3957 Stehpinkeln
14:11. Die Kristallkugelluster strahlen ihr ruhiges, besonnenes Licht ab. Ich sitze in meinem Lieblingscafé. Ich habe den langen Weg geschafft, gegen meine Gewohnheit den Hinweg zum Großteil zu Fuß. Den Rückweg, den ich meist zu Fuß erledige, werde ich heute fahren. Ich lache innerlich über einen Scherz, den ich mir in meiner Phantasie ausgedacht habe. In diesen phantasierten Szenen schneide ich oft besser ab als im wirklichen Leben. Die Stimmung hier ist angenehm, moderat aufgedreht, meine Wangen glühen – glaube ich. Sanfter, dezenter, schaumgebremster Soul strömt recht angenehm aus den Boxen. Das Schnittenstück zum Kaffee habe ich schon längst verschlungen; die Zeitungslektüre hat auch gepasst: als sie mir zu viel zu werden drohte, habe ich die Blätter (Standard, Kleine Zeitung Graz) weggelegt (was kaum mit den Inhalten zu tun hatte, sondern mit der drohenden Eindrucksüberlastung). Ich spüre schon: bald werde ich gehen. Meine Augen jucken (heute hatte ich zum Frühstück rohen Knoblauch aufs Brot gegeben, aber mit einer rohen Karotte dagegen zu halten versucht). Ich geh noch pinkeln, dann ist es Zeit zu gehen.
Das Auspacken der männlichen Pissvorrichtung war in dieser Winterzeit gar nicht so einfach: damit man und frau sich vom Stehpinklen in dieser Jahreszeit eine Vorstellung machen können: das Sakko ist zwar offen, aber darunter ist der Pullover, den ich etwas hochziehen muß, um ans Hosentürl zu kommen. Im Hosenbund steckt das Hemd (von griechisch ἱμάτιον, himation), das ich dann ebenfalls hochschieben muß, um an den Schlitz der langen Unterhose zu gelangen, was gar nicht so leicht ist: da muß ich dann den suchenden Finger durchstecken, der jedoch gleich auf das bei der Kälte draußen darunter geschlichtete, in blauer Schrift mit Sie haben falsch gewählt auf schwarzem Stoff bedruckte T-Shirt, das ich zur Zeit als soetwas wie ein Unterleiberl benutze, stößt und dessen unteres Ende er finden muß, um es ebenfalls hochzuschieben. Dann bin ich bei der eigentlichen, kurzen Unterhose, die keinen Schlitz hat; also muß ich meinen Finger regelrecht verrenken, um den Bund dieser Unterhose oben zu finden, um ihn hinunter, jetzt also hinunterschieben zu können und das Dings, das Zumpferl zu erwischen und es durch all diese Schlitze und an all diesen ziehenden und stauenden Stoffen vorbei ins Freie zu fischen. Dann kann ich es rinnen lassen, wobei ratsam ist, darauf zu achten, ob das Präputium (er hat auch erst nachschauen müssen – der innere Verräter) nicht irgendwelche Schamhaare – ja, ich schäme mich für diesen Text! - eingezwickt hat, was bewirken kann, dass sie, die Vorhaut, verschoben ist und somit die Spitze des Dings – ihr wißt schon! - abgedeckt ist, die Öffnung der Vorhaut aber seitlich platziert ist, sodass es passieren kann, das der Strahl nicht nach vorne in die Pissmuschel (was für ein blöder Name! aber auch Pinkelbecken oder Urinal genannt) geht, sondern seitlich oder gar Richtung Pinkler. Andere Methoden und Vorgehensweisen, die ich schon auf so manchem Pissoir gesehen habe – wie zum Beispiel öffnen des Hosenbundes und gesamtregionales Aufmachen der Hose, nicht nur des Hosenschlitzes – habe ich aus angeborener Skepsis gegen Neuerungen und tief sitzendem, unausrottbaren Konservativismus noch nie ausprobiert. Ich hätte auch ein ungutes Gefühl, am Männerklo meine Hose fast schon runterzulassen. (Mit Sitzpinkeln habe ich übrigens kein Problem; das praktiziere ich zu Hause schon seit Jahrzehnten.) Ja, und nach der Erleichterung, beim Einpacken des Werkzeugs, kann es sein, dass sich herausstellt, dass der Schlauch wegen der umständlichen und knickanfälligen Wasserleitungssituation sich beim Herabhängen als nicht ganz leer herausstellt und … so! Schluß jetzt! Aus! Zahlen und Abmarsch!
(11.2.2025)
©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com
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