Montag, 20. Januar 2025

3940 hoch wermas nimma gwinna

 



1:11 a.m.  Ich schließe den Tag ab. Ich hatte mich heute (19.1.) krank geschrieben und so habe ich die Wohnung nicht verlassen, das Fitnessstudio gecancelt und auch die morgige Therapie abgesagt. Ich kuriere meine Erkältung aus (echte Grippe ist es - glaube ich – nicht). Das Abdrehen des Laptops oder des CD-Players und gegebenenfalls das Weglegen des Buches ist schon immer ein Moment, wo mich etwas heimsuchen will – ich weiß nicht, wie ich es beschreiben und benennen kann. Verzweiflung? Nein, es ist  - zumindest am Beginn - nicht so dramatisch und haut mich nicht um. Ein leichter Schock vielleicht, weil ich alle Ablenkung weggegeben habe und mir so mein wahres Leben vor die Augen tritt, mit dem ich mich so schwer aussöhnen kann. Ich fange dann allerdings zu grübeln an und beginne in Gedanken meine Lebensentscheidungen oder die Schlüsselmomente zu korrigieren, oder die vielen verlorenen Kämpfe umzuschreiben, dass ich siegreich daraus hervorgehe. Auch mein Alter fällt mir dann wieder ein und dass ich – wie kann ich sagen? - das Ganze nicht mehr hoch gewinnen werde (Originalzitat 1999 von Anton Pfeffer in der Pause der Fußballspiels Spanien – Österreich beim Stand 5:0 „hoch wermas nimma gwinna!“ Und das war zur Halbzeit! Ich bin in der siebzigsten Minute oder kurz vorm Schlußpfiff!). Es läßt sich nicht mehr verleugnen, dass mir nicht allzu viel Zeit bleiben dürfte, und die Zeit, die mir verbleibt, wird – so befürchte ich es – von Altersarmut bedroht sein. Ja, der Gedanke an den näher kommenden Tod läßt sich nicht mehr leicht verdrängen.

An meine Lebensgeschichte zu denken macht mich traurig, obwohl ich tapfer und brav dagegen halte und allem nüchtern und ohne zu verurteilen ins Angesicht sehen will.

Im Bett dann fühle ich mich gleich wohler und versöhnlicher. Ich mag jedoch nicht sofort das Licht abdrehen und hänge noch so her und verweile in so einer Art stummem Gebet in die Sinnlosigkeit hinaus. Die Sinnlosigkeit ist nicht ontologisch vorgegeben, sondern das Ergebnis meiner Lebensentscheidungen. So lange verweile ich in diesem Zustand, bis ich zu müde zum Grübeln bin und nur mehr schlafen will.


(20.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3939 Kartenspielen

 



Nach dem Familienessen sitze ich im bequemen Sessel, die anderen spielen Karten, während ich vor mich hin schnupfe. Ich spiele lieber zu Hause allein gegen das Universum – Solitaire, Majong – und nicht gegen die anderen (schöne Akzentverschiebung! Er stellt es so hin, als wolle er seine Mitmenschen nicht besiegen oder behelligen, in Wirklichkeit darf vermutet werden, dass er ihre Konkurrenz und Rache fürchtet – der innere Spötter). Naja, aber das Universum ist die Stärkste Kraft im Universum. Ja, wirklich eigenartig, dass ich mir einbilde, mit der Kraft, die Universum und Leben regiert, besser zu Rande zu kommen als mit den Mitmenschen (Größenwahn läßt grüßen! Ja gut, aber gegen das Universum zu verlieren ist doch keine Schande, aber gegen den und die und den da drüben schon. Auch ein interessante Akzentverschiebung! – der innere Spötter). Oder? Oder spiele ich halt nur so vor mich hin?


(18.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3938 Zwiebel

 



0:43 a.m.  Ich bin schon im Bett, die halbierten Zwiebel sind ausgelegt (um mit ihrem Duft, der sich im Zimmer ausbreitet, gegen meine Grippe oder Erkältung oder was das ist anzukämpfen, und es hilft einigermaßen). In meinen Ohren surrt es wie fiebrig dahin. In Gedanken bin ich nach fünfzehnminütigem Flug bei Picasso gelandet (den lasse ich beim Durchschreiten der Batlinersammlung immer aus), aber die Gedanken werden gleich weitersegeln (ich glaube nicht, dass ich noch einmal zu Picasso zurückfinden werde, dessen Museum in seiner Villa ich bei meinem Pariser Exil vor zig Jahren andauernd besucht habe). Jetzt rede ich mit dem neuen Albertinachef und sage ihm, dass er diese Batlinersammlung nicht kaputt machen darf. Mit der Aufmerksamkeit wieder mehr zurück im Zimmer (ein wenig Scheinanwesenheit bleibt immer), blicke ich an den Wänden hin und her, aber die Wände und die Karten und Bildchen bleiben stumm und lösen nicht viel aus. Beziehungsweise einen Niesanfall. Jetzt lege ich mich zum Schlafen flach.


(17.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 16. Januar 2025

3937 Die Batliner-Sammlung

 



11:57 a.m.  In der Albertina. Aber bevor ich etwas über meine Lieblingsbilder schreibe – zum Beispiel sitze ich gerade vor den zwei Werefkins – möchte ich festhalten: ich habe in meinem Inneren keinen Schweinehund, sondern eine ursprünglich reine, und dann verletzte und deformierte Seele! Den Vuillard und den Manguin habe ich schon absolviert. Drüben hängt ein schöner Jawlensky. Drei Lieblingsbilder pro Saal reichen. Körperlich bin ich erschöpft; ein leises Zittern ist allem unterlegt. Die Bilder habe ich schon öfters zu beschreiben versucht; mehr ist momentan nicht drin. Jetzt wird gerade eine Gruppe junger Mädchen durchgeführt und ihnen einzelne Bilder, auch im Dialog, erläutert. Ich habe auch ein wenig mitbekommen. Aber nun gehe ich weiter. Ich sitze vor der Kokoschkawand (umgruppiert). (Ich verzichte auf Beschreibungen.) (Das Vier-Weiberbild von Hodler, das völlig deplatziert in diesem Saal hängt, stört enorm! Besonders die Stimmung im Saal. Furchtbar. Ich vermeide es, das Bild in den Blick zu bekommen.) Aber mein London! - Balsam auf die Seele. Jetzt kommen die Klees (den depperten Kardinal dort nehme ich in Kauf – schließlich kann ich hier gut sitzen und mich im großen Wandspiegel betrachten). (Der alte Herr gegenüber, der mich so skeptisch anschaut: ganz unsympathisch ist er nicht, aber gibt auch nicht allzuviel her.) Ich merke schon, wie mir die Batliner-Sammlung gut tut; frischt Geist und Seele auf.


(16.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3936 Lärm in der Küche

 



7:38 a.m. Aus einem verstörenden Traum wegen Lärm in der Küche aufgewacht, hänge ich betroffen und ratlos im Bett. Die Szenerie rundherum hat sich – so weit ich sehe - gar nicht verändert; also müßte ich mich wiederholen, wenn ich sie zu beschreiben versuchte. Und das will ich jetzt nicht. Ich bin noch voll in der Loserstimmung aus dem Traum. In einer psychischen Pattsituation. Also halte ich mich an das, was mir auffällt: meine linke Hand hält das Notizbuch völlig verkrampft und mit übertriebenem Kraftaufwand fest (im Traum hat es mir jemand weggeworfen). Mein Halsweh ist wieder etwas stärker, aber immer noch im Harmlosen, moderaten Bereich. Neben dem Rollo kann ich schon blaues Tageslicht am Fenster erkennen. Schon wieder halte ich das Notizbuch verkrampft fest, als hätte ich panische Angst, dass mir auch dieser letzte Lebensanker weggenommen wird oder aus der Hand fällt. Ich werde jetzt das Licht abdrehen und den Lichtstreifen beim Fenster betrachten.


(16.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3935 Szeneputzen

 



1:36 a.m. Endlich im Bett (ich komme schwer vom Internet los). Wenn ich bewerten müßte, würde ich sagen: ein gelungener Tag. Nicht außergewöhnlich, aber im Großen und Ganzen alles hinbekommen. Leicht lächle ich vor mich hin. Gut gelüftet habe ich auch und wirklich gründlich die Zähne geputzt. Meine heranschleichende Erkältung scheine ich mit Zwiebel, Honig und Kräutertee einigermaßen abgefangen zu haben (naja, der Tipper). Und jetzt? Jetzt schaue ich mich im kaum ausgeleuchteten Zimmer um. Gedanken, Erinnerungsfragmente etcetera kommen und gehen, sie kommen bloß so angeschwemmt, dann driften sie gleich wieder davon. Schaut so aus, als hätte ich nichts mehr zu sagen.


(16.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com

3934 Spidermannetze

 



0:42 a.m.  Ganze Bücherreihen rutschen auf ihren Brettern das Regal hinunter und bleiben doch immer an derselben Stelle. Aber beliebig kann ich diesen optischen Effekt doch nicht herbeiführen. Jetzt sind es eher Wellen, die an der Wand gegenüber herunterwandern. Ich bin mit dem Tag zufrieden. Rote Spidermannetze überziehen mein schwarzes Gesichtsfeld. Ah, jetzt war wieder Abrutschen dran. Jetzt ist die Bildfläche rot mit goldenen Punkten, die Punkte im Bereich des Zentrums.

9:43 a.m.  Die hohle Angst, mit der ich aufwache und wegen der ich mich kaum rühren kann. Ich setze mich trotzdem auf um aus dem hinaus zu kommen. Und wirklich: die Angst zieht sich in die Leibesmitte zurück und flaut langsam ab. Ich blicke auf die Wand gegenüber: Die Gipsbüste hat die Jessica freigegeben und das Schäflein hebt sich schön von den blauen Guardinis ab. Die frankophone Schweizerin erscheint wieder üppiger als sie ist (sowohl mit, als auch ohne Brille). Im glasgerahmten Kussbild ist ein länglicher, dunkler Kopf erschienen, der sich bewegt (das ist nur die Spiegelung eines Flügels des Holzraben, der in der Aufwärme des Heizkörpers tanzt, im Glas – ich dulde keine Mystifizierungen! - der innere Korrektor). Akustisch bin ich vom Gesang der singenden Ohren, Schwerpunkt links, eingehüllt. Langsam werde ich bereit zum Frühstück. Die restliche Angst kann ich ignorieren.


(15.1.2025)


©Peter Alois Rumpf Jänner 2025 peteraloisrumpf@gmail.com