10:22 a.m. Im Kaffeeamt. Viele Leute frühstücken hier. Ein Kellner spielt mit einem Hund einer Kundin. Den
Falter hatte ich zum besseren Lesen aus seinem Holzgestell geschraubt. Die Schiffamtsgasse – so kommt mir vor – gibt beschreibungsmäßig nicht allzuviel her; das Gebäude gegenüber ist hässlich (ich habe nichts gegen architektonische Sachlichkeit; es ist nicht Dekoration, die mir hier abgeht). Die meisten Menschen sind paarweise hier. (Den kindergerechten zweiten Gastraum – eine wirklich segensreiche Einrichtung für Leute mit Kleinkindern, die sich hier unbefangen treffen können - habe ich nicht im Auge.) Farblich fallen im Ambiente die Orangenkörbe an der Budel auf; also nicht die Metallkörbe selbst, sondern die Orangen. Übrigens: den
Falter habe ich heute am Freitag als Erster gelesen; ich habe es beim Umblättern an den noch in den Druckereilöchern verkeilten Seiten bemerkt. Trotz all dem weiß ich nicht, wo ich im offiziellen Leben hingehöre. Ich kann nicht hinschreiben, dass ich Schriftsteller bin, obwohl ich – so gott-oder-wer-oder-was-auch-immer-will – bald meinen viertausendsten Text geschrieben haben werde. Dabei sind die verlorenen, zerstörten Texte meiner Frühzeit gar nicht mitgezählt. Das kommt von der Überlagerung der zwei Begriffe von
Kunst (& Co): erstens als
kategorialer Begriff - Künstler, Schriftsteller, Musiker etc im Unterschied zu Tischler, Koch, Tagesmutter, Installateur, Krankenschwester etc, und
zweitens
Kunst als
inhaltlicher Begriff: dass eine Tätigkeit - egal ob kochen, schreiben, malen, Kinder betreuen, tischlern etc in ihrer Ausführung und ihrem Ergebnis - sagen wir es pathetisch – die Unendlichkeit berührt und damit die Kultur einer Epoche von den unterschiedlichen Standorten aus ausrichtet und orientiert. Beim inhaltlichen Begriff
Kunst gibt es eigentlich keine
Künstler als Beruf, sondern bloß Schreiber, Maler, Installateure, Köche etc und -innen, die in einem, vielleicht auch nur einem einzigen Moment in ihrer Arbeit über die Beschränkungen und Kategorien der Alltagswelt hinausgelangt sind und diese „Berührung“ ihrem Werk „eingespeichert“ haben. Weil aber der inhaltliche Begriff und seine Aura in Sprachgebrauch und Bewußtsein auch beim kategorialen Begriff von Schriftsteller etc mitschwingen – weshalb ja die „Kunst“ von der Gesellschaft besonderen Schutz erwartet, ähnlich wie die religiösen Institutionen – und dabei wie die letzteren im Einzelfall nicht immer oder auch nur selten zu Recht – was
nicht gegen einen solchen prinzipiellen Schutzstatus spricht, denn diese Ungewissheit und Unsicherheit ist auszuhalten – also wegen der Überlagerung der beiden Begriffe von
Kunst traue ich mich meistens nicht, mich als
Schriftsteller zu bezeichnen, weil es offen ist, ob mir – und wenn ja: in welchen Texten) dieser Hinausgriff auf die Unendlichkeit beziehungsweise das Zulassen deren Hereinstrahlens gelungen ist, obwohl ich viertausend Texte geschrieben habe. Vielleicht ist es mir leichter, zumindest den kategorialen Begriff
Schriftsteller auf mich anzuwenden, wenn ich in die
Grazer Autorinnen Autorenversammlung aufgenommen werde (mein Antrag vor zwei Jahren ist wegen der Schlamperei der Österreichischen Post beim letzten Aufnahmeverfahren im September 2023 nicht bearbeitet worden), denn ganz unwirksam und sinnlos sind solche Bestätigungen zumindest bei mir nicht. In etwa so wie eine Gesellenprüfung eines Tischlers zum Beispiel, auch wenn das unter Umständen auch nicht allzuviel über die tischlerischen Fähigkeiten des Probanden aussagt.
(7.3.2025)
©Peter Alois Rumpf März 2025 peteraloisrumpf@gmail.com