3973 Vorhang
2:15 a.m. Seit drei Stunden versuche ich zu schlafen und kann es nicht. Das kommt selten vor. Ich grüble ständig herum, meist kleine Szenen aus meinem Leben tauchen auf, auch Situationen, die ich längst vergessen hatte, meine Phantasie arbeitet ständig daran, diese Szenen und vor allem die Dialoge zu verbessern im Hinblick darauf, wie sie stattgefunden haben (er kann es einfach nicht akzeptieren, dass man Geschehenes nicht ändern kann – der innere Kritiker) (wer weiß! Vielleicht kann er das! - der innere Spötter). Es ist alles unrund. Völlig unmotiviert muß ich seit einer Stunde immer wieder ein wenig husten; nur ganz leicht, aber lästig. Steckt irgendein Thema dahinter? Ich sehe keines. Ein sehr, sehr kleiner Lampion aus Papier im Wohnzimmerbaum zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich werde ihn jetzt anstarren (was kann ich sonst tun?). Schon wirkt er wie ein kleiner Mond, der in einem eigenartigen, grünen Universum schwebt. Ich möchte schon gern den Vorhang der Realität zerreißen, aber fürchte, dass ich der geballten Ladung dahinter nicht standhalten kann (kannst du sicherlich nicht – der innere Kritiker). Plötzlich rücken die abstrahierten und optisch geglätteten Zweige des Wohnzimmerbaumes bis fast ans Fußende des Bettes heran, während der ungewohnte Wecker tickt. Ich schiebe die Brillen hoch um besser starren zu können. Ich schiebe sie wieder herunter, um diesen Satz aufzuschreiben. Dann schieb’ ich sie wieder hinauf.
9:45 a.m. Die Aufwärme des Heizkörpers unter dem Fenster läßt oben über dem dreifaltigen Wohnzimmerbaum zwei zusammengefallene, schlauchartige Gebilde aus Spinnwebmaterial unaufhörlich in nervösen Zuckungen tanzen und hebt sie, die ohne Aufwärme einfach herunterhängen würden, fast waagrecht in die Höhe.
(23.2.2025)
©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com
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