jawlensky. Drei Lieblingsbilder pro Saal reichen. Körperlich bin ich erschöpft; ein leises Zittern ist allem unterlegt. Die Bilder habe ich schon öfters zu beschreiben versucht; mehr ist momentan nicht drin. Jetzt wird gerade eine Gruppe junger Mädchen durchgeführt und ihnen einzelne Bilder, auch im Dialog, erläutert. Ich habe auch ein wenig mitbekommen. Aber nun gehe ich weiter. Ich sitze vor der Kokoschkawand (umgruppiert). (Ich verzichte auf Beschreibungen.) (Das Vier-Weiberbild von Hodler, das völlig deplatziert in diesem Saal hängt, stört enorm! Besonders die Stimmung im Saal. Furchtbar. Ich vermeide es, das Bild in den Blick zu bekommen.) Aber mein London! - Balsam auf die Seele. Jetzt kommen die Klees (den depperten Kardinal dort nehme ich in Kauf – schließlich kann ich hier gut sitzen und mich im großen Wandspiegel betrachten). (Der alte Herr gegenüber, der mich so skeptisch anschaut: ganz unsympathisch ist er nicht, aber gibt auch nicht allzuviel her.) Ich merke schon, wie mir die Batliner-Sammlung gut tut; frischt Geist und Seele auf.


(16.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3936 Lärm in der Küche

 



7:38 a.m. Aus einem verstörenden Traum wegen Lärm in der Küche aufgewacht, hänge ich betroffen und ratlos im Bett. Die Szenerie rundherum hat sich – so weit ich sehe - gar nicht verändert; also müßte ich mich wiederholen, wenn ich sie zu beschreiben versuchte. Und das will ich jetzt nicht. Ich bin noch voll in der Loserstimmung aus dem Traum. In einer psychischen Pattsituation. Also halte ich mich an das, was mir auffällt: meine linke Hand hält das Notizbuch völlig verkrampft und mit übertriebenem Kraftaufwand fest (im Traum hat es mir jemand weggeworfen). Mein Halsweh ist wieder etwas stärker, aber immer noch im Harmlosen, moderaten Bereich. Neben dem Rollo kann ich schon blaues Tageslicht am Fenster erkennen. Schon wieder halte ich das Notizbuch verkrampft fest, als hätte ich panische Angst, dass mir auch dieser letzte Lebensanker weggenommen wird oder aus der Hand fällt. Ich werde jetzt das Licht abdrehen und den Lichtstreifen beim Fenster betrachten.


(16.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3935 Szeneputzen

 



1:36 a.m. Endlich im Bett (ich komme schwer vom Internet los). Wenn ich bewerten müßte, würde ich sagen: ein gelungener Tag. Nicht außergewöhnlich, aber im Großen und Ganzen alles hinbekommen. Leicht lächle ich vor mich hin. Gut gelüftet habe ich auch und wirklich gründlich die Zähne geputzt. Meine heranschleichende Erkältung scheine ich mit Zwiebel, Honig und Kräutertee einigermaßen abgefangen zu haben (naja, der Tipper). Und jetzt? Jetzt schaue ich mich im kaum ausgeleuchteten Zimmer um. Gedanken, Erinnerungsfragmente etcetera kommen und gehen, sie kommen bloß so angeschwemmt, dann driften sie gleich wieder davon. Schaut so aus, als hätte ich nichts mehr zu sagen.


(16.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3934 Spidermannetze

 



0:42 a.m.  Ganze Bücherreihen rutschen auf ihren Brettern das Regal hinunter und bleiben doch immer an derselben Stelle. Aber beliebig kann ich diesen optischen Effekt doch nicht herbeiführen. Jetzt sind es eher Wellen, die an der Wand gegenüber herunterwandern. Ich bin mit dem Tag zufrieden. Rote Spidermannetze überziehen mein schwarzes Gesichtsfeld. Ah, jetzt war wieder Abrutschen dran. Jetzt ist die Bildfläche rot mit goldenen Punkten, die Punkte im Bereich des Zentrums.

9:43 a.m.  Die hohle Angst, mit der ich aufwache und wegen der ich mich kaum rühren kann. Ich setze mich trotzdem auf um aus dem hinaus zu kommen. Und wirklich: die Angst zieht sich in die Leibesmitte zurück und flaut langsam ab. Ich blicke auf die Wand gegenüber: Die Gipsbüste hat die Jessica freigegeben und das Schäflein hebt sich schön von den blauen Guardinis ab. Die frankophone Schweizerin erscheint wieder üppiger als sie ist (sowohl mit, als auch ohne Brille). Im glasgerahmten Kussbild ist ein länglicher, dunkler Kopf erschienen, der sich bewegt (das ist nur die Spiegelung eines Flügels des Holzraben, der in der Aufwärme des Heizkörpers tanzt, im Glas – ich dulde keine Mystifizierungen! - der innere Korrektor). Akustisch bin ich vom Gesang der singenden Ohren, Schwerpunkt links, eingehüllt. Langsam werde ich bereit zum Frühstück. Die restliche Angst kann ich ignorieren.


(15.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 14. Januar 2025

3933 Kürbisgrämsuppe

 



11:56 a.m.  Bauchmuskeltraining und Fitnessstudio scheinen mir alle Schreibtrance zu vertreiben. Ich sitze in meinem Lieblingscafé, aber nichts geht. Ich meine, es kommt auch keine „Stimmung“ bei mir auf. Die Musik „flutscht“ nicht. Da hilft auch das Stückchen Schnitte nicht, das ich kommunionsartig verzehrt habe. Ich werde mit der Fitnesserei noch ein wenig weitermachen, aber ich werde die Frage, sich sich erhebt, ob sich denn das Ganze für das bisschen Gesundheit (wenn’s wahr ist; denn mir ist permanent leicht schlecht: vorm Training, während des Trainings, nach dem Training) und ein paar Jährchen mehr (möglicherweise!) lohnt, nicht verdrängen. Ein „poetischer“ Abgang im Kaffeehaus zum Beispiel mit zu Boden gefallenem Notizbuch hätte doch auch etwas, oder?

So! Genug selbstmitleidige Selbstbetrachtung! Morgen wird wieder sich gequält! Immer muß ich bei solchen Ansagen an den nazistischen „inneren Schweinehund“ denken. Was haben die Nazis damit anderes gewollt, als sich selbst die inneren Impulse abzutöten und ihre Opfer zu Tode zu schinden? Diese Redewendung innerer Schweinehund ist mir und besonders in dem Tonfall, in dem ich ihn erinnere, verhasst. Richtig verhasst.

Ich finde, mit über siebzig darf man auch abtreten (Unser Leben währet 70 und wenn’s hochkommt 80 … Psalm 90, 10), irgendwann darf ich angekommen sein und nicht mehr an mir herumdoktern müssen. Ich habe – so gut ich konnte – um meine Veränderung gekämpft – erfolglos – aber jetzt bin ich kampfesmüde. Was ich erreicht habe, habe ich erreicht; was nicht: nicht. That’s it. Mehr gibt’s nicht. Ich haben fertig.

Gut, trinken wir den Kaffee aus und dann nach Hause; ich muß einen Großeinkauf (der dann nicht so groß war – der Tipper) erledigen. Ich werde vielleicht ein Stück zu Fuß gehen; das tut mir gut und hilft auch gegen die ständig drohenden Kreuzschmerzen, gegen die – ich muß es zugeben – das Fitnesstrainig eventuell vielleicht möglicherweise auch helfen könnte.

Ich muß noch hinzufügen: in meinem Leben hat fast immer Mangelwirtschaft – was vor allem den Handel mit der Welt betrifft – geherrscht, bezogen auf den mitteleuropäischen Standard (jetzt setzt er auch noch seinen ungerechtfertigten Selbstmitleidssermon fort! Keinen Funken Anstand und Ehrgefühl! - der innere Kritiker).

Also jetzt ist Schluß! Zahlen und gehen!

(P.S.: am Heimweg, als ich an einem Restaurant mit Speisekartentafel vorm Eingang vorbeigewandert bin, ist mir noch ein Wortspiel: Kürbisgrämsuppe eingefallen.)


(14.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3932 Zehn Minuten

 



2:09 a.m.  2:19 a.m.  Zehn Minuten lang schaue ich schon auf die leere Seite des Notizbuchs und lausche in die schrille Stille hinaus. Ich bin aufgekratzt und glaube nicht, dass ich schlafen können werde (was mir überhaupt keine Sorgen macht). Trotzdem sind die Augen müde und liefern optische Täuschungen im halbdunklem Zimmer. Gut. Okay.


8:15 a.m.  Pluto. Uranus. Venus. Ein Verlegenheitsstart in den noch dämmrigen Morgen hier im Zimmer. Es ist noch kalt. Ich warte, bis es hier im Raum wärmer wird.


(13.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3931 Bewegen! Sport! Bewegen!

 



9:58 a.m.  Heute wollen wir wieder ins Fitnessstudio gehen. Vor einer Woche haben wir damit angefangen. Eigenartig: mir ist schlecht vor Angst. Und das verstehe ich nicht. Nach meinem letzten Besuch am Freitag war mir auch schlecht. Dabei habe ich mich an die Vorgaben gehalten und nicht übertrieben. Was kann das sein? Zwei mögliche Antworten fallen mir ein: erstens: meine träge Seite, die schon aufgegeben hat und am liebsten nur mehr in Kaffeehäusern herumsitzen will und das Schwelgen in Selbstmitleid genießen und beschreiben, wehrt sich sozusagen mit Händen und Füßen dagegen, aufgescheucht und des Platzes verwiesen zu werden. Oder, zweitens: die echte innere Stimme, die mit dem Abstrakten verbunden ist und somit aus Bereichen kommt, die alles überblicken, warnt mich, weil gesundheitlich etwas nicht in Ordnung ist und das Training schädlich. Ich denke da ans Herz zum Beispiel (wiewohl meine letzten medizinischen Tests diesbezüglich nichts Gravierendes gezeigt haben) und mir alle Ärzte und Ärztinnen - ob es um Cholesterin oder Kreuz oder weiß der Teufel was geht – die ganze Zeit predigen: Bewegen! Sport! Bewegen!


(12.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3930 Landkrimi

 



19:20.  Erschüttert suche ich Worte zu finden. Das Erschütternde ist fast unmerklich und nicht leicht zu benennen, das Erschütterte ebenfalls. Es muß etwas mit Leere und Tod zu tun haben. Ich meine die nichtssagende Leere, nicht die, wo eines das Gerümpel rausgeräumt hat. Mir kommt jedoch vor, das mit dem erschüttert ist eine Lüge. Aber irgendeinen Zipfel der Wahrheit hatte ich doch erwischt. Jetzt ist sie wieder weg, die Wahrheit (wenn sie wirklich da war – es gibt viele Möglichkeiten zum Selbstbetrug – der innere Kritiker).
Soll ich Zeit im Bild schauen? Es würde mich vom Abgrund ablenken. Und wenn ich still in der Irritation bleibe? Kommt dann etwas heraus? Wenn ich weiterschreibe – kommt mir vor – baue ich bloß einen Zaun um mich, so provisorisch er auch sein mag. Der kann vielleicht die anderen täuschen darüber, was sich da wirklich dahinter befindet, aber nicht die Unendlichkeit. Dieses Ungeschützte will ich nur dem Abstrakten zeigen, nicht den Mitmenschen (deshalb hätte ich auch vor einem Jüngsten Gericht weniger Angst als vor dem der Mitmenschen). Ich will es ihnen schon gar nicht jetzt zeigen, wo es so ungeschützt und wehrlos ist; wir Menschen sind fragile Wesen (offen, wehrlos – er versucht es schon wieder zu kaschieren und behübschen! - der innere Spötter). Die ZiB sollte schon angefangen haben. Außerdem spinnt mein Laptop in letzter Zeit und ich kann nur selten die Sendungen live abrufen, möglicherweise auch jetzt nicht. So starre ich in mein Zimmer ohne etwas wahrzunehmen. Jetzt, wo ich das hergeschrieben habe, sehe ich doch etwas mehr. Verschwommen und gleichgültig nimmt mein Sehsinn die Bücherwand und die Bilderreihe darüber auf. Aber das ruft die Erinnerung auf, dass ich diesen Anblick liebe. Zumindest habe ich das immer behauptet. Es wird bald Zeit für den abendlichen Krimi, also irgendeinen, den fast täglich anzuschauen sich meine Frau und ich angewöhnt haben. Der Landkrimi gestern mit der Pia Hierzegger war wirklich toll, großartig gespielt. Draußen heult der Wind. Ich lege nun das Notizbuch weg.


(11.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 10. Januar 2025

3929 Beim Fenster herein

 



16:01.  Ach! Ich war wirklich im Fitnessstudio, wie ich mir das gestern vorgenommen habe und jetzt hänge ich hockend auf dem Bett und höre Jacques Brel (ich fürchte sonst um meine letzte Poesie). (Obwohl der natürlich auch fragwürdig ist.) Der Nachmittag dämmert schon beim Fenster herein, meine Frau höre ich telephonieren (sie arbeitet so viel! Sie arbeitet soo viel!) und aus dem Lichtschacht kommen Geräusche einer Klimaanlage oder Lüftung (ich weiß das immer noch nicht, was das wirklich ist. Jedesmal, wenn ich das höre und mehr noch, wenn ich es beschreibe, will ich nachschauen, was das für ein Gerät ist, und immer habe ich es später, wenn ich dazu die Gelegenheit habe, vergessen oder es ist mir völlig wurscht). Ich hatte vor, mich zu einem Nachmittagsschlaf hinzulegen, aber Pflichtgefühl und schlechtes Gewissen lassen mich jetzt nicht. Dann zurück an den Schreibtisch! (Ätsch! Dort schreibe ich nie. Dort steht mein Laptop. Ich will ein Jacques-Brel-Chanson auf Facebook teilen: Clara und vermutlich werde ich hängen bleiben). (Vielleicht schaffe ich es nachher zu lesen, am Bett.)


(10.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3928 Die Aurafarbe

 



1:59 a.m.  Der Holzrabe am Fenster bewegt sich, aber es kann nur ein Vexierbild meiner Augenmuskeln sein. Oder kommt doch so viel Zugluft durch die alten Fenster herein? Die Aufwärme des Heizkörpers unter dem Fenster ist es nicht, denn die Heizung ist nicht an. Außerdem taucht um das hängende Spielzeug immer wieder ein unruhiges Leuchten von hellerem, ins Beige tendierendem Gelb auf, heller als das des Rollos. Das spricht auch für die Augentheorie. Ich bilde mir ein, hinter meinem Ohrensurren ein Maschinengeräusch zu hören, aber auch das will ich nicht recht glauben. Jetzt erscheint die Aura des Raben eher bläulich-gelb – wenn es denn eine solche Farbe überhaupt geben kann. Sein Schatten schwebt hinter ihm und ein wenig höher als dieser Holzvogel (die Leselampe ist tief herunten - ich dulde keine Mystifizierungen! - der innere Korrektor) und scheint davonfliegen zu wollen. Die Aurafarbe changiert wieder stärker ins Gelbliche. Ich habe mir für morgen viel vorgenommen und habe jetzt schon Angst.


(10.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 9. Januar 2025

3927 Armbanduhr

 



8:43 a.m.  Gerade bin ich aufgewacht, habe mich fast schwungvoll aufgesetzt, bin mühsam aus dem Sitzen aufgestanden (Kreuz!), ins Bad, wieder zurück ins Bett. Da hocke ich jetzt, Wellen gehen durch meinen Körper. Meinen Plan, ins Lieblingscafé zu fahren, habe ich für heute verworfen. Die Wellen erreichen meine Fingerspitzen und geben an den Fingerkuppen Impulse ans Notizbuch ab. Mein leicht nach links geneigter Kopf fängt leicht zu wackeln an. Beginne ich mich aufzulösen? Die linke Wange wird größer und größer und bedeckt schon die gesamte Hälfte meines Kopfes. Zerfällt mein Körper? Und fliegt dann so eine Art Seele aus dieser Auflösung heraus? Und dann? Angst macht mir das Ganze bis jetzt nicht. Also sind das alles nur so Andeutungen. Mein Geist versetzt sich in die Landschaft von Drosendorf – glaube ich (zuerst war ich mir sicher, dass das in Drosendorf ist, dann nicht mehr). Jetzt aber doch wieder! Ich erinnere mich, wo diese Stelle unten an der Thaya ist. Der Pilotstift fällt mir aus den Fingern auf die Handwurzel. Im Aufschrecken aus dem Schlaf glaube ich, meine Armbanduhr ist mir vom Handgelenk gefallen, aber ich trage seit Jahren keine Armbanduhr mehr. Da hat mein eingeschlafenes Bewußtsein die Sinneswahrnehmungen zu einem falschen Bild zusammengesetzt. Oder?


(9.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3926 Tarnkappe

 



1:59 a.m.  Ich komme aus dem Gähnen nicht hinaus. Die nächtliche Stille (hier ist es wirklich still!), der aufwühlende Roman (ich habe gerade noch gelesen). Und dennoch … (und dennoch – das diktiert mir mein innerer Monolog. Aber warum? Wo will er denn hin?). Die Schrift verschwimmt vor meinen Augen. Ich bin ein Fremdling, der sich mühsam zu tarnen versucht (Ah! Da wollte er hin! - der innere Spötter). Eine Tarnkappe wäre wirklich nicht schlecht. Sich als Unsichtbarer umsehen. Durch-die-Wände-gehen-können gehörte dann auch dazu. Das stelle ich mir spannend vor. Das wären Entdeckungsreisen! Oh, das gäbe viel Schreibmaterial! Wobei ich gar nicht sicher bin, ob ich dann noch schreiben würde (Doch! Doch! - der innere Optimist)…. Vielleicht kann ich das träumen?


(9.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 8. Januar 2025

3925 Ich zögere noch

 



1:38 a.m.  Sagen wir es so: ich sollte pinkeln gehen, zögere jedoch, weiß aber nicht warum. Nachdem ich das hergeschrieben habe, geht es doch. Meine Schreiberei ist also mindestens psychotherapeutisch, wenn nicht magisch.

Eines will ich noch festhalten: ich habe so gut wie überhaupt keine Weltkompetenz. Darum veröffentliche ich auch nicht ernsthaft.


9:17 a.m.  Ich fahre mit der Zunge meine Zähne entlang und zwei, drei Stellen stören. Eine bestimmte Stelle links oben zu betasten, da habe ich seit Tagen geradezu einen Zwang entwickelt: ich gehe ständig mit der Zunge hin. Es fühlt sich an, als ob ein Fremdkörper dort zwischen den Zähnen steckt, aber das ist nicht so.

Egal! Wir wenden uns dem Zimmer zu: angenehmes Morgenlicht, sanft strahlend (vermutlich sonniges Wetter). Ah! Ich höre die Tageskinder im Stiegenhaus heraufkommen. Ich lockere meine linke Hand, die ich ständig verkrampft halte, was mir meistens gar nicht auffällt. Das Zimmer: ist und bleibt für mich ein angenehmer Ort. Wie immer macht mich meine Bücherwand gegenüber stolz, wiewohl ich den falschen Ton darin merke. Ich denke über Sturm Graz nach und darüber, wie es ihnen in der neuen Saison wohl gehen wird, obwohl ich fachlich überhaupt nichts davon verstehe. Kann man das dann überhaupt denken nennen? (Überhaupt kommt laut Mackensen vom Viehhandel: wenn einer eine Herde kauft, ohne die einzelnen Häupter zu zählen.)

Zum Zimmer fällt mir nichts mehr ein. Ich versuche es mit einem Blick auf die obere Bildreihe. Das hat noch immer geholfen. Durch Mali Lošinj zieht sich ein leicht deformierter Bogen, was mir zum ersten Mal auffällt. In Rettenschoess sticht der blaue, mißratende Berg heute ganz besonders heraus. Beim Photo der Riesneralm scheint alles wie immer zu sein, besonders das winterliche Sonnenlicht. Und Veli Lošinj? Schwebt stärker denn je über einen Abgrund aus Licht. Ein REM-Traum von heute morgen beschäftigt mich wieder (REM-Träume habe ich oft).

Ich bin wieder eingenickt und aufgewacht bin ich von einem kleinen stechenden Schmerz in der Zunge, die anscheinend die ganze Zeit an besagter Stelle sozusagen geklebt ist. Auch am rechten Zeigefinger habe ich eine kleine, lästige, kaum erkennbare Wunde; keine Ahnung woher.


(8.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3924 Verkutzt

 



1:35 a.m.  Heute (6.1.) morgen – es wird so gegen 9:30 gewesen sein – meine liebe Frau hat mir die Schüssel mit dem Haferbrei ins Bett gebracht, und weil mein Breichen noch zu heiß war, habe ich darin geistesabwesend herumgestochert und herumgerührt, in Gedanken in einem inneren, imaginierten Dialog redend, und weil dieses Deckelchen hinten in der Mundhöhle, das dafür zuständig ist, beim Essen die Luftröhre zu verschließen und beim Reden sie offen zu halten, nicht unterscheiden kann, ob diese Rede im Geiste oder in der äußeren Welt stattfindet, hat es die Luftröhre offen gehalten. Gleichzeitig hatte sich jedoch in meinem Mund, angeregt, weil ich in der ganzen Szene andächtig in den Brei gestarrt habe, in Erwartung auf die Nahrung ziemlich viel Speichel angesammelt, der hinuntergeschluckt werden sollte, aber dabei in die offene Luftröhre geraten ist, was einen heftigen Hustenanfall ausgelöst hat, der sich nicht so schnell auflöste.
Solche Vorgänge sind – nehme ich an - soweit bekannt. Aber was habe ich da in Gedanken geredet? Ich wollte irgendjemandem gerade erklären, dass man zum Beispiel den Burgenländern einreden hätte sollen, dass der Kickl als Orbanfan das Burgenland an Ungarn zurückgeben will, um wenigstens im Burgenland die blauen Stimmen zu minimieren, wenn uns schon sonst nichts mehr einfällt.

2:34 a.m.  Sagen wir es so: ich bin schon recht müde.

8:58 a.m.  Sagen wir es so: ich bin recht ratlos wegen der politischen Situation in Österreich und ich kann an nichts anderes denken. So hocke ich im Bett und kann nichts schreiben und will gar nicht in die Welt und zu ihren Bewohnern hinaus. Ich werde aber müssen.


(7.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3923 Zu gach

 



9:31 a.m.  Mars. Jupiter. Uranus. Ich bekomme Kopfweh von den soeben aufgesetzten Lesebrillen. Zu gach in den Wachmodus, keine Pufferzone? Oder? Die Medizin, die ich einnehme? Der dreifaltige Wohnzimmerbaum hängt einigermaßen aufrecht in den Bändern, die ihn hochgezogen halten. An einer Stelle fangen ein paar Ästchen zu vibrieren an; das sind natürlich meine Augen; hier herinnen ist kein Wind. Oh, ich bin noch müde! Gestern ist es auf drei Uhr zugegangen. Was habe ich für einen Krimi geschaut? Ich weiß es nicht mehr. Aber jetzt kommt der üppige, bunte Frühstücksbrei. Essen hält Seele und Leib zusammen.


(4.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 3. Januar 2025

3922 Amtlicher Kaffee

 



13:07.  Im Kaffeeamt. Zum ersten Mal. Ein schöner Raum. Zeitungen gibt es auch. Als ich von jemandem Prominenten aus dem Sportbereich gelesen habe, dass er tief religiös sei, schießen mir sofort die Tränen in die Augen. Und als aus den Boxen ein Song ertönt, den – unter anderen – meine Töchter auf ihrer Geschenkcede für mich gesungen haben - und den ich bis jetzt noch nie im Original gehört habe – bin ich sowieso ganz weg (fragt mich bitte nicht nach Titel und Interpret). Der Kaffee ist ausgezeichnet. Die Raumausstattung schön, angenehm und schlicht (zur Erinnerung: ich schreibe keine Lokalkritiken, sondern subjektive Situationen – was nicht von vornherein heißt, dass meine Aussagen unzutreffend sind). Eine schlichte Uhr hängt auch an der Wand – nicht schlecht! Die Musik passt mir auch. Ich werde einen zweiten Cappuccino trinken.

Ja, das ist fein, ein angenehmes Lokal ganz in der Nähe zu haben. Ich lasse mir jetzt auch die Karte bringen, ohne etwas essen zu wollen, für eventuelle Frühstücke hier. Die Damen und Herren, die hier arbeiten, sind ausgesprochen freundlich, auf eine offene Art (nicht das scheiß(un)freundliche vieler traditioneller Wiener Kaffeehäuser). Ich blicke durch die großen, auch schön designten Fenster auf die Straße hinaus, auf der sich nicht viel abspielt. Der Wind schaukelt die Pflanzen und die Lichterkette des zurzeit leeren Schanigartens (4°C). Und was mir schon seit Monaten im Vorbeigehen zur UBahnstation beim Blick in die Fenster aufgefallen ist: hier sind viele Eltern mit kleinen Kindern, die einen eigenen, kindergerechten Raum haben.

Ich lehne mich im Sessel zurück, dabei strecke ich meinen Oberkörper vorsichtig, um keine Kreuzgeschichte auszulösen. Ich drehe mich auf dem Stuhl, um meine Blickrichtung ein paar Grad nach links zu verschieben und sozusagen diagonal durchs Lokal zu schauen. Und wie ich vermutet habe, schaue ich dabei so ziemlich genau Richtung Nord (ich weiß nicht, ob der wandernde Magnetpol mit einberechnet ist). (Oder ist diese Frage ganz dumm?) Zum Thema „tief religiös“: ich vermute, dass in eine tiefe, echte, ins Leben gebrachte Religiösität zu finden, eine tiefe Sehnsucht schon in meiner Kindheit war – wieso sollte mich das sonst so berühren? So jedoch bin ich ein einsamer Vogel, der zu fliegen nie gelernt hat.


(3.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3921 Liegestatt

 



7:53 a.m.  Ein Flugzeug überfliegt meine Liegestatt. Man hört jedoch auch so, dass der Tag begonnen hat. Jetzt springt die Heizung an – es blubbert im Heizkörper (8 Uhr). Für heute nehme ich mir nichts vor, um nicht wie gestern von mir enttäuscht zu sein. Mit ungehemmt plappernder innerer Stimme gleitet mein Bewußtsein wieder Richtung Schlaf. Bis die Stimme sagt: „Haltet den Mund an!“ Um’s Aufschreiben willen hole ich mich wieder zurück. Und dafür bestraft er mich für meine Unsicherheit. Wer ist er? Ich weiß es nicht. Irgend so ein internalisierter Trottel vielleicht.


(3.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3920 Dieser Tag

 



0:57 a.m.  Stille tröpfelt es draußen im Lichtschacht. Das Bücherregal hat sich zu einem fremdartigen Gebäude gewölbt. Meiner Zunge passt irgendetwas an meinen Zähnen nicht. Und ich höre etwas. Was es ist, kann ich nicht herausfinden. Ich lausche und höre noch mehr. Diesen Tag habe ich nichts weitergebracht; nichts, das mir aufgefallen wäre (ich bin schon wirklich neugierig auf den Blick sub specie aeternitatis auf mein Leben beim Sterben – wenn einem das ganze Leben rekapituliert wird).

Jetzt beginne ich langsam mit dem Tag zufrieden zu werden; vor allem damit, dass er zu Ende geht und ich bald schlafen werde.


(3.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 2. Januar 2025

3919 Ich alter Haudegen

 



7:25 a.m.  Ja, es hat ein wenig hergeschneit und meine Seele scheint in ein Loch fallen zu wollen. Die Heizung ist noch nicht angesprungen und das Rollo habe ich wegen der besseren Wärmedämmung noch nicht hochgezogen. Ganz schwach kann ich an seinem rechten Rand das graue Morgenlicht erahnen. Kommt zu mir, Hilfsgeister, ich habe Angst! Unten wird die Stiegensperre angebracht, das höre ich. Mein Geist, vom Aufwachen erschreckt, beginnt sich wieder zu beruhigen und nimmt seine übliche Tätigkeit auf. Ich werde die Leselampe wieder abdrehen.

10:00 a.m.  Jetzt zittere ich wieder vor Angst. Eigentlich hatte ich vor, eines der Museen zu besuchen, aber das schaffe ich heute nicht: ich komme nicht aus dem Bett und scheue mich, die Wohnung zu verlassen. Egal! Ich bin auf diesem Gebiet ein alter Haudegen. Bleibe ich hald (sic!) im Bett und lese.


(2.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com