3942 Hotelfenster
0:30 a.m. Nur mehr wenige Autos fahren da unten auf der Ausfallstraße vorbei. Ich habe den Heizkörper abgedreht, denn ich kann nicht schlafen, wenn es im Zimmer so heiß ist. Ein paar beleuchtete Fenster gibt es noch drüben über der Mur. Die unbelaubten Uferbäume bilden mit ihrem Geäst vor den jenseitigen Straßenlaternen ein wirklich schönes graphisches Gestrüpp. Das Grau des benebelten Himmels ist heller als das des angeleuchteten Asphalts. Eine elektrische Werbetafel blättert sinnlos ihre Messages durch die Nacht, aber an manchen Stellen im Straßenlichtgeglitzer kann ich die Mur zwischen Dunkelheit und Dickicht fließen sehen. Die Striche und Zeichen der Straßenmarkierungen wirken von oben wie eine vom Morsealphabet beeinflußte archaische Schrift. Natürlich verstehe ich auch diese Botschaft nicht. Irgendwo am anderen Ufer – also genau genommen links in meinem Gesichtsfeld schon nahe bei der Mariahilfer Kirche - hinter einem Riesenfenster scheint ein Fernseher zu laufen (aber ist es ein Wohnzimmer? Oder ein Büro?), sicher bin ich mir nicht. Im toten Winkel unter mir fährt laut und lärmend die Müllabfuhr oder eine Straßenreinigung durch. Die elektrische Reklametafel nervt etwas mit ihren abrupten Bilderwechseln, die die optische Stille stören. Ein Riesenthermometer am Haus schräg gegenüber zeigt null Grad. Jetzt sehe ich: es ist wirklich die Straßenreinigung, die da unten hin und herfährt. Was da auf diesem Bildschirm hinter dem Riesenfenster läuft, schaut mehr nach Videoclip als nach Film aus, aber so genau kann ich das über diese Entfernung nicht feststellen. Vielleicht wäre das eine brauchbare Botschaft – ich hätte den Feldstecher mitnehmen sollen.
12:07. Die Sonne scheint. Der Blick aus dem Hotelfenster auf den Kaiser-Franz-Josefs-Kai und die ausgelaufene Sackstraße erstrahlt in winterlichem Optimismus und Schönfärberei. Die dezenten Farben sind wirklich schön: die der glitzernden kahlen Äste der Uferbäume, ihr Braungrau, das Grün der Nadelbäume und des Efeu, das weiche Blau des Himmels und das Weiß und Grau der paar Wolken, die diversen Farben der sonnenbeschienenen Hausfassaden und die derer im Schatten.
(24.1.2025)
©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com
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