3971 Boah!
9:03 a.m. Es ist einfach so, dass ich, wenn ich aufwache und mich im Bett aufsetze, auf die große Bücherwand blicke und in letzter Zeit wird mir dabei etwas bange. Das wundert mich, denn ich bin ja so stolz auf diesen Bücherreichtum, aber vielleicht verkraftet meine Seele diesen fragwürdigen Stolz nicht mehr? Ich meine: was ich gelesen habe, habe ich zum Großteil völlig vergessen und dabei gibt es auch ungelesene Bücher, die mich an gescheiterte Projekte erinnern. Zum Beispiel die Heiligenlegenden hinsichtlich ihrer schamanischen Elemente durchzuarbeiten – die moralistische Verseuchung dieser Legenden hat mir die Lust genommen. Oder – wie ich großspurig angekündigt hatte: „Den Freud vom Kopf auf die Füße zu stellen“, meinetwegen auch umgekehrt, aber über ein bißchen reinlesen bin ich nicht hinausgekommen – der ist ja auch schon so veraltet. Oder später auch der Plan, über den Daniil-Charms’schen Wundertäter aus der Erzählung „Die alte Frau“ – der Wundertäter, der in seinem Leben nie ein Wunder vollbringt – einen Roman oder wenigstens eine kurze Erzählung zu schreiben – über ein paar in sich widersprüchliche Notizen bin ich auch nie weitergekommen. Vielleicht ist es diese unglaubliche Selbstüberschätzung, die mir jetzt Angst und Übelkeit bereitet (wenn es denn nicht einfach „die Nerven“ sind – der innere Spötter) oder mein klägliches Scheitern dabei. In Wirklichkeit habe ich doch nie richtig denken gelernt und mein Intellekt ist nicht so gut, wie ich es mir gerne einbilde. Und auch mein malerisches oder schriftstellerisches Gewurschtel ohne Ausbildung. Und meine Ausdauer – ohje! Es ist ja auch nicht so leicht, dies alles ohne jede Resonanz und ganz alleine, ohne beruflichen Rückhalt, weiterzubringen (Gut, von mir aus, ein bißchen darf er das schon anführen – der innere Kritiker). Ich bin kein Genie. Ich muß viel geistigen und beruflichen Konkurs anmelden. Bleiben mir nur meine mehr oder weniger lächerlichen, lausigen, launigen oder lustigen Texte: mehr Ernte habe ich nicht eingefahren. Boah! Wird das beim Sterben unangenehm!
(20.2.2025)
©Peter Alois Rumpf Februar 2025 peteraloisrumpf@gmail.com
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