Freitag, 1. März 2024

3580 Das Gehen ist herrlich!

 



Wegen Besorgungen gehe ich heute Vormittag los und plötzlich merke ich: das Gehen macht mir große Freude! Fast wie Hänschen klein, ging allein, in die weite Welt hinein; nur dass niemand weint. Ich spüre die Unregelmäßigkeiten des Straßenpflasters durch meine am Rist 3,1 Zentimeter dicken Schuhsohlen, gehe fröhlich dahin, von einer geheimnisvollen Kraft … nicht getragen, auch gezogen oder geschoben wäre nicht ganz richtig … vielleicht bestärkt; fast wie Hans im Glück. Und Gold?! Ach was! Ich wandere doch durch die Unendlichkeit! Durch die endlichen Regionen der Unendlichkeit zwar, aber sub specie aeternitatis. An meinen Händen spüre ich irgendwelche Energieseile, die mich wie ein Babyschilift weiterziehen - ein präziseres Wort fällt mir nicht ein – sodass das Gehen ganz leicht ist. Was für ein herrliches Gehen! Mitten durch die Vormittagsaktivitäten der regen Stadt; ich gehe unbehelligt durch und genieße die fleißige, lebenstüchtige Stimmung um mich herum, mit der ich nicht viel zu tun habe.

Nun bin ich eingekehrt, trinke Kaffee, lese Zeitung, blicke friedlich herum und beim Fenster zur Straße hinaus. Ich kritisiere nichts – nicht einmal mich selbst – stoße mich nicht am überbordenden Dekor hier herinnen, nicht am Gekicher und Getratsche der anwesenden Damen. Den erst zweiten männlichen Gast, der soeben bei der Tür hereinkommt (wie soll er denn sonst hereinkommen – der innere Spötter), mache ich selbst in meinen Gedanken nicht lächerlich. Aber jetzt kommen mehr und mehr Gäste ins Café und es wird dichter und dichter und ich beginne, mir um meine Contenance Sorgen zu machen. Noch bin ich in Kraft und Gleichgewicht, aber ich rüste mich gegen einen drohenden Kippeffekt. Der Kaffee ist angenehm dünn, so putscht er mich nicht allzu sehr auf. Ich blicke stumm im Raum herum; der Blick durchs Fenster ist zurzeit verstellt. Ich warte noch ein wenig, dann werde ich wieder gehen. Gehen kann so schön sein. Ich hole die zweite Zeitung, nur um sie durchzublättern. Um sie gründlich zu lesen bin ich viel zu hochgestimmt. Hoffentlich zersetzt die zunehmend dichtere Atmosphäre hier nicht meinen fröhlichen Gleichmut. Beim Zurückbringen der durchgeblätterten zweiten Zeitung an den Haken an der Wand merke ich: meine Schritte sind noch federnd und leicht. Schnell trinke ich den Rest des schon lau gewordenen Kaffees aus, nehme dann einen Schluck Wasser gegen die dichte Kaffeeemulsion in der Mundhöhle, werde gleich zahlen und mich auf den Weg zu meinem Glücke machen.

Das Dahinschreiten ist immer noch herrlich, ich mache viele Umwege, um das Gehen durch diese wunderbare Welt zu genießen und stelle durchaus in Rechnung, dass ich vielleicht auch voller unzulänglicher Einsichten und getrieben von einer abgehobenen Euphorie in meinen Untergang marschiere. Wie auch immer: das Gehen selbst ist herrlich!


(1.3.2024)


©Peter Alois Rumpf März 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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