3952 KHM+Mumok
12:24. Endlich habe ich es ins Kunsthistorische Museum geschafft, bin darin herumgewandert und sitze nun vor Tizians Jesus und die Ehebrecherin. Mir ist das alles zu viel und offensichtlich bin ich von der „großen Kunst“ überfordert. Ich komme mit dieser bedeutungsgeladenen Darstellerei in den Sälen nicht zu recht, und vor den Bildern, die ich wegen der interessanten Farbflächen und des interessanten Farbauftrags länger anschauen will, gibt es keine Sitzgelegenheiten. Aber dieses Bild geht. Ich schaue das Unterhemd des Jesus an und die Bluse der Ehebrecherin. Ich meine, das ist eine der tollsten Szenen im Evangelium! Am Bild mag ich - und auf mich kommt es nicht an – die tendenzielle malerische Auflösung der Flächen von Gewand, Mauern und Himmel. Die Gesichter wirken etwas überzeichnet und kommen für meinen Geschmack etwas zu stark heraus – wie gesagt: ich mag die Auflösung – und was mich wirklich erstaunt und mir erst jetzt auffällt: auch bei Jesus sehe ich keinen Heiligenschein. Das mit dem Herauskommen der Gesichter ist auch wieder falsch, denn sie bleiben schon im Kontext „gefangen“ (nonanet!), außer vielleicht die Frau: sie hat mehr Licht als Jesus! Sehr interessant: Jesus nimmt sich so zurück!
Die Heiligenscheine bei Raffael mag ich überhaupt nicht! Die schauen wie eine Vorwegnahme einer elektrisch-technischen Lösung à la Neonlichtreklame aus und spiegeln nichts mehr von der Ahnung unseres meist abgedrängten, aber bei wirklich „Heiligen“ wieder in die Nähe gekommenen leuchtenden Körpers, der mit allem verbunden ist (Das ist keine Kunstkritik, sondern eine „religiöse“ ( - wenn man so will) Religionskritik).
Jetzt erhole ich mich im Brueghelsaal, bei den bodenständigen (oh! oh! oh! hört! hört! - der innere Spötter) Bildern und wie mir vorkommt: weniger aufgeladen mit überdrehten Bedeutungen. Das Leben zeigt sich so wie es ist; es braucht nicht zusätzlich hochgefahrene Repräsentanz und Aufgeladenheit. Es ist auch so schön und schlimm genug. Hier ist viel los und ich habe keinen sichtoptimalen Sitzplatz gefunden; macht nichts, am besten habe ich die winterliche Rückkehr der Jäger im Blick und das Bild mag ich (ich habe schon gesagt: auf mich und was ich mag oder nicht, kommt es nicht an). Ich werde noch herumgehen und die herzerfrischenden Kinderspiele und Ähnliches anschauen. Aber im KHM ist mir letztlich alles zu viel.
Jetzt jedoch erhole ich mich bei den Zeichnungen von Medardo Rosso – ich bin vom KHM zum Mumok übergewechselt. Ja! Was für eine Demut! Welch sensible Zartheit und Feinfühligkeit in der Repräsentanz; und dennoch so präzise und bestimmt! Was für eine Liebe zum Leben im Augenblick! Ja, hier erhole ich mich. Hier darf ich sein. Ich werde die Reihe der Zeichnungen noch einmal abschreiten (am liebsten würde ich bei jedem Bild salutieren!), dann wird mich der Hunger in die U-Bahn und nach Hause treiben. Wir habe es hier in Wien schon toll!
(4.2.2025)
©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com
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