Freitag, 28. Februar 2025

3979 PIELEN

 



8:50 a.m. Mein schönes Ambiente. Am freundlichen Morgen. Im helleren Licht. LEBEN und PIELEN (das S ist durch eine Kunstkarte verdeckt) kann ich von hier im Bett aus im Bücherregal lesen, KÄMPFEN auch. Ahja! Und FREUD. Natürlich nur über die Ränder meiner Lesebrille hinweg. Wie in einem schwerelosen Raumschiff scheinen die Bilder an den Wänden zu schweben, selbst die eingeschlichteten und gestapelten Bücher im Regal wirken ein wenig abgehoben, oder als würden sie gleich abheben und fliegen. Als würde eine unsichtbare Kraft auf mein Zimmer einwirken, die alles auflösen, auseinandertreiben, in die Luft jagen will; nicht feindlich, sondern spielerisch. Auch mein Körper bereitet sich auf die Auflösung vor, wenn die Zellen alle auseinanderstieben werden. Ich spüre schon diese jubelnde (?) lösende Kraft auch innen ansetzen. Dass jetzt nichts weitergeht: ich weiß nicht, ob das ein Pausenstopp ist oder ob das in solch extremer Zeitlupe abläuft. Der schwarze Holzrabe mit dem unnötig, nur irgendwelchen Kinderbüchern geschuldetem gelben Schnabel schaukelt im Aufwind der Zentralheizung und nimmt so etwas von den andrängenden Kräften aus der stillen Zeitlupenszene heraus. Ich kann aufstehen. Eine Zeit lang hält das Ganze noch.


(28.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3978 Daturn

 



1:39 a.m.  Ich stecke zur Zeit viel Kritik aus Büchern ein, der ich mich absichtlich und freiwillig aussetze. Fast halte ich sie nicht aus; auch der bajuwarische Affenarsch hebt dahinter wieder seine riesige, hämische, hasserfüllte Visage in mein Gesichtsfeld. Ich will es ja wissen, aber dann fange ich an zu verzagen.

Dreimal hintereinander habe ich mich im Notizbuch beim Datum verschrieben und auch sonst passiert es oft (jetzt zum Beispiel wieder Daturn statt Datum). Langsam mache ich mir wirklich Sorgen um mein Gehirn. Schriebe ich nicht mit der Hand, würde ich mir weniger Sorgen machen, denn Vertippen geht ganz schnell. Aber so, wenn der lebendige Schreibfluß ständig entgleist und die Konzentration recht anstrengend wird?

Die Bilder und Karten an den Wänden beginnen schon mit dem Eigenleben und damit, sich vor mir zu verstellen und in anderen Kostümen und Masken zu erscheinen. Trotzdem will ich mich nicht hinlegen. Ich weiß nicht, was mich noch wach halten will; zu tun habe ich nichts mehr, das Buch ist weggelegt und morgen habe ich viel vor (kochen!). Nein, ich will mich noch nicht flachlegen, gegen alle Vernunft.


(28.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3977 Zoom

 



1:06 a.m.  Die Box mit den Karteikarten, die im Bücherregal vor ein paar Büchern schief dalehnt, fliegt urplötzlich auf mich zu. Scheint auf mich wie im Zoom zuzufliegen, denn dann fällt ihre vergrößerte Gestalt in sich zusammen und sie findet sich wieder an ihrem ursprünglichen Ort.

Was? Eine Fliege hat sich auf mein linkes Ohr gesetzt? Kann das um diese Jahreszeit sein? Ich habe sie kurz, aber deutlich heransummen gehört, als ich jedoch mit meiner linken Hand am Ohr und seiner Umgebung herumwachle, fliegt keine verschreckte, aufgescheuchte Fliege auf.

Das Summen und Surren in den Ohren – ich meine das Summen und Surren der Stille – ist heute besonders vielstimmig, rhythmisch und melodiös ausgeformt, von unglaublich abwechslungsreicher Monotonie. Es hüllt mich regelrecht ein. Wenn ich genau darauf achte: meinen Kopf.

Der schwarze Holzrabe hängt jetzt wieder so wie vorher vorm Fenster, nämlich als wäre er gerade erst durchs Fenster hereingekommen, den fälschlicherweise gelben Schnabel nicht mehr auf mich, sondern wie immer auf die ihm und dem Fenster gegenüber liegende Wand gerichtet.


(27.2.2025)


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Mittwoch, 26. Februar 2025

3976 Einschlafe

 



9:08 a.m.  Der Holzrabe am Fenster fliegt jetzt - auf der Stelle - direkt auf mich zu. Er hat sich so gedreht, dass sein fälschlich gelber Schnabel genau zu mir her zeigt. In meinem Körper ist eine nutzlose Aufregung, wie ich feststellen muß. In Gedanken versuche ich, den Tag zu ordnen und mich auf ihn vorzubereiten, seine Anforderungen in kleine, bewältigbare Portionen zu zerlegen. Es fängt damit an, mich zu entscheiden, wann es gescheit ist, hinunter zum Frühstück zu gehen. Schon zittere ich wieder leicht. Beim Aufwachen aus den letzten Traum war ich noch Leadgitarrist in einer ansonst Frauenband, auch wenn ich im Traum nicht mehr wußte, wie ich dazu gekommen war und wie, wo und wann ich das Gitarrespielen erlernt haben sollte. Ich hatte auch den Verdacht, ich könne es gar nicht. In den ersten Sekunden des Aufwachens schien mir das Gitarrespielen noch als eine der verwirrenden Anforderungen des Tages zu sein, auch eine Wahnsinnsanforderung, für die ich keine Lösung weiß, aber schnell eine finden muß. Doch dann konnte ich sie beiseite schieben, weil ich endlich erkennen konnte, dass diese Anforderung nicht aus der Realität kommt, auch wenn sie sich noch so wirklich angefühlt hat. Ich höre die Tageskinder die Stiegen herauf kommen, also ist es wohl besser, mit dem Frühstücken zu warten, bis sie alle durch die Küche durch und in ihren Spielzimmern sind. Kann natürlich sein, dass ich beim Warten wieder einschlafe.


(26.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3975 Glücklich

 



2:04 a.m.  Heute bin ich erschöpft von Glück, das ich ziemlich ruhig und „sachlich“ hinnehme (keine große Sache, er hat sich lediglich mit seinen Töchtern im Café getroffen – der innere Korrektor). Und jetzt bin ich sehr, sehr müde (und wegen der Erschöpfung sollte auch sein heutiger übertriebener Kaffeegenuß in Betracht gezogen werden, aber für dieses „Ziehen“ wird er wohl schon zu müde sein – der innere Spötter). Ich werfe zufällig einen Blick auf eine Alois-Mosbacher-Kunst-Karte rechts von mir – dafür muß ich meinen Kopf gefährlich drehen – irgendwas mit Gehölz und Tod (ich habe keine Brille auf) und sie gefällt mir. Heute war und bin ich glücklich.


(25.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3974 Schön

 



8:01 a.m.  Die Heizung fängt mit gurgelnden Startgeräuschen mit ihrer Arbeit an. Die Landschaft von Rettenschoess ist so schön wie immer. Nein, noch schöner! Kälte und die schrille Stille im Zimmer. Obwohl: Rettenschoess erscheint mir heute gebirgiger als sonst. Angefangen hat der Tag schön und ich bin ausgeschlafen. Die graue Helligkeit leuchtet so schön beim Fenster herein. Ich atme tief durch.


13:29.  Ich sitze auf einer Parkbank hinter der Votivkirche, es ist ein sehr warmer Tag, eine Krähe und eine Taube picken vor mir in der Wiese nach Nahrung. Viele Leute gehen vorbei und reden in verschiedenen Sprachen. Ich lasse mir die Sonne auf die Glatze scheinen – was ich sonst vermeide – aber jetzt denke ich an das Vitamin D. Die Nebelkrähe trinkt Wasser aus einer winzigen Lacke im asphaltierten Parkweg. Ich rieche Zigarettenrauch, sehe jedoch keinen Raucher. Doch! Eine Raucherin fünf Bänke weiter links. Habe ich den Baulärm im Rücken schon erwähnt? Mein Geist und meine Gemüt fallen in eine müde Trägheit. Die Krähen fangen ein kurzes Palaver an und hören dann auf. Jetzt ein neuerliches Palaver, aber hauptsächlich auf der Vorderseite der Kirche. Nur eine von hier mischt auch mit. Ach was! Ich gehe weiter.


(24.2.2025)


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3973 Vorhang

 



2:15 a.m.  Seit drei Stunden versuche ich zu schlafen und kann es nicht. Das kommt selten vor. Ich grüble ständig herum, meist kleine Szenen aus meinem Leben tauchen auf, auch Situationen, die ich längst vergessen hatte, meine Phantasie arbeitet ständig daran, diese Szenen und vor allem die Dialoge zu verbessern im Hinblick darauf, wie sie stattgefunden haben (er kann es einfach nicht akzeptieren, dass man Geschehenes nicht ändern kann – der innere Kritiker) (wer weiß! Vielleicht kann er das! - der innere Spötter). Es ist alles unrund. Völlig unmotiviert muß ich seit einer Stunde immer wieder ein wenig husten; nur ganz leicht, aber lästig. Steckt irgendein Thema dahinter? Ich sehe keines. Ein sehr, sehr kleiner Lampion aus Papier im Wohnzimmerbaum zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich werde ihn jetzt anstarren (was kann ich sonst tun?). Schon wirkt er wie ein kleiner Mond, der in einem eigenartigen, grünen Universum schwebt. Ich möchte schon gern den Vorhang der Realität zerreißen, aber fürchte, dass ich der geballten Ladung dahinter nicht standhalten kann (kannst du sicherlich nicht – der innere Kritiker). Plötzlich rücken die abstrahierten und optisch geglätteten Zweige des Wohnzimmerbaumes bis fast ans Fußende des Bettes heran, während der ungewohnte Wecker tickt. Ich schiebe die Brillen hoch um besser starren zu können. Ich schiebe sie wieder herunter, um diesen Satz aufzuschreiben. Dann schieb’ ich sie wieder hinauf.

9:45 a.m.  Die Aufwärme des Heizkörpers unter dem Fenster läßt oben über dem dreifaltigen Wohnzimmerbaum zwei zusammengefallene, schlauchartige Gebilde aus Spinnwebmaterial unaufhörlich in nervösen Zuckungen tanzen und hebt sie, die ohne Aufwärme einfach herunterhängen würden, fast waagrecht in die Höhe.


(23.2.2025)


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Freitag, 21. Februar 2025

3972 Mkrr! Mkrr!

 



0:13 a.m.  Heute schon so früh im Bett – ich lese schon eine zeitlang – aber jetzt ist es Zeit, der Tag war nicht sehr groß, hocken, sitzen, lesen, spielen, kleine Texte schreiben, die Winde gingen hinten los. Nun, einkaufen war ich auch. Oh Gott! Die ganze Bücherwand rutscht schon nach unten! Nachdem sie sich wie in (sic!) einen bunten Wasserfall aufgelöst hat. Ja, dieses (sic!) habe ich gern: damit beweise ich meine Bildung und protze damit nicht zu auffällig, weil ich es in Klammern einsperre. Das Rufzeichen dient lediglich der Sache! Nicht der Eitelkeit. Rupfzeichen, Eiterkleid (geh’n wir jetzt in Richtung Nonsense-Undichtung? - der innere Spötter). (willst du den nicht ein Mal in Ich-Form sprechen lassen? Wenigstens probeweise?) Mkrr! Mkrr! Piff paff bumm! Zu spät, ich bin schon zu müde. Schlaft gut!


(21.2.2025)


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Donnerstag, 20. Februar 2025

3971 Boah!

 



9:03 a.m.  Es ist einfach so, dass ich, wenn ich aufwache und mich im Bett aufsetze, auf die große Bücherwand blicke und in letzter Zeit wird mir dabei etwas bange. Das wundert mich, denn ich bin ja so stolz auf diesen Bücherreichtum, aber vielleicht verkraftet meine Seele diesen fragwürdigen Stolz nicht mehr? Ich meine: was ich gelesen habe, habe ich zum Großteil völlig vergessen und dabei gibt es auch ungelesene Bücher, die mich an gescheiterte Projekte erinnern. Zum Beispiel die Heiligenlegenden hinsichtlich ihrer schamanischen Elemente durchzuarbeiten – die moralistische Verseuchung dieser Legenden hat mir die Lust genommen. Oder – wie ich großspurig angekündigt hatte: „Den Freud vom Kopf auf die Füße zu stellen“, meinetwegen auch umgekehrt, aber über ein bißchen reinlesen bin ich nicht hinausgekommen – der ist ja auch schon so veraltet. Oder später auch der Plan, über den Daniil-Charms’schen Wundertäter aus der Erzählung „Die alte Frau“ – der Wundertäter, der in seinem Leben nie ein Wunder vollbringt – einen Roman oder wenigstens eine kurze Erzählung zu schreiben – über ein paar in sich widersprüchliche Notizen bin ich auch nie weitergekommen. Vielleicht ist es diese unglaubliche Selbstüberschätzung, die mir jetzt Angst und Übelkeit bereitet (wenn es denn nicht einfach „die Nerven“ sind – der innere Spötter) oder mein klägliches Scheitern dabei. In Wirklichkeit habe ich doch nie richtig denken gelernt und mein Intellekt ist nicht so gut, wie ich es mir gerne einbilde. Und auch mein malerisches oder schriftstellerisches Gewurschtel ohne Ausbildung. Und meine Ausdauer – ohje! Es ist ja auch nicht so leicht, dies alles ohne jede Resonanz und ganz alleine, ohne beruflichen Rückhalt, weiterzubringen (Gut, von mir aus, ein bißchen darf er das schon anführen – der innere Kritiker). Ich bin kein Genie. Ich muß viel geistigen und beruflichen Konkurs anmelden. Bleiben mir nur meine mehr oder weniger lächerlichen, lausigen, launigen oder lustigen Texte: mehr Ernte habe ich nicht eingefahren. Boah! Wird das beim Sterben unangenehm!


(20.2.2025)


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3970 Darf ich?

 



1:38 a.m.  Darf ich heute auch etwas schreiben? Irgendetwas? Irgendwie, es muß ja nicht elegant sein; nur, damit ich über den Tag gekommen sein werde.

Mein halb dunkles Zimmer habe ich schon so oft beschrieben, die Bilder an den Wänden schon so oft abgegrast, da fällt mir ein: die drei gemalten Bilder ganz oben unter dem Plafond über dem Bücherregal: Mali Lošinj, Rettenschoess, Veli Lošinj und das schöne Photo von der winterlichen Riesneralm habe ich schon lange nicht mehr angeschaut und kommentiert. Aber wenn ich die Leselampe hochdrehe, so, dass ihr Lichtstrahl auf diese vier Objekte geht, kann die Lampe diese Stellung nicht halten und der Lampenschirm senkt sich mit dem Lichtstrahl wieder herunter und meine hochgestellten Knie kommen wieder ins Helle, hochgestellt, weil ich das Notizbuch beim Schreiben im Bett auf meine aufgerichteten Oberschenkel zu legen pflege. Wirklich Neues weiß ich nicht zu berichten: wie laut die Stille ist, wie mir vor Müdigkeit alles vor den Augen zu verschwimmen beginnt – alles schon oftmals berichtet. Und dennoch: auch hier in meiner abgelegenen Kemenate, auch jetzt in dieser Pattsituation der Kräfte und Gedanken, in dieser Gefühlsflaute: irgendwas Wichtiges spielt sich hinter all dem ab. Ich sehe es nur nicht. Und ich denke, dass es mehr ist, als dass die Lebenszeit verrinnt (wobei das für sich genommen auch schon genug wäre).


(20.2.2025)


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Mittwoch, 19. Februar 2025

3969 Interessant

 



8:38 a.m.  Ein kalter Morgen. Minus sieben Grad Celsius. Die Heizung schafft es kaum. Aber das ist nicht so interessant. Interessant ist … was? Die männliche Stimme die durch die Wand dringt – ich weiß nicht, aus welcher Wohnung – und von deren Rede ich nichts verstehen kann? Vielleicht. Mich jedenfalls interessiert sie, und sei es nur, dass da eindeutig etwas in meinem Bereich ist, das ich nicht einordnen kann: eine unverständliche Stimme redet in meinem Zimmer.


(18.2.2025)


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3968 Als Kind

 



1:13 a.m.  Heute Abend (18.2.) hätte ich fast zu meiner Frau gesagt: „Ich freue mich auf unseren Besuch des Fitnesscenters morgen“, habe aber schnell innegehalten, weil mir eingefallen ist, dass das ein unangenehmer Ort ist. Und jetzt, soeben, hatte ich wieder vergessen, dass ich, wenn ich gähne, nicht den Kopf drehen soll, und wenn ich den Kopf drehe nicht gähnen. Ich würde so gerne etwas Gescheites träumen oder gar mir im Traum bewußt sein, dass ich träume. Als Kind konnte ich das und einiges mehr.


(19.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3967 Da draußen

 



9:56 a.m.  Was erwartet mich da draußen? Was erwartet mich wirklich? Das Licht, das beim Lichtschachtfenster herein kommt, wirkt frisch, hell, belebend, optimistisch, auch wenn es grau zu sein scheint. Ach Sonne! Was du alles für uns machst! Im Sommer suchst du sogar den abgelegenen Winkel auf und scheinst auf meinen Schreibtisch. Und solche Orte gibt es viele auf der Welt. (Freilich ist das eine kindische Artikulation: ich konnte es nicht besser ausdrücken, wie es mich plötzlich berührt hat, dass dieser lebendige Feuerball tatsächlich sein Licht, so gut es geht, auch in meine Abgeschiedenheit schickt.) Ich werde noch ein wenig lesen. (Die menschliche Selbstüberschätzung läßt grüßen! - der innere Spötter.)


(18.2.2025)


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3966 Furze

 



1:42 a.m.  Stolz steht der schwarze Holzrabe vorm gelben Rollo und blickt in das Zimmer (in Wirklichkeit hängt er natürlich an seinen Nylonfäden, die in der Düsternis des nur mit der Leselampe und nur zum Teil beleuchteten Zimmers nicht zu sehen sind). Wenn ich allerdings hinstarre, beginnt er sich leicht zu bewegen. So mächtig ist mein Blick! (beziehungsweise die Müdigkeit seiner Augenmuskel – der innere Spötter). Der Lärm der Stille ist sehr dicht und bewegt sich wie in Wellen und übt einen spürbaren Druck auf meine Ohren aus. Ein querliegendes Buch im Regal beginnt sich zu verformen; den schmalen, dunklen Rücken durchlaufen Konvulsionen. Mir ist immer noch kalt. Ich schieße ein paar kleinere, festere, laute und deutliche Furze ab, (von denen ich hoffe, dass sie helfen, das Bett zu erwärmen), bevor mich wieder das Gähnen übermannt. Ja, es ist Zeit zu schlafen.


(18.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 17. Februar 2025

3965 Aufreißen

 



10:27 a.m.  Nach dem Aufwachen vor zirka drei Stunden und dem notwendigen Gang auf die Toilette hatte ich mich wieder hingelegt und im rolloverdunkelten Zimmer die Augen geschlossen gehalten, um mich noch auszuruhen und weiter zu schlafen. Es war ein leichter, traumdurchsetzter Schlaf, in den ich da geglitten bin, immer wieder hochgedämmert und neuerlich abgesunken. In den wacheren Phasen treten immer wieder Wellen der nackten Angst auf, die nicht einfach über mich hinweg gespült sind, sondern voll auf die Leibesmitte aufgeschlagen sind, als wollte eine rollende Kraft mich an dieser Stelle aufreißen. Erst als es mir gelungen ist, meine Schockstarre zu überwinden und aufzustehen und das Rollo hochzuziehen und dann im Bett nur mehr aufrecht zu sitzen, ohne mich flach zu legen, dann erst ist die Angst langsam von mir abgeflossen. Eine leichte Vibration ist immer noch da, aber die lähmt mich nicht mehr und so werde ich bald aufstehen und frühstücken. Ein wenig warte ich noch, bis sich Körper und Seele ganz beruhigt und wieder genug Wärme gespeichert haben.


(17.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3964 Zusammenklappen

 



1:16 a.m.  Ich kratzel und schmiere am Datum herum, weil ich es so schlecht und unleserlich geschrieben habe. Ansonsten ist es eine ganz normale, ganz übliche Nacht (Abend, der es ja für mich eigentlich ist, traue ich mich nicht schreiben; es käme mir anmaßend vor, die objektive Zeit so subjektiv so zu verzerren) mit Ohrensurren, Stille, nur wenig von der Leselampe erhellter Dunkelheit, mit der schlampigen Elegie meines Zimmers (ich meine es schon so, dass die Elegie schlampig und das Wort möglicherweise unangebracht ist, obwohl auch mein Zimmer selbst schlampig ist). (Den inneren Spötter, der sich gerade zu Wort melden wollte, habe ich abgewürgt – der innere Schreiber.) Vor Müdigkeit gähne ich schon und ich habe jetzt endlich nicht vergessen, dass ich dabei den Kopf nicht verdrehen darf, wenn ich nicht einen heftigen Schmerz auslösen will.

Und warum habe ich das Datum zu Beginn des handschriftlichen Textes so schlecht und schlampig geschrieben? Weil mein Notizbuch, das auf den angezogenen Oberschenkeln aufliegt, seit neuestem die Tendenz hat, unter dem Druck der Schreibhand zusammenzuklappen, wenn ich auf der linken Seite schreibe, als würde es sich schließen wollen, wobei die rechte Hälfte – das könnte sogar recht genau hinkommen, das mit der Hälfte – mir beim Schreiben auf die rechte Hand und den Pilotstift schlägt, wodurch mein Schreiben und meine Schrift gestört wird. Wenn ich auf der rechten Seite schreibe, geht es besser, weil die linke Hand sowieso auf dem Notizbuch liegt und so die zusammenklappende linke Hälfte niederdrückt. Ein Phänomen, das erst in letzter Zeit auftritt; ich weiß nicht, wie ich das vorher gemacht habe; es ist mir nicht bewußt, dass ich das Buch anders hingelegt hätte oder anders festhalten würde. Oder es hat mit der annähernd gleichen Dicke und Schwere der beiden Buchhälften zu tun, noch dazu, wo ich ein dickeres Notizbuch als üblich verwende, aber genau nachprüfen will ich das auch nicht, dazu bin ich schon zu müde und an der linken, flach auf den aufgeschlagenen Seiten aufliegenden linken Hand sehe ich schon ein grünlich-bläuliches Auralicht.


(17.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3963 Jammern

 



2:37 a.m.  Wenn ich in Gesellschaft bin, fange ich mich mit den anderen zu vergleichen an und das macht mich kaputt. Wenn ich einen Krimi schaue, vergleiche ich mich auch mit den Charakteren oder Schauspielern, aber die drehe ich dann ab. Ich schaffe es nicht, diese selbstzerstörerische Unart nachhaltig abzustellen.




8:45 a.m.  Die Angst nicht im Nacken, sondern im Gedärm sozusagen. Um von ihr nicht aufgefressen zu werden, habe ich mich im Bett aufgesetzt. Diese kalten, grauen, hinnigen Tage im Februar! Diese verdammte Angst! Fast jeden Tag diese Heimsuchung. Ich halte es schon aus, aber bin es müde. Man will ja auch endlich angekommen und selbstverständlich sein. Gut, jammern hilft nichts; ich werde noch ein wenig lesen.


14.2.2025


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 14. Februar 2025

3962 Hollersaft

 



19:15.  Bei Buchpräsentation bin ich. Wie fast immer zu früh (notorischer Hosenscheißer – der innere Spötter). Den Medardo-Rosso-Katalog habe ich schon gekauft und zu Hause abgeliefert. Wie immer in unvertrautem Gebiet bin ich unsicher und nervös, aber kann es mit einer gewissen gespielten, freundlichen Forschheit kaschieren (glaubt er! Dabei ist so ein Getue sehr leicht zu durchschauen – der innere Spötter). Ich trinke Hollersaft mit Leitungswasser. Es ist voll hier. Ich will das graue Lesezeichenbändchen meines Notizbuches richten und weiß nicht recht, wie ich es legen soll: auf den Tisch oder daneben runterhängen lassen? Ich entscheide mich für zweiteres: es hängt jetzt vom Notizbuch am runden Tisch vorbei hinunter und fällt auf das Knie meines rechten, überschlagenen Beines. Mir fällt auf, dass ich schon lange nicht mehr die Preispickerl von den Pilotstiften gezupft habe. Diese Erkenntnis löst aber nichts aus. Das Lokal strahlt ein durchaus angenehmes Retro aus. Ich werde zahlen und das Getränk in den Extrasaal mitnehmen, wenn das geht. Vielleicht sind alle anderen auch die gleichen Dodeln wie ich, nur anders ausgeformt. Schau ma mal! Ich sauf den Hollersaft schnell aus, dann brauche ich kein Glas mitschleppen.


Jetzt bin ich im Extrazimmer. Bonaserasegnorita aus den Boxen. Eingang über die Gasse, nicht durchs Lokal. Ein Fahrrad hängt ganz oben an der Wand. Ein großes Diptychon ziert den zentralen Sitzplatz, der den Vortragenden gewidmet ist, und stärkt ihnen den Rücken. Zwei riesige Röhren laufen oben an den zwei Längsseiten durch den ganzen langstreckten Raum, der den zweifelhaften (?) oder auch nicht zweifelhaften (er zweifelt selber an seiner Aussage – der innere Spötter) Charme einer nicht ganz entfalteten und noch nicht zu ihrem Wesen gekommenen, oder einer noch nicht ganz überarbeiteten und nicht fertig umgebauten Werkshalle hat. Viele Schirmmützen (7 Stern!). Nun wird es auch hier voll und gleich losgehen und ich werde das Schreibzeug einpacken.

(13.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3961 Abschreiten

 



15:07.  Im Hinterzimmer. Und vom zweiten Cappuccino voll aufgedreht. Heute ist Donnerstag. Ich muß es mir vorsagen. Die zweite Schnitte, die zum Kaffee gereicht wird, esse ich nicht (so viel Zucker vertrag’ und mag ich nicht). Blau-schwarz ist geplatzt. Gott oder wem oder was auch immer sei Dank, auch wenn wir nicht wissen, was nachher kommt. Mein Geist will schon wieder ins Phantasieren ausbüchsen. Ich mache mir Sorgen, dass meine Reservierung für übernächsten Montag hier, am Fensterplatz, nicht halten wird. Mein Gott oder wer oder was auch immer! Bin ich mißtrauisch! Ich rechne immer damit, dass man mich vergißt. Jetzt assoziiere ich vergießt, finde damit jedoch auch nicht weiter im Text. Macht nichts, alle Wege führen nach wohin auch immer. Eine sich leidenschaftlich gebende, vermutlich südöstliche Frau schlägt nebenan zur Bestärkung ihrer Aussage, die ich nicht verstehen kann, mit beiden Händen flach auf den Kaffeehaustisch. Soll ich noch ins mumok zu Medardo Rosso, bevor die Ausstellung aus ist? Mir kommt vor, es dämmert schon und das treibt mich nach Hause. Außerdem sollte ich die Küchenarbeit erledigen und meine angestauten Texte eintippen. Vielleicht schaffe ich es doch. Abends wäre noch eine interessante Buchpräsentation (Richard Schuberth). Den Medardo-Rosso-Katalog zu erwerben, wäre auch eine Option und dafür bin ich bereit, meine finanziellen Möglichkeiten zu überschreiten – wenn auch mit schlechtem Gewissen meiner Frau gegenüber; neues Bettzeug wäre auch dringend. Scheiß drauf! Ich fahre ins mumok.

16:01.  Ich bin im mumok und bin die Zeichnungen wieder abgeschritten. Meine zwei Cappuccini vorhin haben mich völlig aufgedreht. Mich hebt es fast aus; ich bin hysterisch (obwohl ich keine Gebärmutter habe), meine Handschrift ist übergroß, ich bin wie in Trance realitätsverlustig (deine Wortschöpfungen sind nicht immer lustig, nicht immer witzig – der innere Spötter); so bin ich den Weg hierher völlig umständlich und konfus gegangen und gefahren: vom Espresso Burggasse zurück zur Neubaugasse, diese hinauf bis zur Mahü (Mariahilfer Straße), zur Station der U3 stadteinwärts, mit dieser zum Volkstheater; das hätte ich einfacher mit dem Bus die Burggasse hinunter haben können; und bei der U3 bin ich völlig kontraproduktiv in Verwechslung mit der U2-Haltestelle den Zug ganz nach vor gegangen, obwohl der Aufgang zum mumok vom Zugende aus am kürzesten zu erreichen ist. Gut, ich habe wieder einmal, wenn auch nur kurz, zu den Lemden-Mosaiken aufgeschaut.

Ich bin so konfus - meine Augen spielen mir Streiche – und völlig derangiert und völlig verschwitzt, ich fürchte, dass ich schon stinke. Aber dieser weltfremde und tranceartige Zustand ist genau der richtige, um die Vernunft überwinden zu können und mir den Medardo-Rosso-Katalog zu kaufen, denn die Zeichnungen erfreuen meine Seele und ich pfeife auf den Kontostand. Ich werde hinuntergehen und den Katalog durchblättern, ob wirklich alle ausgestellten Zeichnungen abgebildet sind (dafür ist die Vernunft wieder gut! - der innere Spötter). Und beim Abgang werde ich nochmals die Zeichnungen abschreiten.


(13.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3960 Können

 



0:50 a.m.  Ich habe wieder Zwiebelhälften im Zimmer aufgehängt, denn ein leichtes Halsweh, wie es gerne zu Beginn einer zweiwöchigen Erkältung auftritt, habe ich heute schon verspürt. Der dumpfe und scharfe Zwiebelgeruch wird die antriftende Krankheit vertreiben. Dabei habe ich erst vor ein paar Tagen die alten aufgehängten Zwiebel in den Biomüll geworfen. Mir tut das nasskalte Wetter nicht gut. Ansonsten passt alles. (Ist das dein Ernst? So einen belanglosen Text willst du auf die Schublade stellen? Geht’s noch? - der innere Kritiker.) (Halt die Klappe! Dafür ist eine Schublade da - der Schreiber.)


9:06 a.m. Kunst kommt von Können, heißt es, aber was muß sie können? Egal, für solche Diskussionen ist es zu früh. Ich hocke da wie ein Astronaut bei der Landung (das weiß er gar nicht, wie ein Astronaut bei der Landung hockt – der innere Spötter). Ich setze zu einer Verteidigungsrede gegen den Spötter an – so in die Richtung: das Bild und was es auslösen kann ist wichtiger als die konkrete Korrektheit – nur abstrakt muß das Bild wahr sein – aber ich schlafe dabei ein. Nur kurz, dann wache ich wieder auf und blicke verschlafen ins trübe Zimmer. Fröhlichkeit kommt nun von außen: die Tageskinder kommen die Stufen herauf und ich höre ihre fröhlichen Rufe aus dem Stiegenhaus. Im Traum werde ich in eine kleine Kammer von der Größe eines Aufzugs eingesperrt, aber wache rechtzeitig erschrocken auf. Draußen in der realen Welt dürften Wolken oder dichter Nebel herrschen. Die Augen sind mir schon wieder zugefallen. Nestroy fällt mir ein und sogleich fühle ich mich als Versager (das darf man nicht so ernst nehmen: das ist hald (sic!) die älteste, grundlegendste und stärkste Definition, die ihm wie ein Fluch in sein tiefstes Bewußtsein implantiert wurde; er geht eh ganz geschickt damit um, auch wenn es ihm nicht gelungen ist, die Programmierung nachhaltig zu löschen – der innere Kritiker). Ich lege jetzt das Notizbuch weg und hocke einfach so da, gut zugedeckt lasse ich alles in Form von Zeit vorbeigleiten.


(13.2.2025)


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Mittwoch, 12. Februar 2025

3959 Das alte Bild

 



10:02 a.m.  Dass der Holzrabe am Fenster, angestoßen vom Hochziehen des Rollos und unterstützt von der Aufwärme des Heizkörpers, hin und her schaukelt, kann ich nicht schon wieder als Einstieg verwenden. Ich habe mich im jetzt wirklich warmen Bett aufgesetzt - sorgsam darauf bedacht, gut zugedeckt zu bleiben – um mir und meinem kleinen Zimmer eine schriftlich festgehaltene Morgenbetrachtung abzuringen. Meine Augen wandern herum, vornehmlich auf der Bücherwand, weil sie gegenüber steht und vom grauen Licht aus dem Lichtschacht erfaßt zum helleren Bereich gehört. Heute habe ich vor, ein altes Bild, das ich in den frühen Achtzigerjahren gemalt habe, nach Jahrzehnten wieder zu sehen und zu betrachten; ich habe mich bei der Eigentümerin einfach eingeladen, was nicht so meine Art ist, würde ich sagen, aber ich will dieses Bild, eines der wenigen Überlebenden aus dieser Zeit, unbedingt sehen. Nachdem ich selbst es war, der in den Neunzigern alle meine damals erreichbaren Bilder zerstört hat, kann ich auch sagen, dass ich in Sachen Reue unterwegs bin (vielleicht auch in Sachen Selbstmitleid – der innere Spötter). Mein arme Seele (hab’ ich’s doch gesagt! - der innere Spötter) ist schon ganz aufgeregt. Aber jetzt fallen mir plötzlich wirklich lauter peinliche Dummheiten meines Lebens ein. Was machen die hier? Naja, das kriegen wir schon noch rechtzeitig hin! Unter meiner dünnen habe ich eine dicke Haut. Aufstehen und Frühstücken wird mich stärken.


(12.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3958 Kalt an Zehen, Händen, Gesicht

 



2:34 a.m.  Kalt ist mir an den Zehen, den Händen und im Gesicht. Es ist spät und ich will noch schnell etwas schreiben, irgendetwas. Dass die Zedee schief im Gestell steckt, habe ich schon geschrieben (sie hat ein um einen Millimeter größeres Format und fällt somit aus der Norm, auf die der CD-Ständer ausgerichtet ist). Draußen war ein starker, lästiger, kalter Wind – ich habe es beim Lüften des Zimmers jetzt vorm Schlafengehen bemerkt. Ich gehe noch einmal aufs Klo (jetzt habe ich eh nur einen Pyjama an), zögere etwas, weil ich das einigermaßen wenigstens teilweise warme Bett nicht verlassen will, weil ich dann nicht nur meinen leicht bekleideten und noch nicht ganz aufgewärmten Körper der Kälte in der Wohnung ausliefern muß, sondern auch mit dem Zurückschlagen der Bettdecken die mühsam angestaute und noch nicht ausreichende Wärme aus dem Bett entweichen wird.


(12.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 11. Februar 2025

3957 Stehpinkeln

 



14:11.  Die Kristallkugelluster strahlen ihr ruhiges, besonnenes Licht ab. Ich sitze in meinem Lieblingscafé. Ich habe den langen Weg geschafft, gegen meine Gewohnheit den Hinweg zum Großteil zu Fuß. Den Rückweg, den ich meist zu Fuß erledige, werde ich heute fahren. Ich lache innerlich über einen Scherz, den ich mir in meiner Phantasie ausgedacht habe. In diesen phantasierten Szenen schneide ich oft besser ab als im wirklichen Leben. Die Stimmung hier ist angenehm, moderat aufgedreht, meine Wangen glühen – glaube ich. Sanfter, dezenter, schaumgebremster Soul strömt recht angenehm aus den Boxen. Das Schnittenstück zum Kaffee habe ich schon längst verschlungen; die Zeitungslektüre hat auch gepasst: als sie mir zu viel zu werden drohte, habe ich die Blätter (Standard, Kleine Zeitung Graz) weggelegt (was kaum mit den Inhalten zu tun hatte, sondern mit der drohenden Eindrucksüberlastung). Ich spüre schon: bald werde ich gehen. Meine Augen jucken (heute hatte ich zum Frühstück rohen Knoblauch aufs Brot gegeben, aber mit einer rohen Karotte dagegen zu halten versucht). Ich geh noch pinkeln, dann ist es Zeit zu gehen.

Das Auspacken der männlichen Pissvorrichtung war in dieser Winterzeit gar nicht so einfach: damit man und frau sich vom Stehpinklen in dieser Jahreszeit eine Vorstellung machen können: das Sakko ist zwar offen, aber darunter ist der Pullover, den ich etwas hochziehen muß, um ans Hosentürl zu kommen. Im Hosenbund steckt das Hemd (von griechisch ἱμάτιον, himation), das ich dann ebenfalls hochschieben muß, um an den Schlitz der langen Unterhose zu gelangen, was gar nicht so leicht ist: da muß ich dann den suchenden Finger durchstecken, der jedoch gleich auf das bei der Kälte draußen darunter geschlichtete, in blauer Schrift mit Sie haben falsch gewählt auf schwarzem Stoff bedruckte T-Shirt, das ich zur Zeit als soetwas wie ein Unterleiberl benutze, stößt und dessen unteres Ende er finden muß, um es ebenfalls hochzuschieben. Dann bin ich bei der eigentlichen, kurzen Unterhose, die keinen Schlitz hat; also muß ich meinen Finger regelrecht verrenken, um den Bund dieser Unterhose oben zu finden, um ihn hinunter, jetzt also hinunterschieben zu können und das Dings, das Zumpferl zu erwischen und es durch all diese Schlitze und an all diesen ziehenden und stauenden Stoffen vorbei ins Freie zu fischen. Dann kann ich es rinnen lassen, wobei ratsam ist, darauf zu achten, ob das Präputium (er hat auch erst nachschauen müssen – der innere Verräter) nicht irgendwelche Schamhaare – ja, ich schäme mich für diesen Text! - eingezwickt hat, was bewirken kann, dass sie, die Vorhaut, verschoben ist und somit die Spitze des Dings – ihr wißt schon! - abgedeckt ist, die Öffnung der Vorhaut aber seitlich platziert ist, sodass es passieren kann, das der Strahl nicht nach vorne in die Pissmuschel (was für ein blöder Name! aber auch Pinkelbecken oder Urinal genannt) geht, sondern seitlich oder gar Richtung Pinkler. Andere Methoden und Vorgehensweisen, die ich schon auf so manchem Pissoir gesehen habe – wie zum Beispiel öffnen des Hosenbundes und gesamtregionales Aufmachen der Hose, nicht nur des Hosenschlitzes – habe ich aus angeborener Skepsis gegen Neuerungen und tief sitzendem, unausrottbaren Konservativismus noch nie ausprobiert. Ich hätte auch ein ungutes Gefühl, am Männerklo meine Hose fast schon runterzulassen. (Mit Sitzpinkeln habe ich übrigens kein Problem; das praktiziere ich zu Hause schon seit Jahrzehnten.) Ja, und nach der Erleichterung, beim Einpacken des Werkzeugs, kann es sein, dass sich herausstellt, dass der Schlauch wegen der umständlichen und knickanfälligen Wasserleitungssituation sich beim Herabhängen als nicht ganz leer herausstellt und … so! Schluß jetzt! Aus! Zahlen und Abmarsch!


(11.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3956 Zacken und Schlieren

 



0:41 a.m.  Mein Smartphone düdelt. 0 Grad Celsius soll es draußen haben. Zum Lesen bin ich schon zu müde, zum Schlafen noch nicht müde genug. Mein Geist will ausbüxen und sich in wilde, gewalttätige Phantasien stürzen, aber ich halte dagegen, wiewohl er kaum zu bändigen ist. Eine leichte Gereiztheit und Ungeduld meine ich zu verspüren, ja, beinahe soetwas wie einen körperlichen Tatendrang. Aber um diese Zeit kann ich doch nichts tun. Für eine Nachtwanderung bin ich zu faul. Dann werde ich doch schlafen versuchen.


9:13 a.m. Die Holzvögel schaukeln an ihren Plastikfäden. Eine Zedee steckt schief im Gestell. Graues Morgenlicht hängt gelangweilt im Zimmer. Die frankophone Schweizerin bringt sich ins Wahrnehmungsspiel, aber dann zerbröselt sie vor meinen Augen und wird schemenhaft. Die mächtige Bücherwand wirkt heute besonders stark und eindrucksvoll. Die Bücher dort los- und ihrem Schicksal zu überlassen wird mir schwerfallen (ich nehme ihm seine ständig hervorgehobene Liebe zu Büchern nicht ganz ab! - der innere Kritiker). Ich denke über die ziemlich zufällige Ordnung der Bücher nach und ob da eine unbewußte, verdeckte Absicht erkennbar ist (warum zum Beispiel steht der Denzinger-Hünermann so nahe bei den Castaneda-Bänden?). Mein Kopf beginnt unwillkürlich zu wackeln. Dann beruhigt er sich wieder. Die Wellen eines Schlages unten im Vorzimmer vermutlich gegen die Wand oder die Sitzbank spüre ich durch meinen Schädel laufen. Ein undeutlicher, unspezifischer Alarm platzt in meine Leibesmitte. Keine Ahnung, wovor er mich warnen will. Ich beneide tüchtige Leute (aus der Ferne). Ein Cousin meines Vaters taucht in einer Szene in meine Gedanken auf, eine Erinnerung, aber ich bleibe ein Underdog. Und sein Sohn hat eine gewisse Ähnlichkeit mit meiner Großmutter im Gesicht, was mir jetzt erst auffällt (Achtung! Stimmt nur, wenn er sich an die Gesichter richtig erinnert! - der innere Kritiker). Ich wende meinen Blick von der frankophonen Schweizerin, die inzwischen wieder kompakter geworden ist, ab und lenke ihn auf die Bilder auf der Kastenwand am Fußende, die abseits vom Fenster weniger Morgenlicht erhalten und deswegen dunkler erscheinen. Das Kratzelbild zieht meine Aufmerksamkeit an sich, weil es Licht aus sich in diese dunkle Ecke zu leiten scheint. Aber jetzt tanzen Zacken und Schlieren vor meinen Augen und es wird Zeit.


(11.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3955 Noch nicht

 



2:18 a.m.  Mein Kopf schwirrt von den Geschichten, Bildern und Stimmen, die ich mir heute reingezogen habe. Eigenartig, ich glaub immer, dass ich mich so abgrenzen und finden kann. Ich meine, wenn ich mich an den Laptop setze. Jedenfalls werde ich ruhiger, atme auf und muß nicht immer zum Beispiel an den bajuwarischen Affenarsch denken, oder was es sonst noch an Lieblingsthemen und -erinnerungen gibt. Ich bin dann nicht in der Vergangenheit, sondern im Hier und Jetzt, wenn auch im Hier und Jetzt des Krimis zum Beispiel oder des Computerspiels. Schaut so aus, als wäre ich nur in der Scheinanwesenheit anwesend. Okay, das lasse ich jetzt; das wird mir zu kompliziert. Den Falter sollte ich morgen wieder aus dem Altpapiersack holen; den Artikel vom Lingens über die Erinnerungen seiner Mutter im KZ will ich aufheben. Dass mir das nicht gleich beim Entsorgen der Wochenendzeitungen eingefallen ist! (da war ich eben in der Realität und nicht bei mir). Und jetzt? Jetzt gleite ich immer mehr ins Nachdenken über mein Leben und was da falsch gelaufen ist, aber noch bin ich nicht gekippt.


(10.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 7. Februar 2025

3954 Kurzstreckenfeudalismus

 



12:08.  Evo; Klimt (pfui!); Monster; Zwaaanzig-eeiinuuundzwaaanzig; Lucy-Bar; Cappuccino; Gute-Laune-Tee (nicht ich); Berufsrettung (Straße); kahle Bäume an der Straße; der Burg- oder Orchestergraben (teilweise eingehegt); Künstlerfußball?; eine Straßenbahn; Endorphingedudel (regt mich jetzt nicht auf); jemand pfeift; die vielen schönen Lampenschirme; Hund mit Scheibe im Maul (Straße); die Sonne glitzert am Hochhaus bis hierher; Zwetschge (Journal); langer, bunter Mantel, quergestreift; Gin (Journal); Berufsrettung (Straße); noch ein Cappuccino?; wie ordere ich am besten den zweiten Cappuccino? (ich schreib jetzt nicht hin, dass ich ein lebensuntüchtiger Trottel bin); geschafft! (und zwar elegant: nonverbal mit Handzeichen aus einiger Entfernung – der innere Kritiker); zartes Sonnenlicht auf den kahlen Bäumen im Schweizer Garten; jetzt fällt mir auf: der Kaffee ist nun viel, viel besser als früher; ein Malletinstrument vermutlich auf Plastik; und jetzt lieblich weicher, weiblicher Gesang auf sensibel (ich fühle mich wohl, deshalb geht das rein); jetzt anmelden steht auf einem Haus. Polizei (Straße, andere Richtung); Saxophon (der Schmerz über das Leben im Funktionalen); die sanfte E-Gitarre versucht zu trösten; ich fühl mich eh wohl; Ich biete meiner Frau an, sie auf einen Whisky oder Gin einzuladen (sie lacht: wir wissen beide, dass das nicht ernst sein kann); wieder zupft sich eine Gitarre durch den von Transzendenz leergeräumten Raum (und macht dadurch erst recht darauf aufmerksam); Kaffee fördert meine Assoziationsproduktion; ich frage meine Frau, ob sie schon genug hat; „bald!“ antwortet sie; Schwierigkeiten mit dem Smartphone beim Verschicken eines Photos; „ich bin bereit!“; am Rückweg fällt mir der Begriff ein, den ich beim Hinfahren erfunden habe: Kurzstreckenfeudalismus: weil meine liebe Frau im Wagon - obwohl wir nur drei Stationen vom Praterstern zum Quartier Belvedere gefahren sind – sofort in den ersten Stock hinauf wollte und für uns zwei einen viersitzigen Platz mit zwei bequem gegenüber stehenden Bänken ergattert hat.


(7.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 5. Februar 2025

3953 In der Sakkotasche

 



1:16 a.m.  Nichts.

(Vor langem – es muß schon einige Monate her sein – habe ich etwas auf eine Visitenkarte der Lucy-Bar im Zwanzgerhaus/Belvedere21 gekritzelt, die mir vor ein paar Tagen beim Durchwühlen einer Sakkotasche – die Karte muß schon monatelang, wenn nicht jahrelang in der Innentasche des Sakkos verbracht haben, bevor ich sie herausgeholt und etwas darauf geschrieben habe – diese Karte ist mir also zufällig in die Hand gekommen und auf der stand: „Schreiben als Schwimmbewegungen, um sich oben zu halten, um nicht abzusaufen, um nicht unterzugehen.“ Anscheinend hatte ich mein Notizbuch damals nicht dabei. Keine Ahnung wann und wo mir vorgekommen ist, dass diese Erkenntnis so wichtig ist, dass ich sie schnell notieren muß; in der Lucy-Bar war das sicher nicht, denn niemals betrete ich ein Museum ohne Notizbuch. Immerhin habe ich es aufgeschrieben; viele „Erkenntnisse“, Sätze, Gedanken und Textanfänge habe ich wieder vergessen, weil ich sie nicht sofort aufgeschrieben hatte.) (Damit das klar ist: zunächst monate- wenn nicht jahrelang die Visitenkarte in der Tasche, dann die Notiz darauf, weil kein Notizbuch oder sonst ein Zettel zur Hand, dann wieder wochen- oder monatelang in der Tasche.)


(5.3.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 4. Februar 2025

3952 KHM+Mumok

 



12:24.  Endlich habe ich es ins Kunsthistorische Museum geschafft, bin darin herumgewandert und sitze nun vor Tizians Jesus und die Ehebrecherin. Mir ist das alles zu viel und offensichtlich bin ich von der „großen Kunst“ überfordert. Ich komme mit dieser bedeutungsgeladenen Darstellerei in den Sälen nicht zu recht, und vor den Bildern, die ich wegen der interessanten Farbflächen und des interessanten Farbauftrags länger anschauen will, gibt es keine Sitzgelegenheiten. Aber dieses Bild geht. Ich schaue das Unterhemd des Jesus an und die Bluse der Ehebrecherin. Ich meine, das ist eine der tollsten Szenen im Evangelium! Am Bild mag ich - und auf mich kommt es nicht an – die tendenzielle malerische Auflösung der Flächen von Gewand, Mauern und Himmel. Die Gesichter wirken etwas überzeichnet und kommen für meinen Geschmack etwas zu stark heraus – wie gesagt: ich mag die Auflösung – und was mich wirklich erstaunt und mir erst jetzt auffällt: auch bei Jesus sehe ich keinen Heiligenschein. Das mit dem Herauskommen der Gesichter ist auch wieder falsch, denn sie bleiben schon im Kontext „gefangen“ (nonanet!), außer vielleicht die Frau: sie hat mehr Licht als Jesus! Sehr interessant: Jesus nimmt sich so zurück!

Die Heiligenscheine bei Raffael mag ich überhaupt nicht! Die schauen wie eine Vorwegnahme einer elektrisch-technischen Lösung à la Neonlichtreklame aus und spiegeln nichts mehr von der Ahnung unseres meist abgedrängten, aber bei wirklich „Heiligen“ wieder in die Nähe gekommenen leuchtenden Körpers, der mit allem verbunden ist (Das ist keine Kunstkritik, sondern eine „religiöse“ ( - wenn man so will) Religionskritik).

Jetzt erhole ich mich im Brueghelsaal, bei den bodenständigen (oh! oh! oh! hört! hört! - der innere Spötter) Bildern und wie mir vorkommt: weniger aufgeladen mit überdrehten Bedeutungen. Das Leben zeigt sich so wie es ist; es braucht nicht zusätzlich hochgefahrene Repräsentanz und Aufgeladenheit. Es ist auch so schön und schlimm genug. Hier ist viel los und ich habe keinen sichtoptimalen Sitzplatz gefunden; macht nichts, am besten habe ich die winterliche Rückkehr der Jäger im Blick und das Bild mag ich (ich habe schon gesagt: auf mich und was ich mag oder nicht, kommt es nicht an). Ich werde noch herumgehen und die herzerfrischenden Kinderspiele und Ähnliches anschauen. Aber im KHM ist mir letztlich alles zu viel.

Jetzt jedoch erhole ich mich bei den Zeichnungen von Medardo Rosso – ich bin vom KHM zum Mumok übergewechselt. Ja! Was für eine Demut! Welch sensible Zartheit und Feinfühligkeit in der Repräsentanz; und dennoch so präzise und bestimmt! Was für eine Liebe zum Leben im Augenblick! Ja, hier erhole ich mich. Hier darf ich sein. Ich werde die Reihe der Zeichnungen noch einmal abschreiten (am liebsten würde ich bei jedem Bild salutieren!), dann wird mich der Hunger in die U-Bahn und nach Hause treiben. Wir habe es hier in Wien schon toll!


(4.2.2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3951 Nichts und auch nichts

 



0:55 a.m.  Nichts.


(30.1.2025)


2:03 a.m.  Auch nichts.


(3.2.2025)


1:46 a.m.  Es ist schon etwas da, aber ich kann es nicht recht beschreiben: etwas Ziehendes. Das klingt saublöd, aber ich spüre in mir ein Ziehen. Manchmal über den Augen mitten auf der Stirn, was ein Empfinden von Weinerlichkeit auslöst, als würde ich gleich losheulen – was ich aber nie tue. Manchmal finde ich das Ziehen mehr in der Leibesmitte, ungefähr beim Solarplex (von dem er gar nicht weiß, wo genau der sitzt! - der innere Spötter), und dann ist diesem Ziehen etwas Hungriges beigemischt; „Hunger“ nach ich weiß nicht was.


(4.3. 2025)


©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com