2151 Zur Raison gebracht
Nun sitz ich an einer Ecke des aufgeklärten kaiserlich
gewidmeten Lustgartens und schau auf die Kultmassen an Sonnenanbetern, als mir
eine Volksschullehrerin von hinten hysterisch-aggressiv ins Ohr schreit. Bloßer
Kollateralschaden, denn angezielt und angeschrien hat sie die braven Kinder,
die sich sehr kooperativ durch den Au-Garten treiben lassen. Tut in den Ohren
trotzdem weh.
Links von mir übervirtuosisiert ein Balkanakkordeonist und
verdirbt mir die Freude am Balkanblues. Vermutlich glaubt er, die depperten
Mitteleuropäer wollen das so. Oder seine Kunst ist selbst schon verdorben.
Karawanen, jauchzende Kinder, rufende und telefonierenden Pseudo-
und Erwachsene. Der Saharastaub bricht das Licht auf ein silbriges Glitzern
herab. (My Way! Das geht! Da passt seine Spielweise so halbwegs.) Ein
hellgrüner Pullover eilt leichtfüßig und aufrecht vorbei. Französisch höre ich
von zwei Kopftuchfrauen. Ein Mann breitet kurz und knapp über seiner
Körpermitte seine Hände verhalten aus. Ein anderer trägt seine in den
Hosentaschen bei sich.
Ich muß mein rechtes Auge zusammenzwicken. Ich bin nicht der
einzige Glatzkopf hier. (Jetzt spielt er deutsche Schalger – fast unerträgliche
Kost trotz Sonnenscheinmilde – aber er ziert sie gut aus und balkanisieret sie
sanft.)
Oh, jetzt kommt Elias vorbei und verweilt eine Weile bei
mir, bevor er dann doch zu quengeln beginnt und in seinem Wagen weiter zieht
respektive gezogen wird.
Aber so ist es: zuerst denke ich: ein schöner, warmer,
sonniger Tag – nichts wie raus! Seit meinem Psychozusammenbruch vor 3 Jahren
schon deutlich eingebremst – aber dennoch: nichts wie raus in die Sonne! Und
dann bin ich draußen im Grünen und mir wird fad. Ich will zurück in meine
Kemenate an mein Laptop. Aber ich zwinge mich aus Vernunft in der Sonne zu
bleiben. So bringe ich mich zur Raison.
(23.2.2021)
©Peter Alois Rumpf Februar 2021
peteraloisrumpf@gmail.com