2141 Albertinus Magnus
Marianne von Werefkins „Sturmwind“, das Fenster des lichte
Cafés verspricht drinnen das Leben in Fülle, während heraußen der Nachtsturm
die Bäume beugt und die verhungernde Mondsichel kurz freilegt. Drei Männer
gehen – die Hände in den Taschen – auf das Café zu, gleich werde sie eintreten.
So ist es mir mit der BlueBox gegangen: der Blick von außen durchs Fenster war
voller Verheißungen. Mein innerer Boykottierer hatte allerdings nie geschlafen.
Auch die Erde reißt bei ein paar Schrunden auf; es scheint Lava durchzukommen.
Beim „Nachtschwärmer“ sind die gefrorene Landschaft, die erstarrten Bäume
dennoch lichtverzückt; eingefrorene Wärme und Hitze versprühen sich am
Horizont, unterm Mond, denke ich. Das Tier geht ganz vorsichtig, konzentriert
und exakt.
Bei manchen Bildern, bei denen ich gern verweilen will
(apropos verweilern: schade, dass in den Albertinas nicht mehr Weilers zu sehen
sind), gibt es keine Bänke zum Hinsetzen, aber gottseidank bei meinen
Kokoschkas, obwohl sie mir die Bank von London weg gezogen haben. Noch bei
Dresden und hin zu Boeckls Mädchen direkt von die erklärenden Texte. Na gut.
Das himmlische London leuchtet nun in angemessener Entfernung her, das träge an
der Elbe vorbeifließende Dresden zugleich kompakter, irdischer; es glaubt noch
nicht, dass es dem Erdboden gleich gemacht werden wird. Dunkle Wolken, die sich
im Fluß spiegeln, dräuen jedoch schon heran, „was soll aus uns bloß werden, uns
droht so große Not, vom Himmel auf die Erden fallen sich die Engel tot“ (Wolf
Biermann). Fragt sich, was London schon ahnt. Oder wird es zur rechten Zeit
entschweben?
Ich würde mich gerne auf die Bank vor dem depperten Kardinal setzen, ausrasten, schreiben und meinen gewölbten und aufgeblähten Leib ihm und meinem Spiegelbild entgegenhalten, aber zwei tratschende Tirolerinnen halten die Bank besetzt. Macht nix. Dafür schaue ich jetzt sitzend auf den sympathischen „Arbeiter“ und den nachmittagsmagischen „Kröpfelsteig“ der Marie-Louise von Motesiczky, Bilder, die ich schon lange liebe. Überhaupt: ich merke richtig, wie meine Seele hier in der Albertina nach den langen Lockdowns wieder aufblüht und aufatmet. Ein wenig lasse ich mich auch von den Köpfen Jawlenskys anleuchten, zum ersten Mal.
Nun raste ich doch noch vor dem capellarrischen Kardinal,
betrachte nicht ihn, sondern mein Spiegelbild, das Resümee ist so lala. Ein
bißchen fett um die Körpermitte (im Gegensatz zum spindeldürren Kardinal), die
Beine überschlagen (im Gegensatz zum Kardinal, der diszipliniert steht,
allerdings zieht er etwas angestrengt und verkrampft seinen Umhang, Mantel (ich
kann das Ding nicht als was für ein liturgisches Gewand identifizieren – da
beiß ich mir bloß die Zähne aus!) in der Mitte ergreifend etwas hoch, vorne,
sodaß seine Untergewand – Albe, glaube ich – sichtbar wird. Ach, der Mantel
wird ein Pluviale sein! Klar, hinten hat er so ein schildförmiges Stoffstück
mit Quasteln. Ich wäre eher ein pyknischer Papst, ein katzenköpfiger.
Chagalls Papierdrachen gefällt mir nicht nur wegen des
wunderschönen Blaus und die genial dazugesetzten anderen Farben, sondern weil
das Bild so lustig ist. Auch einer meiner Albertinahits.
Ich staune immer noch, wie wenig mir die Picassos sagen –
den ich doch vor Jahren so verehrt habe – davor sitze ich nämlich, weil die
Bank bei den Giacomettis weg ist. Die Giacomettis, die mich wieder faszinieren:
seine vier dürren Frauen auf Sockel, die nicht müde werden, so tolle Schatten
an die Wand zu werfen, dann Anette, und die wunderschöne Landschaft von 1952.
Die gehen mir sehr nahe.
(9.2.2021)
©Peter Alois Rumpf
Februar 2021
peteraloisrumpf@gmail.com
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